Anlässlich des zweiten Internationalen Aktionstages protestierten am Samstag in ganz Deutschland ungefähr 20.000 Menschen gegen das geplante Anti-Counterfeiting-Trade-Agreement, kurz ACTA. Erstmals riefen auch in Greifswald mehrere Bündnisse zu einer Demonstration durch die Innenstadt auf. Nach Angaben der Veranstalter versammelten sich rund 250 Demonstranten in der Innenstadt, um lautstark ihren Unmut über das Handelsabkommen kundzutun.

Das Urherberrechtsabkommen, das seit 2006 unter Ausschluss der Öffentlichkeit von den Ministern der führenden Wirtschaftsnationen, darunter die USA, Japan und die EU-Staaten, verhandelt wurde, soll im Kern geistiges Eigentum besser schützen und striktere Maßnahmen gegen Produktpiraterie ermöglichen. Den Berichterstatter des Haushaltsausschusses des Europaparlaments, Kader Arif, veranlasste die Undurchschaubarkeit und Abschirmung des Verhandlungsprozesses sogar zum Rücktritt. Bisher unterzeichneten die USA, Japan und 22 der 27 EU-Länder das Abkommen. Aufgrund eines Formfehlers setzte Deutschland seine Unterschrift zunächst aus.

Knapp 250 Demonstranten protestierten gegen das Handelsabkommen

Ob die Bundesregierung diese, wie geplant, schnellstmöglich nachreichen wird ist indes ungewiss, denn in der Koalition herrscht bisher Uneinigkeit über die Ratifizierung des Abkommens. „Die Bundesrepublik Deutschland hat keinerlei Gesetzgebungsbedarf“ betonte beispielsweise die FDP-Politikerin und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gegenüber der ARD, während Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass ACTA nötig sei, um geistiges Eigentum im Internet besser zu schützen. Ab heute sollen nun die Abgeordneten des EU-Parlaments über ACTA entscheiden.

„Patente auf Menschenleben sollten nicht gestattet sein!“

Formierte sich die Kritik an dem Abkommen zunächst nur im Internet, demonstrierten am ersten internationalen Aktionstag vor zwei Wochen rund 200.000 Menschen in ganz Europa gegen ACTA. Am Samstag fand der Protest schließlich auch seinen Weg auf die Straßen Greifswalds, nachdem zuvor das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die Piratenpartei, der Arbeitskreis kritischer Jurist_innen (AKJ) und die Grüne Jugend zur Demonstration aufgerufen hatten. „ACTA schützt nicht, sondern schadet“, fasste Peter Madjarov vom AKJ das Abkommen zusammen. Dass nur Lobbyisten in den Entstehungsprozess einbezogen wurden, sei ein klares Zeichen, dass nur die Vermarktungsindustrie von ACTA profitiere. „ACTA soll nur die verfehlte Urheberrechtspolitik zementieren“, erklärte auch Jörg Neubert von der Piratenpartei und sah das derzeitige Urheberrecht als veraltet an.

Dass ACTA weitreichendere Konsequenzen als das Sperren von Musik haben könne und sogar Menschenleben bedrohe, führte abschließend Sascha Fricke vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac aus. Der verschärfte Urheberschutz betreffe nicht nur künstlerische Kulturgüter, sondern auch Saatgut und Medizin. Durch das Abkommen könnten beispielsweise wirkstoffgleiche, günstigere Kopien von Medikamenten, die bereits unter einem Markennamen erhältlich sind, sogenannte Generika, strafbar werden, obwohl sie durch andere Inhaltsstoffe und Herstellungstechnologie nur eine Abwandlung des ursprünglichen Medikaments darstellen. Dies könne im Ernstfall dazu führen, dass Hilfslieferungen solcher Generika aus dem Verkehr gezogen werden könnten. „Patente auf Menschenleben sollten nicht gestattet sein!“, so die klare Botschaft Frickes.

Veranstalter ziehen positives Fazit

Auch wenn eindeutig weniger Leute an der Demonstration teilnahmen, als noch vor zwei Wochen in Rostock, so zeigte sich Fricke mit der Teilnehmerzahl angesichts der dezentralen und kurzfristigen Planung zufrieden. „Ich bin überrascht, dass so Viele trotz des kurzen Abstands zu Rostock und des kurzen Werbevorlaufs auf die Straße gehen“, zog auch Jörg Neubert von der Piratenpartei ein positives Fazit der Demonstration. Für die Zukunft gab er sich kämpferisch. Der Protest sei zwar eine Notwendigkeit, mit einer einmaligen Aktion sei es aber nicht getan. „Es ist ein langer Atem nötig, um ACTA abzuwenden und die Freiheit im Netz zu schützen“,  forderte Neubert zur anhaltenden kritischen Auseinandersetzung auf.

Mehr zum Thema findet ihr auf dem Blog der Veranstalter. Hier noch ein wenig Pro/Contra.

Foto: Katharina Beutner