Mit einem Festakt in der Aula der Universität wurde gestern Mittag Raimund Fellinger die Ehrendoktowürde der Universität Greifswald verliehen. Die Philosophische Fakultät möchte damit Fellingers langjährige Arbeit als Cheflektor des Suhrkamp-Verlages als Engagement für die Deutsche Literatur der Gegenwart würdigen. Auch sein Einsatz für den Erhalt des Nachlasses vom Greifswalder Schriftsteller Wolfgang Koeppen im heutigen Koeppen-Archiv stand im Mittelpunkt.
Dem Festakt ging eine Lesung voraus
Dem Festakt am Sonnabend ging die Lesung „Vier Autoren und ein Lektor“ am Freitagabend im Koeppenhaus voraus. Dort verlasen einige Autoren, welche allesamt von Raimund Fellinger betreut werden, eigene Werke sowie Schriften von Wolfgang Koeppen. Ziel des Abends sollte es sein, Fellinger und „seine Autoren“ in Verbindung mit Wolfgang Koeppen, um dessen Erbe sich der neue Ehrendoktor maßgeblich bemühte, gemeinsam zu präsentieren.
Zu Beginn las also Thomas Meinecke aus Wolgang Koeppens zweiten Roman „Die Mauer Schwankt“, in dem ein junger Architekt stolz sein erstes eigenes Bauwerk präsentiert, aber nur Lob für eine Nebensächlichkeit, die Türschlösser, ernten kann. Darauf folgte Albert Ostermaier mit einem Briefwechsel aus dem Jahr 1936, in dem Koeppen aus Den Haag und seiner Tante „Olla“ in der pommerschen Heimat berichtet. Als Gegenstück folgte zuletzt Ralf Rothmann mit seinem noch nicht lektorierten Erzählungsband „Shakespeares Hühner“. Im verlesenen Auszug wurden die alkohol- und drogenbeladenen Irrwege zum zwischenmenschlichen Kontakt nach einem Clubbesuch in der pommerschen Provinz beschrieben.
Festveranstaltung in der Universitäts-Aula
Bei der eigentlichen Festveranstaltung in der Aula im Hauptgebäude der Universität am nächsten Morgen kamen Professor Alexander Wöll, Dekan der Philosophischen Fakultät, aber auch viele weitere Professoren und Angehörige der Universität zusammen. Außerdem viele Autoren, welche durch Fellinger lektoriert wurden und werden sowie weitere Persönlickheiten aus dem Umfeld des Suhrkamp-Verlages.
Zu Beginn ging Alexander Wöll nach einigen Anekdoten aus der Geschichte der Universität auf Fellingers Bedeutung für die Uni ein. So sei es maßgeblich Fellingers Einsatz als Vorstandsvorsitzenden der Peter Suhrkamp Stiftung zu verdanken, dass die Universität das Werk vom gebürtigen Greifswalder Schriftsteller Wolfgang Koeppen erwerben konnte, welcher im Jahr 1996 verstarb. Seine Arbeiten sind heute im Koeppen-Archiv zugänglich, das sich zusammen mit dem Literaturzentrum Vorpommern zu einem wichtigen Ort der Literatur der Moderne entwickelt habe.
„Fellinger macht mir Mut mit seiner Heiterkeit“, dieses Zitat aus einem Briefwechsel von Hermann Lenz und Peter Handtke stellte Eckhard Schumacher, Professor für Neuere deutsche Literatur und Literaturtheorie an der Universität Greifswald, in den Mittelpunkt seiner Laudatio. Die genannten Schriftsteller wurden ebenfalls vom Ehrendoktor lektoriert, Schumacher sieht in der Äußerung ein treffende Bezeichnung der Arbeit Raimund Fellingers. Der Beruf des Lektors sei vorallem durch Diskretion und Vertrauen geprägt, eine Zusammenarbeit mit den Schriftstellern, die selten sichtbar für die Öffentlichkeit werde. Das Werk vieler Autoren könnte heute ganz anders aussehen, würde es keine Lektoren geben, welche die Texte überarbeiten. Fellinger, der seine Arbeit beim Suhrkamp-Verlag 1979 begann, sei seitdem wiederholt als Herausgeber wichtiger Werke aufgefallen. „Fellinger steht für die Edition Suhrkamp“, so beurteilte Schumacher Fellingers Wirken als Herausgeber dieser Buchreihe des Verlagshauses, in welcher jährlich Erstausgaben literatischer und theoretischer Natur erscheinen.
Dieses Verbindung von Literatur und Wissenschaft sei nicht selbstverständlich und habe großen Einfluss auf die neuere deutsche Literatur gehabt. Ziel der Würdigung als Ehrendoktor sei es nun, die Tragweite der sonst unsichtbaren Arbeit des Lektors Raimund Fellinger sichtbar zu machen.
„Einer der belesensten Menschen unserer Zeit“
Auf den Beruf des Lektors ging Professor Peter Sloterdijk, Rektor und Professor für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, in seiner Rede näher ein. Die Aufgaben beständen unter anderem im Anstiften alter Autoren zu neuen Taten und dem Aufspüren neuer Talente. Raimund Fellinger sei auf diesem Gebiet ein „unerreichter Meister“ sowie „einer der belesensten Menschen unserer Zeit“, womit er auch der Philosophischen Fakultät zu ihrer Entscheidung gratulierte.
Im Anschluss kam mit Christoph Hein ein letzter von Fellinger betreuter Autor zu Wort, welcher aus einer noch unpublizierten Manuskript, einer Neuinterpretation der Sage des „Prometheus“ aus der Griechischen Mythologie vorlas.
Fellinger selbst blieb die Ehre des Schlusswortes. Darin beschrieb er seine Auffassung der Lektorentätigkeit. So sei es wichtig, entgegen eigenen Vorlieben zu versuchen allen Autoren gleich viel Platz einzuräumen, um ihren Besonderheiten gerecht zu werden. Die Bedeutung des Begriffes „Lektor“ habe sich seit dem 19. Jahhundert gewandelt. So stehe im damaligen Brockhaus die „Prüfung der Brauchbarkeit von Texten im Verlagsgewerbe“ an letzter Stelle, wohingegen im modernen Pendant, der Wikipedia, dies an erster Stelle geschehe. Trotzdem werde in vielen Verlagen der Lektor als Relikt vordigitaler Zeit betrachtet, ohne ihn gehe aber die Einzigartigkeit und die Abwechslung verloren.
38 Ehrendoktoren seit 1989
Raimund Fellinger ist nun einer von 38 Ehrendoktoren, welche die Universität Greifswald seit dem 9. November 1989 ausgezeichnet hat. Die letzten Titel gingen 2008 an den südafrikanischen Rechtswissenschaftler Dirk van Zyl Smit und den Ulmer Anästhesisten Friedrich Wilhelm Ahnefeld. Auch Wolfgang Koeppen wurde ausgezeichnet, dies bereits im Jahr 1990.
Die Anträge für eine Ehrung gehen immer von den Fakultätsräten aus, werden vom Rektorat geprüft und zusammen mit vielen Gutachten im Senat besprochen. Die Entscheidung zur Ehrung Fellingers fiel auf der Senatssitzung am 21. September, die eigentliche Idee reichte da schon ungefähr ein halbes Jahr zurück. Dem Antrag wurde auf allen Ebenen einstimmig stattgegeben.
[Update 10. Februar] Fellingers Rede wurde im Online-Kulturmagazin faustkultur.de veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.
Fotos: Simon Voigt