Stufe für Stufe: 35 Meter steigt man zur Greifswalder Sternwarte hinauf. Deren Trägerverein blickt zuversichtlich in die Zukunft. Nach zweijähriger Sperrung gibt es dort nun wieder Führungen. Künftig will man mehr Besucher anlocken.
Bis zum Jahr 2010 waren Führungen aufgrund verschiedener Reparatur- und Sanierungsarbeiten nicht möglich. Neben brandschutztechnischen Baumaßnahmen musste ebenso giftiges Quecksilber entfernt werden. Diplomphysiker Dr. Tobias Röwf, ehemaliger Student der Universität Greifswald und derzeitig als Vorstandsmitglied des Vereins „Greifswalder Sternwarte e.V.“ tätig, ist dankbar für die Unterstützung der Universität. Nach langwidrigen, jedoch erfolgreichen Verhandlungen, könne sich der Verein neben dem Erhalt der Sternwarte, nun auch wieder der „astronomischen Bildung der breiten Öffentlichkeit“ widmen, so Röwf.
Anlässlich der Ersti-Woche gab es zwei zusätzliche Führungen. Unter den Teilnehmern befand sich Mara Nothers. Für die Studentin war es nicht der erste Besuch in einer Sternwarte. Neu war für sie die antike Atmosphäre von Räumlichkeiten und Instrumenten.
Historisch gesehen hatte die Greifswalder Sternwarte ob einiger Höhepunkte zahlreiche Rückschläge zu bewältigen. Der Ursprung der Sternwarte beziehungsweise der wissenschaftlichen Astronomie an der Greifswalder Universität lässt sich bereits vor über 230 Jahren datieren. Durch die Errichtung des Universitätshauptgebäudes bekannt, zeichnete sich der Baumeister Andreas Mayer zudem durch seine Tätigkeit als Lehrkraft für Kosmologie, Mathematik und Physik aus.
Begeistert von der Sternkunde, veranlasste er 1775 den Umbau des ehemaligen, am Ryck gelegenen Festungsturms, auch „Pulverturm“ genannt. Somit entstand die erste Sternwarte der Hansestadt Greifswald. Verstärkt durch die Vergabe der ersten Astronomieprofessur der Universität an Lambert Heinrich Röhl, wuchs eine „Ausbildungsstätte“ sowie ein „Ort der wissenschaftlichen Forschung“ heran. In den folgenden Jahrzehnten hatte die Greifswalder Himmelskunde mehrere Schwierigkeiten zu überwinden: Neben der französischen Besetzung im Jahre 1807 und der einhergehenden Nutzung des „Pulverturms“ für militärische Zwecke kam es zum Verlust diverser Instrumente. Bereits drei Jahre später begann ein jahrelanger Streit zwischen der Stadt und der Universität, der 1826 mit der Übergabe des Turms an die hansestadt endete.
Ohne eine „Beobachtungsstation“ waren die Voraussetzungen für den Astronomieunterricht erst wieder zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben. Das 1892 errichtete Physikalische Institut der Greifswalder Universität eignete sich hervorragend für die Einrichtung einer Sternwarte. Doch zunächst schloss das Budget einen Einzug aus. So war erst 1924 der neue und bis heute bestehende Standort der Astronomie in der Greifswalder Innenstadt gefunden. Nach dem gelungenen Neubeginn folgten aussichtsreiche Jahre: Mit Hilfe des erworbenen Newton-Reflektors, einem speziellen Spiegelteleskop, kam es in den folgenden Jahren zu einer Hochphase „intensiver wissenschaftlicher Forschung“, die mit Beginn des Zweiten Weltkrieges jedoch abbrach.
Während der Nachkriegszeit konnte aufgrund der damit einhergehenden Widrigkeiten weder die astronomische Ausbildung fortgesetzt werden noch war es möglich, die wissenschaftliche Forschung neu aufzugreifen. Ausschließlich der Erhalt des Instrumentariums sowie die Organisation öffentlicher Vorträge ließen das Licht in der Sternwarte weiterhin glimmen. Somit war es trotz verschiedener Rückschritte und Notlagen möglich, den Erhalt der Sternwarte über zahlreiche Epochen hinweg zu gewährleisten.
Begeistert benennt Tobias Röwf die „Faszination, die die Astronomie mit sich bringt,“ als ausschlaggebend für diesen Erfolg. Als eine der ältesten Wissenschaften sei die Astronomie „international“ sowie „interdisziplinär“. „Von der Optik, über Thermodynamik und über chemische Prozesse“ sei Vieles aus den verschiedenen Naturwissenschaften zu finden. Zudem reiche die Astronomie bis hin zur Philosophie und der Frage „Was ist denn eigentlich hinter dem Ende des Universums?“. Jeder fände somit „Anknüpfpunkte“, welche die Faszination ausmachen. Röwf erläutert: „Und ich glaube, deswegen ist es auch immer hier vor Ort möglich gewesen, ein kleines Team zu finden, das sich um die Sternwarte gekümmert hat.“
Seit 1992 bemüht sich der Verein „Greifswalder Sternwarte e.V.“, der derzeit etwa 15 Mitglieder umfasst, um den gezielten Erhalt der Institution. Das Ziel des Vereins bestehe in der Realisierung der „ideellen und materiellen Förderung der astronomischen Bildung“ von Schülern, interessierten Bürgern und Studenten. Die Finanzierung des Vereins ist ausschließlich aufgrund von Mitgliedsbeiträgen, Spendengeldern und Eintrittsgeldern der Besucher möglich. In der Phase der Hochkonjunktur waren etwa 3 000 Besucher pro Jahr zu verzeichnen. Tobias Röwf erklärt: „Weil wir ja nebenbei auch noch arbeiten und das alles ehrenamtlich betreuen, besteht das Ziel darin, die Sternwarte zumindest einmal im Monat zu öffnen. Idealerweise finden somit am ersten und am dritten Donnerstag im Monat Veranstaltungen statt.“ Derzeit sei mit etwa 1 000 Besuchern pro Jahr zu rechnen. Der Verein sei momentan für jegliche Art von Unterstützung dankbar.
Neben theoretischen Führungen, bei denen man sich mit dem Instrumentarium der Warte, der Funktion von Sternkarten und dem Mond befasst, finden auch so genannte „Beobachtungsabende“ statt. Das Teleskop, das sich im Zentrum der drehbaren Kuppel befindet, dient dabei zur Beobachtung verschiedener Himmelskörper. Mara Nothers sagt während der Führung, sie finde, dass das Instrument dem Innenraum der Kuppel eine besondere und nostalgische Wirkung verleiht, „schöner“ als modernere Exemplare. Bei der Gestaltung seiner Führungen ist der Verein „Greifswalder Sternwarte e.V.“ flexibel. „Wir machen das immer individuell, wie sich die Gruppen das ja auch wünschen. Wenn Kindergartengruppen kommen, dann müssen wir natürlich auf andere Themen Wert legen,“ erklärt der Vorsitzende Röwf.
Die zukünftigen Konzepte des Vereins konzentrieren sich, neben dem jährlich zu erstellenden Arbeitsplan, auf regelmäßige Führungen und Vorträge. Neben typischen Inhalten wie Sternbilder oder Sternsagen, soll der Fokus ebenso auf aktuelle Themen zu speziellen Jahrestagen gerichtet werden. Beispielsweise wurde dieses Jahr anlässlich des 400. Geburtstages von Jan Heweliusz, einem berühmten deutschen Astronomen, ein auf diesen ausgerichteter Vortrag organisiert. Tobias Röwf dazu: „Es sind immer kleine Glanzlichter, die wir in den Archiven finden und dann wieder aufdecken.“ Zudem freue sich der Verein, wenn es eines Tages wieder eine Astronomie-Professur oder -Vorlesung gäbe. „Dies würde Greifswald als Universitätsstandort sehr gut stehen,“ sagt der Vorsitzende.
Abschließend sei an dieser Stelle noch auf die Wiedereröffnung der Sternwarte und deren niedrigen Bekanntheitsgrad, besonders innerhalb der Studierendenschaft, hingewiesen. Konfrontiert mit dieser Problematik, erklärt Röwf, das wisse man, könne es derzeit aber wegen der klammen Finanzen nicht ändern. „Wir freuen uns über jeden Besucher, der kommt, die Kunde weiterträgt und sagt: Jetzt ist die Sternwarte wieder offen. Man kann da hinkommen.“
Ein Bericht von Natascha Gieseler mit Fotos von Ronald Schmidt