Auslandsaufenthalte sollten heutzutage zum Lebenslauf eines Studenten gehören. Wer mehr will als die klassichen Erasmus-Länder, dem bieten staatlich subventionierte Freiwilligendienste vielfältige Möglichkeiten.
Es war ein Paukenschlag, der viele Akteure der interkulturellen Jugendbildung aus heiterem Himmel traf. Das Bundeministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellt im September 2007 ein neuartiges Programm mit dem klangvollen Namen „weltwärts“ vor. Dieser entwicklungspolitische Freiwilligendienst bietet jungen Menschen zwischen 18 und 28 Jahren die Möglichkeit, ein Jahr in einem südlichen Land. Die offizielle Umschreibung: Entwicklungsland nach Definition der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD), zu verbringen. Arbeit vor Ort in einem Entwicklungsprojekt, kultureller Austausch, Horizonterweiterung. Soweit, so bekannt.
Neu war, dass die Freiwilligen diesen Aufenthalt, statt wie bisher aus eigener Tasche, nun aus Haushaltsmitteln finanzieren konnten. Bis zu 580 Euro pro Kopf und Monat erhalten die Entsendeorganisationen laut „weltwärts“ Richtlinien vom BMZ. Das sind rund 75 Prozent der Kosten einer durchschnittlichen Freiwilligenstelle für ein Jahr. Die Begeisterung war vielerorts groß, war doch die Finanzierung zuvor für viele interessierte Vereine, Verbände und Jugendliche schwierig gewesen.
Allerdings, und hier setzte die grundsätzliche Kritik an weltwärts an, stammen die knapp 7 000 Euro pro Person aus dem Haushalt des landläufig als „Entwicklungshilfeministeriums“ bekannten BMZ. Sie stehen somit für die eigentlichen Aufgaben des Ministeriums, nämlich Entwicklungszusammenarbeit, nicht mehr zur Verfügung. In der Pilotphase von 2008 bis 2010 lag das weltwärts-Budget bei 70 Millionen Euro. Das Konzept hinter dem Programm ist relativ einfach und greift zu großen Teilen auf bereits bestehende Strukturen zurück. Grundvorraussetzung ist ein Haupt-oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung. Über eine Datenbank informiert sich der Interessent über die ausgeschriebenen Stellen. Per Suchfunktion können hier die vom BMZ vorgegebenen 15 Kategorien wie Demokratieförderung, Trinkwasser oder auch Not- und Übergangshilfe angesteuert werden.
Die Bewerbung erfolgt dann direkt bei der jeweiligen Entsendeorganisation. Diese legt auch Bewerbungsfristen sowie die Ausreisetermine fest. Ein Jahr Vorlaufzeit sollte einkalkuliert werden. Zur Wahl stehen aktuell 241 Entsendeorganisationen, darunter große Fische wie die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), der American Field Service (AFS) oder das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Die Entsendeorganisationen wählen die Bewerber dann nach eigenen Modalitäten aus, organisieren das mehrtägige Vorbereitungsseminar sowie die Ausreise in das Gastland. Eine genaue Auswahl der Entsendeorganisation ist, hinsichtlich der Größe, der grundsätzlichen und religiösen Ausrichtung empfehlenswert. So sind die Entsendeorganisation grundsätzlich berechtigt, pro Monat bis zu 150 Euro Eigenbeteiligung zu verlangen. Diese Summe entspricht dem Kindergeldsatz, welches während dem Aufenthalt weiter gezahlt wird.
Knackpunkt bei weltwärts ist, so jedenfalls der in der Presse vorgebrachte Tenor, die unzureichende Qualifikation vieler Teilnehmerinnen, zumeist frisch gebackene Abiturienten. Von einem „Egotrip ins Elend“ sprach 2008 die Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel 2010 von einem „Abenteuer auf Staatskosten“. Besonders die erste Publikation spart nicht mit Häme und seziert anhand eines Fallbeispiels des ersten Entsendejahrgangs kurzerhand das gesamte Programm. Indes steht die Kritik nicht auf tönernen Füßen: 10 000 Freiwillige wollte die Initiatorin, die ehemalige Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) pro Jahr entsenden.
Das bei solchen Dimensionen eine vernüftige Auswahl und Vorbereitung der Freiwilligen ebenso wie der Einsatzstellen im Gastland auf der Strecke bleiben, erscheint unausweichlich. Ihr Nachfolger, Dirk Niebel (FDP), strich nach seinem Einzug ins Ministerium im Jahre 2009 dann auch postwendend den Etat von angestrebten 40 Millionen auf 29 Millionen zusammen. Dennoch bietet das Programm gerade im Kleinen gute Möglichkeiten, die 6 bis 24 Monate Einsatzzeit nicht nur herumlümmelnd oder kulturelles Porzellan zertretend, zu verbringen. Kritiker vergessen vielfach den interkulturellen Austausch, den Reifeprozess der Freiwilligen sowie deren Wert als Multiplikatoren nach der Rückkehr. Wie viel vor Ort letztendlich positiv und nachhaltig verändert wird, steht auf einem ganz anderen Blatt. Weltwärts ist ein visionäres Bildungsprogramm für deutsche Jugendliche mit einem von Projekt zu Projekt unterschiedlich intensiven entwicklungspolitischen Touch. Es ist als solches zu begrüßen, die Finanzierung sollte jedoch, zumindest anteilig, aus Mitteln des Bildungminsiteriums bestritten werden.
Für Studenten gibt es ein weiteren, mitunter sogar geeigneteren Freiwilligendienst. Das Auswärtige Amt legte im Jahre 2009 in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Komission e.V. seinen eigenen Freiwilligendienst unter dem Namen „kulturweit“ auf. Dieser versteht sich als internationaler, kultureller Freiwilligendienst und bietet pro Jahr 400 Plätze an. Im Gegensatz zu „weltwärts“ stehen sieben namhafte Entsendeorganisationen zur Verfügung, unter anderem die Deutsche Welle, das Goethe Institut oder der Deutsche Akademische Austauschdienst. Die Bewerbung erfolgt zentral und online, dieses Jahr zwischen dem 1. und dem 30. November. Während im Rahmen von „weltwärts“ Unterkunft und Reisekosten übernommen werden, erhalten „kulturweit“-Freiwillige Zuschüsse, aktuell 200 Euro für Miete und Verpflegung sowie ein Taschengeld von 150 Euro. Bei den Reisekosten hängt der Zuschuss von der Region des Einsatzlandes ab. Der im Rahmen von „kulturweit“ verpflichtende Sprachkurs im Gastland wird mit maximal 300 Euro bezuschusst, bei Teilnehmern von „weltwärts“ ist hier Eigeninitiative gefragt. Bei beiden Programmen müsssen sowohl die Kosten für das Visum als auch für notwenige Impfungen selbst getragen werden.
Unterm Strich bieten beide Programme für Studierende gute Möglichkeiten, beispielsweise zwischen Bachelor und Master, ein Jahr praktisch zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln. Insbesondere bei „weltwärts“ sollte sich dann intensiv mit dem Tätigkeitsfeld im Gastland auseinandergesetzt werden. Viele Stellenbeschreibungen sind sehr vage gehalten, hinzu kommt eine nicht unerhebliche Eingewöhnungsphase im jeweilligen Land. Das programmatische Motto „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ gibt einen groben Rahmen vor, in dem jeder selbst feststellen sollte, inwiefern er tatsächlich „helfen“ kann.
Kontakte zu späteren Arbeitegebern knüpfen ist, aufgrund der Fokussierung auf große, deutsche Institutionen, mit „kulturweit“ vermutlich einfacher. In beiden Fällen sollte man sich im Vorfeld durchaus kritisch mit der einem selbst zugedachten Botschafterrolle, einmal für deutsche Entwicklungszusammenarbeit und einmal deutsche Kulturpolitik im Ausland, auseinandersetzen. Letztendlich sind „kulturweit“ und „weltwärts“ wie das Leben und das Studium selbst: Es kommt darauf an, was man daraus macht.
Ein Bericht von Ole Schwabe