Studentin und gleichzeitig (werdende) Mutter zu sein, ist eine komplizierte Mischung. Wie man Schwangerschaft, Kind und Studium unter einen Hut bekommen kann – moritz hat bei Kommilitoninnen nachgefragt. Der Artikel erscheint im kommenden moritz-Magazin, das ab dem 24. Juni in der Mensa, der Universitätsbibliothek und den Instituten ausliegen wird.
Ein Bericht von Anja Rau und Luise Röpke
Sieben Prozent aller Hochschüler in Deutschland haben laut einer Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von 2008 bereits ein Kind. Für Greifswald gibt es allerdings keine eigene Erhebung, nur warum?
„Das Studentenwerk hat zuletzt im Jahr 2005 eine eigene Erhebung zu den Betreuungsbedürfnissen Studierender an der Universität Greifswald durchgeführt. Um eine gesicherte Größenangabe zu Studierenden mit Kindern zu erreichen, wäre eine grundsätzliche statistische Erfassung bei allen Studierenden notwendig, denkbar zum Beispiel im Rahmen des Immatrikulations- oder Rückmeldeverfahrens“, erklärt Jana Kolbe, Mitarbeiterin der Sozialberatung vom Studentenwerk Greifswald.
Wer ein Kind in sein Studium einplant, beweist eine große Portion Mut und gleichzeitig Organisationstalent. Wer dagegen ungeplant schwanger wird, hat zumeist das Gefühl in ein tiefes Loch zu fallen. Dieses Gefühl der erhöhten Belastung ist auch Caro Becker und ihrem Freund Tim Wegner nicht fremd. Für die beiden kam Caros Schwangerschaft überraschend, gerade deswegen wissen sie: „Das Wichtigste ist der Rückhalt in der Familie und ein genauer Plan, was alles zu machen ist“, meinen Caro und Tim.
„Das Gefühl der Überforderung, wenn man Studium, Familie und Kindererziehung unter einen Hut bringen möchte, ist nicht ungewöhnlich. Wenn zu den ganz natürlichen, aber für junge Eltern ungewohnten, Anforderungen an die Erziehung eines Kindes beispielsweise eine Erkrankung des Kindes hinzukommt, braucht man zeitweise schon viel Energie“, bestätigt Kolbe.
Eigentlich möchte man sich auf das Kind freuen, doch am Anfang überwiegt die Angst den neuen Lebensabschnitt finanziell nicht zu meistern. Daher steht vor der ersten Ultraschalluntersuchung zunächst der Gang zum Arbeitsamt an: Wer nämlich während des Studiums BAföG erhält, kann sich im Mutterschutzjahr mit dem Hartz IV-Regelsatz begnügen. Und selbst das Kindergeld wird angerechnet und somit nicht extra ausgezahlt. Neben dem Hartz IV-Antrag müssen auch die Formulare für die Erstausstattung oder für das Wohngeld ausgefüllt werden. „Man wird behandelt als wäre man seit Jahren arbeitslos und zeigt auch keinen Willen wieder in das Berufsleben einsteigen zu wollen, obwohl Caro die Ausbildung nur für ein Jahr unterbricht“, verdeutlicht Tim den ersten Besuch beim Amt.
„Leider berichten Studierende uns auch von ihren negativen Erfahrungen bei Behördengängen zur Beantragung der verschiedenen sozialen Leistungen. In einem solchen Fall nehmen die Mitarbeiter der Sozialberatung gern noch einmal Kontakt mit den entsprechenden Behörden auf“, verspricht Kolbe. Zusätzlich zu den laufenden Leistungen gibt es eine sogenannte Erstausstattung für werdende Eltern, doch diese wird erst sechs bis acht Wochen vor der Entbindung ausgezahlt. Es stellt sich die Frage, ob man so kurz vor der Entbindung noch die Zeit und Kraft hat durch sämtliche Möbelhäuser zu laufen und eine Wickelkommode oder andere Dinge zu kaufen.
Wer sich dem bürokratischen Stress nicht aussetzen will, der verzichtet manchmal sogar auf finanzielle Hilfen des Staates: „Das ist so ein Marathon durch die Behörden, für den wir keine Zeit haben und wir kommen ohne über die Runden, deswegen nehmen wir das nicht in Anspruch“, berichtet Madlen Perselli. Ihr Sohn Pavel ist bereits eineinhalb Jahre alt. Sie und ihr Mann Viktor haben die Schwangerschaft bewusst geplant, das Studium wird dadurch nicht zu sehr belastet. Die Geburt des Kindes sollte extra in den Zeitraum fallen, in dem Madlens Studium bereits fortgeschritten ist und sie nur noch ihre Prüfungen absolvieren muss. Mittlerweile befindet sie sich in dieser Prüfungsphase. Die beiden sind ein Paar, wie es sich die Bundesregierung seit der Verabschiedung des Elterngeldes wünscht, denn ihr Mann übernimmt gerade für fünf Monate die häuslichen Pflichten und das Kind, damit Madlen sich voll und ganz auf ihre Prüfungen konzentrieren kann.
Mit diesen Problemen muss sich Caro im Moment noch nicht beschäftigen, aber sie will so viele Prüfungen wie möglich vor der Geburt schreiben. „Ich habe von vielen Dozenten ein sehr gutes Feedback bekommen und es ist schön zu wissen, dass sie mich unterstützen.“ Wie der Mutterschaftsurlaub im Endeffekt wirklich abläuft, darüber hat sich das junge Paar noch keine konkreten Gedanken gemacht: „Das Mutterschaftsjahr werde ich auf jeden Fall wahrnehmen und wenn ich mein Studium fortsetze, wird Tim mich dabei unterstützen.“
Doch trotz aller Steine, die ihnen von Behörden in den Weg gelegt werden, sind sie sich mittlerweile über ihre Gefühle im Klaren: „Wir freuen uns schon auf diesen besonderen Moment, wenn wir unser Kind endlich das erste Mal in den Armen halten können und es uns anlächelt“, sagt Caro und ein paar Tränen sehen wir in ihren Augen glitzern. „Für mich ist das alles noch ein bisschen weit weg, aber in den Kreissaal möchte ich unbedingt mit, denn ich freue mich wahnsinnig auf das Kind“, beteuert Tim.
Gerade für Alleinerziehende ist ein Betreuungsplatz von existenzieller Wichtigkeit, denn das Stillen im Hörsaal erregt vermutlich doch mehr Aufmerksamkeit als einem lieb ist. Doch trotz spezieller Angebote des Studentenwerks, wie zum Beispiel der Zehn-Stunden-Betreuung, gibt es längst nicht genügend Plätze für alle Kinder. Die Anstalt des öffentlichen Rechts plant deshalb im September beziehungsweise Oktober 2012 eine Kita speziell für den Nachwuchs unserer Kommilitonen zu bauen – eine Kita für die Elite? „Die Kindertagesstätte des Studentenwerkes Greifswald ist zwar, aufgrund unseres gesetzlichen Auftrages, in erster Linie für Studierende gedacht, die Aufnahme von Kindern der Mitarbeiter der Universität und aller anderen Interessenten ist aber ebenfalls möglich“, erklärt Kolbe. „Es ist nicht beabsichtigt, eine ,Elite-Kita´ zu betreiben.“
Dieses Angebot kommt für Madlen und ihren Mann zu spät. Sie bringen ihren Sohn nur zwei Stunden täglich in eine Kita. „Ich wusste vorher, dass das schwierig wird. Eigentlich muss man den Platz ja schon vor der Geburt anmelden. Aber da Viktor ja in Elternzeit ist, geht es auch so und ist für alle Seiten die perfekte Lösung.“ Fast wichtiger als das Betreuungsangebot für den Nachwuchs ist ja, dass es mit Gleichaltrigen spielen kann „und auch alle Kinderkrankheiten mitnimmt“, wie Madlen lachend ergänzt.
Die knappe Freizeit, die bleibt, wird natürlich häufig an kinderfreundlichen Orten verbracht. „Ich sage meinen Freunden dann, dass ich in der Prüfungsphase bin, aber dass sie mit auf den Spielplatz kommen können. Oder wir gehen zusammen in den Tierpark oder man macht ein gemeinsames Picknick.“
Bis es bei Caro und Tim soweit ist, dauert es noch ein bisschen, aber das sind die kleinen Dinge des Alltags, auf die sich jedes werdende Elternpaar freut, allen bürokratischen Schwierigkeiten zum Trotz.
Fotos: Ronald Schmidt, Anja Rau