Ein Mal pro Semester findet die Vollversammlung der Greifswalder Studierendenschaft statt. Dort werden Anträge beschlossen und jeder Studierende darf, nach Diskussion der Anwesenden, per Stimmkarte zur Entscheidung beitragen. Diese Voten gehen dann als Empfehlung an die Mitglieder des Studierendenparlaments. Die Anträge werden auf den StuPa-Sitzungen zwar behandelt, aber sie müssen nicht angenommen werden, was erfahrungsgemäß auch passiert. Häufiger stand die Frage im Raum: Sollen Vollversammlungsbeschlüsse in Zukunft bindend für die Parlamentarier sein?

Die freien Stupisten Christopher Bilz, Sebastian Blatzheim, Daniela Gleich, Paula Oppermann und Erik Sintara wagen nun einen neuen Vorstoß: In ihrem Antrag an das StuPa (Drs. 21/36, noch nicht online) fordern sie eine Satzungsänderung, mit der die Beschlüsse der Vollversammlung für das StuPa bindend würden. Zuvor müsste die Satzungsänderung nach zweifacher Lesung mit Zweidrittelmehrheit beschlossen und durch das Uni-Justitiariat genehmigt werden. Ob diese Quote erreicht wird, lässt sich zurzeit kaum prognostizieren, da sich die (stimm-)mächtigen Hochschulgruppen noch positionieren müssen. Erfahrungsgemäß sind Satzungsänderungen in solchen Fragen aber schwer durchzusetzen.

Als Beitrag zur sicherlich kontroversen Diskussion über diese Frage stellen wir hier zwei diametral unterschiedliche Positionen gegenüber:

Pro

Contra

Ein Gastkommentar von Franz Küntzel
Ein Kommentar von Gabriel Kords
Einmal im Semester bietet sich für jeden Greifswalder Studierenden die Möglichkeit, sich direkt am Geschehen an der Uni zu beteiligen. Ein Podium für Meinungsäußerung, Gedankenaustausch und Kritik: Die Vollversammlung. In Zeiten wachsender (studentischer) Politikverdrossenheit finden sich mehrere hundert Studierende zusammen, um aktiv mitzugestalten. Aber bisher haben die Beschlüsse nur empfehlenden Charaktere für das „Parlament“. Zu oft wurden richtungsweisende und vor allem wichtige Beschlüsse von Stupisten einfach ignoriert oder abgelehnt. In den letzten Jahren gab es viele fadenscheinige Begründungen, warum sich Mitglieder des StuPa immer wieder gegen verbindliche Vollversammlungsbeschlüsse ausgesprochen haben. Bei genauerer Betrachtung wird man das Gefühl nicht los, dass so mancher Stuposaurier Angst davor hatte, dass ihn der „normale“ Studierende entmachten könnte. 

Dabei darf man in dieser Debatte das Wesen der Institution „Vollversammlung“ nicht verkennen, denn sie ist das einzige basisdemokratische Gremium, das wir haben. Die einzige Plattform, in welcher sich jeder Studierende ohne bürokratischen Aufwand, Wahlen oder irgendwelche Ämter einbringen kann. Das gibt Studierenden die Möglichkeit, gemeinsam an Politik teilzunehmen und sie direkt mitzugestalten. Direkte und gelebte Demokratie in ihrer ursprünglichen Form muss gefördert werden. Da ist es sicherlich nicht verwunderlich, warum immer weniger Studierende direkt partizipieren wollen. Erscheint es doch verhöhnend, wenn ihre Diskussionen und Beschlüsse weder gehört noch respektiert werden. Immer wieder hört man das Jaulen aus studentischer Selbstverwaltung, dass der Nachwuchs fehle.

Wer also Hochschulpolitik wieder interessanter und somit auch attraktiver gestalten will und sich dadurch Politikverdrossenheit entgegenstellt, kann nur die Verbindlichkeit von Vollversammlungsbeschlüssen fordern. Die Studierenden werden es in Zukunft mir reger Teilnahme am demokratischen Prozess danken.

Franz Küntzel ist Referent für Hochschulpolitik im AStA und Mitglied der JU.

Mit einer teilweisen Umwälzung der Entscheidungsgewalt auf die Vollversammlung wäre der studentischen Selbstverwaltung nicht geholfen. Im Gegenteil, der Schritt ist sinnlos: Es wäre der Versuch, den Beelzebub mit dem Teufel auszutreiben. Was würde sich ändern? Künftig könnten alle Studenten einmal im Semester gemeinsam entscheiden, wozu sie gerade Lust haben. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Die vergangenen Vollversammlungen haben gezeigt, dass die dort getroffenen Entscheidungen spontan getroffen werden – basierend auf der Agitation einiger weniger Redner (übrigens nicht selten Stupisten). Auf den Punkt gebracht: Diese Agitatoren könnten sich ihr Stimmvieh nach Belieben vor den Karren spannen. Auch erinnere man sich einmal daran, dass sich die Vollversammlung im vergangenen Sommersemester mit echter Inbrunst eigentlich nur einer Frage widmete, und zwar der, wie viele Kräuter die Mensa auf ihre Kartoffeln zu streuen habe.
 

Zu beobachten war das zum Beispiel bei der Arndt-Debatte: Hatte die Vollversammlung sich mit breiter Mehrheit gegen Arndt ausgesprochen, sah das ein gutes halbes Jahr später nach intensiver Debatte ganz anders aus.

Die Beschlüsse der verfassten Studierendenschaft mögen nicht weltbewegend sein, aber der eine oder andere verlangt doch nach einer gewissen Vorbereitung. Die gewählten Vertreter im StuPa mögen dies in großen Teilen auch nicht beherzigen, aber die dort geführte Debatte im kleinen Kreis trägt genauso zur Versachlichung von Entscheidungen bei wie die Tatsache, dass es eben doch immer ein paar Mandatsträger gibt, die tatsächlich ihre Hausaufgaben machen.

So wäre es denn auch wünschenswerter, die Damen und Herren Stupisten besännen sich darauf, dass sie mit einer Reihe guter Vorsätze in die Legislatur gestartet sind. Die sollten sie zuerst im eigenen Gremium umsetzen, wo es seit Jahren dieselben Probleme gibt: schlechte Vorbereitung, Parteipolitik, Geltungssucht und Dummschwätzerei. All das könnte sich in diesem Jahr ändern. Also, liebe Stupisten: Erstmal vor der eigenen Haustür kehren!

Foto: Patrice Wangen (webMoritz-Archiv)