Für Greifswalder Studiengängen soll die Mindestnote nun abgeschafft werden, im neuen Landeshochschulgesetz sei sie unzulässig. Beim Bildungsstreik 2009 gab es Forderungen, die Zulassungshürden zum Masterstudium abzuschaffen.
Der erste richtige Abschluss, den sie bekommen ist der Doktortitel.“ Diese Aussage wird angehenden Naturwissenschaftlern bekannt vorkommen. Das Schreiben einer Doktorarbeit nach dem Diplom ist zwar keine Pflicht, aber der Regelfall, da viele Arbeitgeber promovierte Mitarbeiter bevorzugen. Im Bologna-Modell hingegen sollten lediglich ein Drittel der Bachelorabsolventen einen Master machen dürfen und sich so für die Promotion qualifizieren. Ein drei- bis vierjähriges Studium sollte also ein achtjähriges ersetzen.
Elf Jahre nach der Einführung des Bachelors setzt sich nun die Erkenntnis durch, dass das nicht funktionieren kann. Der Fakultätsrat der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät forderte im Oktober den Senat der Universität Greifswald auf, die Mindestnote von 2,5 als Voraussetzung für die deutschsprachigen Masterstudiengänge in den naturwissenschaftlichen Fächern zu streichen. Franz Küntzel, Referent für Hochschulpolitik beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), zeigte sich überrascht und erfreut, dass die Fakultätsleitung diesen Antrag selbstständig und ohne vorherigen Druck durch die Studierendenschaft stellte.
Deutlich mehr studentisches Engagement war einen Monat später gefragt. Nach dem Abschaffen der Master-Hürde an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät wollten Franz Küntzel und der Präsident des Studierendenparlaments (StuPa), Erik von Malottki, die Zulassung zu Masterstudiengängen auch an der Philosophischen Fakultät kippen. Um ihrem Antrag eine breitere Unterstützung zu verschaffen, redeten die beiden mit den gesamten Fachschaftsräten der Fakultät und schafften es auch die meisten von ihrem Antrag zu überzeugen.
Da keiner der Antragssteller berechtigt war, im Fakultätsrat einen Antrag zu stellen, wurde der Antrag formell von Alexander Wöll, seines Zeichens Dekan der Philosophischen Fakultät, eingebracht. Für Franz Küntzel wurde der Antrag im Fakultätsrat „überraschenderweise“ nach relativ kurzer Diskussion ohne Gegenstimmen angenommen. Damit ist die Masterhürde in beiden Fakultäten, die Masterstudiengänge im größeren Maßstab anbieten, so gut wie gekippt.
Auch die Politik in Mecklenburg-Vorpommern scheint in diesem Punkt auf die Studierenden einzugehen. Laut einer Pressemitteilung der Landtagsfraktion der Sozialdemokraten sind sich die beiden Koalitionspartner SPD und CDU einig, dass nach dem neuen Landeshochschulgesetz Mindestnoten für Masterstudiengänge unzulässig sein sollen. Die Entscheidung fiel nach einer Anhörung, bei der „zum Teil massive Kritik am System der Bachelor- und Masterstudiengänge geäußert worden war“.
Auch wenn sich die Beschlüsse in beiden Fakultäten formell sehr ähnlich sind, sind sie doch aus völlig unterschiedlichen Ausgangslagen heraus getroffen worden. Im Gegensatz zur Philosophischen Fakultät hat sich die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät bei der Umsetzung der Bologna-Reform lange zurückgehalten. In den meisten Masterstudiengängen wird erst seit kurzer Zeit immatrikuliert oder sogar erst zum kommenden Wintersemester. Letzteres vor allem in Fächern, in denen eine Promotion die Regel war, wie Biologie und Biochemie. Michael Herbst, Prorektor für Studium und Lehre, hält den Beschluss der Fakultät für konsequent, da der entscheidende Abschluss in den Naturwissenschaften der Master sei und man diesen auch zum Regelstudienabschluss machen könne.
Die Philosophische Fakultät war hingegen einer der Vorreiter bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses: Schon kurz nach der Jahrtausendwende wurden hier Bachelor- und Masterstudiengänge in den meisten Fächern eingeführt. Doch auch wenn die Bachelorstudiengänge ausgelastet sind, beispielsweise die Kunstgeschichte mit 358 Studierenden, trifft das für die Masterstudiengänge nicht zu. Spitzenreiter ist der Masterstudiengang in Sprache und Kommunikation mit 55 Studierenden. Auf die restlichen 13 Masterstudiengänge verteilen sich gerade mal 105 Studenten, kein Studiengang hat mehr als 20 Studierende und nur drei Personen streben derzeit einen Master in Kunstgeschichte in Greifswald an. An der Zugangshürde kann dies kaum liegen, da laut Studierendensekretariat 86 Prozent der Studierenden ihren Abschluss mit einer Note von 2,5 oder besser ablegten. Ausnahme sei nur der auslaufende Bachelor of Laws (LL.B.)-Studiengang, so das Studierendensekretariat gegenüber dem moritz.
Aufgrund der sehr schwachen Auslastung war es für Bachelorabsolventen mit einer formell nicht ausreichenden Abschlussnote oft möglich, über einen Antrag an den Prüfungsausschuss zum Masterstudium zugelassen zu werden. Erik von Malottki hält die Abschaffung der Zulassungsbeschränkungen aus zwei Gründen für notwendig: Zum einen solle kein Studierender betteln müssen, um zum Masterstudium zugelassen zu werden, es solle vielmehr ein Recht sein. Zum anderen glaubt er, dass sich viele Absolventen der Möglichkeit der Zulassung durch den Prüfungsausschuss gar nicht bewusst seien.
Die Hauptursache für die schlechte Auslastung sieht Franz Küntzel in der Konzeption der Masterstudiengänge begründet. Diese seien entweder so aufgebaut, dass der Inhalt kaum einen Studierenden interessieren würde oder man mit dem erlernten auf dem Arbeitsmarkt nichts anfangen könne. Auch Dekan Wöll glaubt nicht, dass die bisherige Zugangsbeschränkung der Grund für die schwache Auslastung sei. Die Masterstudiengänge müssten überprüft werden und mehr interdisziplinäre Masterstudiengänge geschaffen werden. So ist geplant, Masterstudiengänge zu einem „Ostsee-Master“ zu bündeln. Alle Beteiligten scheinen sich einig zu sein, dass eine Verbesserung der Studiengänge an sich deutlich wichtiger ist, um mehr Studierende zu gewinnen. Franz Küntzel sieht eine verbesserte Auslastung der Masterstudiengänge sogar als elementar für das langfristige Überleben der Philosophischen Fakultät.
Auch wenn im Fakultätsrat keine formelle Gegenstimme abgegeben wurde, gab es auch kritische Stimmen. So kritisierte der Direktor des Instituts für Politik- und Kommunikationswissenschaft, Philipp Harfst, dass der Bachelor damit entwertet würde, da der Master so zum Regelstudienabschluss erhoben würde. Franz Küntzel ist hingegen der Meinung, dass der Bachelor schon dadurch entwertet sei, dass er weder im Ausland noch auf dem Arbeitsmarkt akzeptiert sei. Auch befürchtet Harfst, dass der Ruf der Universität unter der Abschaffung leiden könnte. Prorektor Herbst und StuPa-Präsident von Malottki sind hingegen der Meinung, dass Greifswald hier an der Spitze eines Trends stehen würde und somit die Außenwirkung nicht leiden werde.
Die Abschaffung der Master-Hürde ist auch ein großer Erfolg für Teilnehmer der Bildungsstreiks, die im Sommer des vergangenen Jahres stattfanden und unter anderem die Abschaffung der Master-Hürde forderten. Für ihre unrealistischen Forderungen wurden sie stark kritisiert. Mittlerweile arbeiten zahlreiche Mitwirkende der Bildungsproteste in den Gremien der Studentischen Selbstverwaltung mit. Durch diesen Generationswechsel sehen sich nach Meinung von Malottkis wieder mehr Studierende durch die Selbstverwaltung vertreten. Früher hätten überwiegend angehende Lehrämtler und Magister in den Gremien gesessen, die die Probleme der Bachelorstudierenden nur schwer nachvollziehen könnten. Dies mag ein Grund dafür sein, dass laut Küntzel die Abschaffung der Master-Hürde vor dem Bildungsstreik in den akademischen Gremien nie durch Studierende gefordert wurde. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass die Studierendenschaft ihre Interessen durchsetzen kann, wenn sie geschlossen auftritt.
Ein Bericht von Florian Bonn mit einer Illustration von Tina Georgi