Die gemäßigte Politik des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) stand in der Vergangenheit stark in der Kritik. Wir sprachen mit den neuen Hochschulpolitischen Referenten.
moritz Was ist eure Vorstellung eines „politischen AStA“, wie er von zahlreichen StuPisten gefordert wird?
Franz Küntzel: Ein politischer AStA sollte ganz klar die Ausrichtung der Studenten bestimmen. Also sich in der Studierendenschaft umhören, was die Bedürfnisse der Studierenden sind, und die dann nach außen vertreten. Wir haben ja gerade die Diskussion mit Teschs Rücktritt. Das haben wir uns nicht einfach so ausgedacht, das ist ja aus der Demo hervorgegangen. Weswegen wir jetzt auch einen Beschluss gefasst haben, dass wir ganz klar den Rücktritt von Tesch fordern.
Björn Reichel: Wie Franzschon gesagt hat, wir müssen die Belange der Studierenden vertreten, aber das Ganze dann unter dem hochschulpolitischen Aspekt.
Franz: Wir haben halt kein allgemeinpolitisches Mandat, sondern ein hochschulpolitisches Mandat.
moritz „Tesch muss weg!“. Ist das nicht ein bisschen übertrieben, den Rücktritt eines Kultusministers zu fordern, der zumindest nach außen hin versucht, die Interessen aller zu vertreten?
Björn: Das Problem ist, wenn man versucht, es allen recht zu machen, dann macht man es keinem recht. Dieser Grundsatz trifft hier zu. Er will es den Schulen recht machen, er will es der Studierendenschaft recht machen, er will es den Hochschulleitern recht machen. Er versucht alle Felder zu beackern, aber macht nichts richtig. Und letztendlich ist er ein wenig profillos. Er hatte genug Möglichkeiten, einen klaren Kurs einzuschlagen, aber er schafft es einfach nicht, es wurden ihm genug Chancen gegeben, auch über einen längeren Zeitraum hinweg, aber es bessert sich nichts. Deswegen muss er aus unserer Sicht vorzeitig gehen.
moritz Auf der Bundesebene wird viel über die „Bildungsrepublik“ geredet, aber konkrete Zugeständnisse an die Länder rücken immer weiter in die Ferne. Wie realistisch ist es da, gegen die Kürzungspolitik des Landes anzukämpfen?
Franz: Das ist gerade in Mecklenburg-Vorpommern eine interessante Sache, die Hochschulstandorte sind ja auch Wirtschaftsstandorte. Das wird in der Diskussion meistens ein bisschen ausgeblendet. Deswegen denke ich, dass es in MV realistisch ist, dagegen anzukämpfen. Bestes Beispiel ist Greifswald. Die Bürger in Greifswald sind Teil der Universität und auch die Leute in der umliegenden Region leben von der Uni. Ob sie nun Angestellte sind oder ihre Kinder dort arbeiten oder sonstiges. Gerade hier ist die Verflechtung besonders stark.
Björn: Gerade in MV ist es auch realistisch, weil die zwei Universitätsstandorte und die drei Hochschulstandorte zusammengefasst noch nicht das ausmachen, was man in einer Stadt wie Berlin hat. Dadurch kann man viel besser gegen das Land in Sachen Kürzungspolitik agieren, als man das in einer großen Stadt tun könnte. Da sind wir hier klar im Vorteil.
moritz Der Gesetzesentwurf zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes (LHG) sieht eine große Umstrukturierung im Bereich der Universitätsklinik vor. Welche Veränderungen würde diese für die Studierendenschaft mit sich bringen?
Björn: Letztendlich bietet das LHG keine konkreten Informationen. Es sieht bloß eine Einbeziehung in die Universität vor und es ist dann natürlich abzuwarten, wie die Schwerpunktlegung ist. Ob dann die Universität den Schwerpunkt auf die Medizin legt, weg von den Geisteswissenschaften zu ausschließlich Naturwissenschaften. Aber das ist ein Punkt der Novellierung, der auch von den wenigsten moniert wird, weil da die wenigsten Ahnung davon haben.
moritz Müsstet ihr als hochschulpolitische Referenten nicht Ahnung davon haben?
Björn: Ja, also ich bin gerade dabei ein Positionspapier dazu zu schreiben, das auch noch durchs Studierendenparlament gehen wird. Allerdings wurde die Rechtsformänderung der Medizin von keinem moniert. Ich hab mir auch Meinungen aus Rostock geholt, von der Landeskonferenz der Studierenden aber auch hier aus Greifswald von StuPisten.
Franz: Es kamen aber leider nur vereinzelt Rückmeldungen, obwohl wir das schon vor Wochen rumgeschickt haben. Von 30 StuPisten kam nur von dreien eine Rückmeldung. Was für uns Referenten natürlich auch blöd ist. Das ist zwar ein Schinken zu lesen, aber wir können da ja nichts entscheiden. Wir können nur vorbereitend und beratend wirken, aber am Ende muss das StuPa und auch der Senat sich entweder dafür oder dagegen aussprechen, oder Änderungswünsche anbringen. Wenn man uns da nicht zuarbeitet, dann stehen wir halt ein bisschen doof da.
moritz Demnächst steht die neue Zielvereinbarung der Universität an. Wieso sollte das einen normalen Studenten interessieren?
Franz: Es sind mindestens 2500 Lehramtsstudenten davon betroffen, weil bei der Zielvereinbarung geklärt wird, wie es mit der Lehramtsausbildung in Greifswald weitergeht. Bei einem Wegfall müsste man auch gucken, wie es mit den Unikatsfächern in der Lehramtsausbildung weitergeht. Die werden wahrscheinlich hier bleiben, müssten aber miteinander kombiniert werden. Da ist es klar, dass die Studierendenzahl dort abnehmen würde, weil eine Kombination wie zum Beispiel Kunst und Russisch doch eher selten ist. Weniger Studierende heißt weniger Professuren, weniger Geld und im Endeffekt weniger Lehrangebot für die gesamte Philosophische Fakultät. Damit wären im Grunde alle Bachelor of Arts-Studenten davon betroffen und vor allem die Vielfalt unserer Universität.
Björn: Es geht auch darum, dass in der Zielvereinbarung indirekt die Rede davon ist, dass der Schwerpunkt in Greifswald Richtung Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät gehen soll. Die Geisteswissenschaften stehen einfach auf dem Spiel. Man will in der Zielvereinbarung ein gezieltes, straffes mathematisch-naturwissenschaftliches Studium haben. Das betrifft dann vor allem die Geisteswissenschaften.
Franz: Die verfasste Studierendenschaft wäre davon enorm betroffen. Denn: Wer sind denn die Leute, die sich ehrenamtlich engagieren? Das sind sehr selten Mediziner oder Naturwissenschaftler, das sind sehr oft Lehramtsstudenten, weil sie die Zeit haben und auch länger hier sind, ab und zu auch mal ein paar Juristen und BWLer. Auch das ganze Clubleben und die studentischen Medien ständen auf dem Spiel. Mediziner sind oft einfach zu sehr eingespannt. Deswegen würde Greifswald an Attraktivität verlieren, wenn die Lehramtsstudenten weggingen.
moritz Unter Pedro und Solvejg stand die Pressearbeit des AStA im Vordergrund. Bleibt es weiter Maxime im AStA, mehr auf eine glatte Außenwirkung zu achten, als auf konkrete politische Arbeit?
Björn: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich denke, man muss die Balance zwischen beidem herstellen. Ich meine, das was Pedro und Solvejg gemacht haben, war jetzt keine schlechte Arbeit. Der Laden lief. Ich kenne andere Beispiele aus Berlin von der Technischen Universität. Da sind die innerhalb von einer Legislatur von der AStA-Villa in den Keller gezogen. Da lief der Laden nicht. Wir sitzen immer noch hier drin. Wir haben immer noch Geld. Ich glaube aber, dass man die politische Arbeit nach außen tragen muss, um so eine Außenwirkung zu erzielen.
Franz: In den letzten Monaten hätten wir uns öfter kritischer äußern müssen, auch gegenüber dem Rektor, das hab ich vermisst. Aber das haben wir jetzt in Angriff genommen und das werden wir in den nächsten Wochen auch noch mal verstärken.
moritz Die Organisation der Demos zur Lehrerbildung haben die Referenten für Studium und Lehre Paula Zill und Sandro Mundt übernommen. Gehört das nicht in euren Bereich der Hochschulpolitik?
Björn: In diesem Fall gab es eine Zweiteilung. Das Thema Lehrerbildung fällt zum einen in den Bereich Studium und Lehre, aber auch in unseren Bereich der Hochschulpolitik. Dementsprechend haben wir beide auch unterstützend bei der Organisation gewirkt.
Franz: Die Sache war auch, dass Sandro und Paula schon länger im AStA waren, und da eher drin steckten, deswegen haben sie das übernommen. Ich bin jetzt noch relativ neu im AStA und Björn hatte vorher ein anderes Referat inne.
moritz Unter eurer Vorgängerin hat sich das Hochschulpolitische Referat nur schleppend in die wichtigen Diskussionen eingebracht. Nach allem, was man von euch mitbekommt, hat sich nicht viel geändert. Während LHG-Novellierung, Zielvereinbarung und Lehrerbildung auf der Agenda stehen, kümmert ihr euch vor allem um die Organisation der Vollversammlung inklusive Public Viewing. Sollten in einer solchen Zeit nicht andere Prioritäten gesetzt werden?
Björn: Die Vollversammlung ist die Plattform, die wir dafür brauchen. Es nützt nichts, intern über eine LHG-Novellierung zu diskutieren, von der die gesamte Studierendenschaft betroffen ist. Wenn es zum Beispiel um die Verkürzung von Regelstudienzeiten geht oder den Wegfall von Freiversuchen. Dazu brauchen wir die Masse. Und wir müssen versuchen die Vollversammlung beschlussfähig zu gestalten. Und da die Politikverdrossenheit heutzutage sehr groß ist, also das liegt ja nicht nur am Bachelor, das ist ja allgemein so, brauchen wir etwas, was zieht. Die Vollversammlung soll auch Basis dafür sein, das Ganze nach außen zu tragen. Um auch zu zeigen, dass wir nicht den ganzen Tag im Büro herum sitzen und Solitär spielen. Wir arbeiten tatsächlich inhaltlich und das auch die ganze Zeit. Und da präsentieren wir euch dann auch die Ergebnisse. Für diese brauchen wir aber natürlich Vorlauf, damit sie auch inhaltlich ausgereift sind.
moritz Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Patrice Wangen.