Nach einem Jahr andauernder Debatten und Diskussionen über den Namenspatronen unserer Universität hat der Senat nun entschieden: Ernst Moritz Arndt bleibt!
Es ist wie bei einem fleißigen Bauern: er sät, gießt und pflegt monatelang das Feld, um am Ende eine Ernte davon zutragen. Nach fast einem Jahr andauerndem Engagement, unzähligen Bannern, Plakaten und Flugblättern sowie provokanter Parolen und Aktionen, war dies nun der Tag, an dem die Ernte nach Hause getragen werden sollte. Am 17. März versammelten sich Gegner Ernst Moritz Arndts auf dem Rubenowplatz, um sich gemeinsam auf die Ernte ihrer im letzten Jahr gesetzten Saat einzustimmen. Geerntet wurde jedoch im Konferenzsaal der Universität. Der Senat sollte an diesem Tag über die Antrag zur Ablegung des Namen Ernst Moritz Arndt abstimmen.
Klar definierte Seiten
Die Studierendenschaft teilte sich in zwei große Lager, das bestätigte bereits die Urabstimmung. Im Vorfeld der Senatsentscheidung hatten sich Vertreter dieser beiden Lager auf dem Rubenowplatz versammelt. Während Mitglieder der Initiative „Uni ohne Arndt“ mit französischen Chansons und in ausgelassener Stimmung feierten, hielten Vertreter der „Arndt AG“ eine Mahnwache direkt vor dem Eingang des Universitäts-Hauptgebäudes. Die Domstraße wurde damit symbolisch geteilt.
Zwei Wochen vor der Entscheidung vermeldete die lokale CDU, welche die stärkste Fraktion in der Greifswalder Bürgerschaft stellt: „Wir stehen geschlossen zur Beibehaltung des Namens Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald für unsere Hochschule. Dies haben wir und werden wir auch in Zukunft klar und eindeutig zum Ausdruck bringen!“ Auch in der Presse gab es deutliche Positionierungen, meist jedoch gegen Arndt. So urteilte „Zeit Online“: „Man sollte Arndt überhaupt ganz der Vergangenheit überlassen (…) Für eine Universität taugt dieser völkische Ideologe als Namensgeber so wenig wie für Bundeswehrkasernen oder Schulen.“
Über die Bedeutung der Entscheidung waren sich alle bewusst. Die Senatorin Prof. Hannelore Weber sprach in der Senatssitzung im Februar von der Wahl zwischen „einem linken und einem rechten blauen Auge“. Prof. Werner Stegmaier erklärte zudem, man müsse sich im Klaren darüber sein, dass es in dieser Entscheidung keinen Kompromiss gebe. Der Senat riskiere mit der Entscheidung entweder die regionale Bevölkerung oder die bundesweite Presse zu verärgern, eines von beiden müsse man in Kauf nehmen.
Eine eindeutige Entscheidung
Den Moment der Entscheidung wollten sich viele Studierende, Bürger der Stadt und Ehemalige der Universität sowie Pressevertreter nicht entgehen lassen. Im Besucherbereich des Konferenzsaales drängt man sich dicht aneinander, nur allmählich konnte die Senatsvorsitzende Prof. Maria-Theresia Schafmeister die Zuschauer zur Ruhe bringen. Auf Grund des hohen öffentlichen Interesses zog man den entsprechenden Tagesordnungspunkt vor. Zunächst durfte der stellvertretende Senatsvorsitzende Thomas Schattschneider den Antrag samt Begründung verlesen. Schattschneider gehörte neben den Senatoren Prof. Hubertus Buchstein und Fabian Freiberger zu den Antragstellern. Er wies auf den schlimmsten Fall hin, der eintrete, wenn sich zwar ein deutlicher Teil der Stimmen, nicht aber die notwendige Mehrheit gegen den Namen entscheiden sollte.
Dann spreche sich der Senat zwar gegen den Namen aus, er wäre jedoch quantitativ nicht in der Lage, die dafür notwendige Satzung zu ändern. „Dadurch hätten wir beide Augen mit einem Veilchen verziert. Das eine durch einen Teil der Bevölkerung, der wahrnimmt, dass der Senat mehrheitlich nicht hinter dem Namen Ernst Moritz Arndt steht und ein zweites, durch die Medien, die das Unvermögen des Senats geißeln“, so Schattschneider. Nachdem Professor Jürgen Kohler die Gelegenheit für eine Gegenrede gegeben wurde, ging es auch schon zur geheimen Abstimmung. Die Auszählung ergab: 14 Senatoren haben sich für die Ablegung des Namenspatronen ausgesprochen, 22 für die Beibehaltung. Damit war das Votum eindeutig, anwesende Ehemalige der Universität brachen in Jubel aus.
Die Grundlage der Entscheidung
Die Entscheidungsgrundlage war der Bericht der Namenskommission, der vier Wochen zuvor dem Senat vorlegt worden war und sämtliche Argumente für und gegen Arndt beinhalten sollte. Die Kommission kritisierte im Bericht, dass sich die Universität in einem langfristig angelegten Forschungsprojekt ein Konzept zu Ernst Moritz Arndt erarbeiten müsse. Dieses hätte sie bisher nicht gehabt. Die Beibehaltung des Namens impliziere in jedem Fall ein derartiges Konzept. Letzten Endes kam die Kommission zu dem Urteil: „Leben und Wirken gerade von historisch exponierten Persönlichkeiten haben in aller Regel Licht- und Schattenseiten, die zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise bewertet und gewichtet werden können.“ Die Kommission konnte sich jedoch zu keiner Empfehlung an den Senat durchringen. Thomas Schattschneider erklärte dem webMoritz gegenüber, dass die Mitglieder der Kommission sich nicht noch stärker als bisher öffentlichen Schmähungen und Diffamierungen aussetzen wollten.
Parallel zum Bericht der Kommission wurde eine Auflistung der Kosten für eine Umbenennung eingereicht. Laut Prognose würden sich diese auf etwa 108 000 Euro belaufen und wären nach Aussagen Peter Riefs, Verantwortlicher der Kostenaufstellung, noch sehr optimistisch kalkuliert. Viele Faktoren wären in der Hochrechnung noch gar nicht berücksichtigt gewesen, wie etwa das Personal, das sich mit der Umbenennung beschäftigen würde.
„Blamabel ist allein, wie die Debatte verlaufen ist“
Der Bericht ist auch ein Spiegelbild der monatelangen Debatten zwischen Arndt-Gegnern und Arndt-Befürwortern. Beide Seiten kommen darin zu Wort. Die Arndtgegner wurden unter anderem vertreten durch Walter Baumgartner. Dieser kritisierte: „Blamabel ist allein, wie die Debatte bis jetzt gelaufen ist. Die Unileitung bleibt in Deckung. Fast die ganze Philosophische Fakultät duckt sich weg.“
Und auch die Arndt-Befürworter, vertreten durch Dirk Alvermann, Professor Reinhardt Bach und Irmfried Garbe, kamen nicht ohne Vorwürfe aus. So kritisierten sie, die Arndt-Gegner würden auf dem Datum der Namensverleihung 1933 beharren: „Ursächlich aus dem Zeitpunkt der Namensverleihung wurde eine inhaltliche Affinität Arndts zum politischen Programm des Nationalsozialismus vermutet beziehungsweise postuliert. Sie wurde aber von denen, die dies behaupten, weder methodisch-kritisch geprüft noch erhärtet.“ Der tatsächliche Verlauf der Debatte, die ausgetauschten Argumente, würden den Eindruck erwecken, dass man über den Namen nicht ernsthaft streiten kann, ohne über die historische Person und ihr Werk zu reden. „Bewusst oder unbewusst, es ist ein Wahrnehmungsstreit, keine wissenschaftliche Debatte, obgleich das alle für sich reklamieren“, bemängelten die Arndt-Befürworter.
Auswirkungen der Debatten
Das Ausbleiben einer wissenschaftlichen Debatte könnte an den mühsamen Diskussionen, wie die Debatte überhaupt zu führen sei, gelegen haben. Auch könnte es gestört haben, dass während der Debatten sehr viel polarisiert wurde, sie teilweise auf persönlichen Antipathien basierte und sich viele an der Person von Sebastian Jabbusch gestoßen haben. Nicht zuletzt wird die Entscheidung der Kommission, kein klares Votum abzugeben, das Ergebnis wesentlich beeinflusst haben. „Hätte die Kommission ein klares Votum formuliert, wäre die Entscheidung wahrscheinlich anders ausgefallen, egal, wie der Bericht geurteilt hätte. Es wäre sicherlich eindeutiger gewesen“, äußerte Thomas Schattschneider nach der Entscheidung.
Die Stimmen nach der Entscheidung
Mit diesem Ergebnis hatten jedoch viele nicht gerechnet. „Ich hätte mir zumindest bei den Ja-Stimmen mehr erhofft. Aber das es schwierig werden würde, war von Anfang an klar“, so Schattschneider.
Die Initiative „Uni ohne Arndt“ ließen anschließend über ihre Website verkünden, sie nehme das Abstimmungsergebnis des Senats mit Bedauern und Sprachlosigkeit zur Kenntnis. „Wir hätten uns ein klares Signal gegen das fremdenfeindliche Gedankengut Arndts gewünscht, erkennen aber an, dass viele Menschen in der Region eine andere Symbolik mit Arndt verbinden“, so Sandra Schmidt, Mitglied der Initiative. Sebastian Jabbusch erklärte zudem über den webMoritz, dass es in Zukunft keine Aktionen mehr geben werde. „Der Namenspatron wird jedoch sicher auch in Zukunft für Kontroversen sorgen. Das ist dann jedoch die Aufgabe der nächsten Generation“, kommentierte Jabbusch.
Oberbürgermeister Arthur König begrüßte hingegen in einer Pressemitteilung die Entscheidung des Senats: „Ich habe an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität studiert und später auch dort gearbeitet. Schon aus dieser Verbundenheit heraus freue ich mich über die Entscheidung. Gleichzeitig kann ich nicht erkennen, dass der Name Ernst Moritz Arndt der Universität in den letzten 20 Jahren geschadet hat, was die Zunahme der Studierendenzahl belegt.“
Der Ernteertrag
Was nun unseren Bauern angeht, so brachte die Ernte nicht den gewünschten Ertrag. Dies kann jedoch vielerlei Gründe haben, beispielsweise ein ungeeigneter Boden, eine schlechte Saat oder eine falsche Pflege. Doch der Bauer hat es geschafft, den Boden für etwas tiefergreifendes vorzubereiten. In unserem Fall ist die Grundlage für eine intensivere Auseinandersetzung mit Ernst Moritz Arndt gelegt wurden. Studierende, Bürgerschaft und die breite Öffentlichkeit wurden sensibilisiert für die Wahrnehmung und Bedeutung eines Namenspatrons. Und wenn es um eine eventuelle zukünftige Neu-Saat geht, könnte man aus den Fehlern des jetzigen Bauern lernen. So lange wird das Land aber erst einmal brach liegen.
Ein Bericht von Annegret Adam
Keinen Plan, wer wir sind
Ein Kommentar von Björn Buß
Die Entscheidung fiel deutlich aus: Ernst Moritz Arndt ist weiterhin Namensgeber der hiesigen Alma Mater. Was den Einen freut, ist des Anderen Leid. Doch beiden Seiten mangelt es an Weitsicht. Und dies bezieht sich nicht auf die geführte Diskussion über den Namen. Mit oder ohne Ernst Moritz Arndt, leider war nur dies die Sau, die durch die universitäre, regionale und nationale Gassen getrieben wurde. Die gesamte Debatte hätte Licht ins Dunkel des Selbstverständnisses bringen können. Denn was die vorpommersche Uni eigentlich sein möchte, blieb in der ganzen Debatte unbeantwortet. Eine Uni ist nicht nur ihr Name!
Mit der Einschreibung als Student oder dem Arbeitsbeginn an der Uni entsteht eine Mitgliedschaft in der Ernst-Moritz-Arndt Universität. Doch wirkt der diskutable Namen nicht im Alltag. Relevanter für die Studenten sind die Bedingung ihrer Ausbildung: Sind die Veranstaltungen überlaufen; wie gut ist das Lehrangebot; und bereitet das Studium in Greifswald auf die spätere Berufslaufbahn vor.
Relevanter für die Mitarbeiter sind die Arbeitsbedingungen und Strukturen: Kann ein Doktorand zügig promovieren; helfen einem Wissenschaftler die verschiedenen Verwaltungseinrichtungen bei der Einwerbung von Forschungsmitteln; fühlen sich nicht-wissenschaftliche Mitarbeiter als angesehener und wertvoller Teil der Uni. Was den einzelnen Hochschulmitgliedern im Alltag wichtig ist, kann sehr unterschiedlich sein. Das Label Ernst Moritz Arndt ist dabei aber meist unsichtbar.
Namensänderungen gibt es in der deutschen Hochschullandschaft en masse. Fünf Jahre ist es her, seitdem aus der Fachhochschule, die Hochschule Neubrandenburg wurde. Damit wurde die Hochschule nach Außen aufgewertet. Die Umbenennung der Uni Dortmund in Technische Universität (TU) im Jahr 2007 machte nur die Schwerpunktsetzung in den technischen Studienfächern deutlich; an der Struktur des Lehr- und Forschungsbereiche änderte sich hingegen nichts. Die TU grenzte sich vor allem von den vielen Konkurrenten in Nordrhein-Westfalen ab.
Am stärksten sind innerhalb und außerhalb der vormaligen Universität Lüneburg die Änderungen zu spüren: Leuphana ist der Name seit 2007. Stark diskutiert, doch vom Präsidenten der Stiftungsuniversität durchgesetzt, wurde neben dem neuen Namen auch eine Fokussierung auf wenige Fächer und das sogenannte Leuphana-Studienmodell. In Lüneburg sollen die besten Studenten auf die besten Forscher treffen, was bei genauem Blick in die Hochschule keine leere Worthülse ist.
Und was ist nun die Universität Greifswald? Eine Volluniversität, deren sogenannte Unikatfächer bei letzten CHE-Forschungsranking nur im hinteren Drittel dabei sind. Eine Philosophische Fakultät mit Orchideenfächern ohne Potential aufgrund der mangelnden Größe und dem Wunsch des Erhalts der Lehramtsausbildung in Greifswald. Dass wichtige Entscheidungen dafür aber in Schwerin schon gefallen sind – auch wenn es anders ausgedrückt wird (Seite 14) – wird ignoriert. Eine Hochschule ohne vernünftige Alumni-Arbeit. Diese Auflistung würde kein Ende nehmen, ohne dem Wesen der Hochschule näher zu kommen. Leider.
Versäumt wurde in der Vergangenheit eine offene Debatte über die eigene Identität. Und nicht nur, weil die nächste Zielvereinbarung zwischen Land und Uni zu unterzeichnen ist. Sondern weil Studierende und Mitarbeiter tagaus tagein in und mit der Ernst-Moritz-Arndt Universität leben.