Um die Zukunft der Lehrerbildung in Greifswald steht es weiter schlecht. Die Landesregierung betreibt nach wie vor aktive Planungen, die Lehrerbildung vollständig auf die Universität Rostock zu konzentrieren. Lediglich für die Fächer Kunst, Religion und Geografie soll es längerfristig Ausnahmen geben. Alle anderen Fächer sollen zentral in Rostock gelehrt werden – inwieweit eine solche Teilung mit wenigen Rest-Fächern in Greifswald Sinn macht, ist allerdings offen, weil so die Möglichkeiten zur Fächerkombination stark eingeschränkt werden.

Wie aus einem Artikel in der heutigen Ausgabe der Ostsee-Zeitung (Lokalausgabe Greifswald) hervorgeht, gibt es zudem noch nicht einmal Lösungsansätze für die Fachdidaktik. Hier kommt es in Greifswald seit Jahren zu personalbedingten Kapazitätsengpässen, in Rostock sieht die Situation ähnlich aus. Obwohl es erklärtes Ziel der Landesregierung ist, dass die didaktische Ausbildung in Zukunft eine wichtigere Rolle im Studium spielt, ist noch ungeklärt, wie die Neuausrichtung finanziert werden soll.

Widerstand in Greifswald

Künftig keine Lehrerausbildung mehr in Greifswald?

In Greifswald regt sich nach wie vor Widerstand gegen die Planungen, allerdings ohne konkrete neue Pläne zum Protest: Rektor und Senat wollen die Lehrerausbildung ebenfalls behalten, der neue Dekan der Philosophischen Fakultät, Professor Alexander Wöll, sieht den Erhalt der Lehrerausbildung gar als „vorrangige Aufgabe“ seiner Amtszeit.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) reagierte auf die heutige OZ-Meldung mit einer Pressemitteilung, in der die Pläne der Landesregierung scharf kritisiert werden. AStA-Vorsitzende Solvejg Jenssen spricht von einer „Amputation der Greifswalder Universität“.

Beim AStA geht man von einem Bedarf von 600 neuen Lehrkräften in den kommenden Jahren in Mecklenburg-Vorpommern aus. In Greifswald allein studieren derzeit 2500 Kommilitonen auf Lehramt. Der stellvertretende AStA-Vorsitzende Pedro Sithoe erklärte dem webMoritz gegenüber, dass jedoch ein großer Teil dieser Studenten nach dem Studium nicht als Lehrer arbeiten würden. Von denen die ihr Referendariat antreten würden nur wenige in MV bleiben, da andere Bundesländer oftmals mit Prämien und Verbeamtung locken.

Update 7. April – 16:08 Uhr

Auch die Greifswalder Jungsozialisten (Jusos) haben in einer Pressemitteilung ihre Ablehnung dieser Pläne zu Protokoll gegeben. Eine Verlagerung der Lehramtsausbildung schade nicht nur der hiesigen Universität, sondern der gesamten Region. Nach Ansicht der Jusos scheint man „im Bildungsministerium Vorpommern bereits abgeschrieben zu haben.“ In der Mitteilung kündigen sie zudem an, das Thema auf die Tagesordnung des SPD-Landesparteitages Ende April setzen zu wollen.

Update 8. April – 10:14 Uhr

Auch der Ring Christlich-Demokratischer studenten (RCDS) hat sich am Mittwochabend in einer Pressemitteilung zu den Plänen der Landesregierung geäußert und diese kritisiert. Würde die Vielfalt der Universität nicht erhalten bleiben, so heißt es, riskiere man die Wettbewerbsfähigkeit der Greifswalder Hochschule. Ein solcher Einschnitt würde sich auch negativ auf die Kombinationsmöglichkeiten beim Bachelor of Arts auswirken.Die Lehramtsausbildung in der Hansestadt genieße einen sehr guten Ruf. Man fordere das Bildungsministerium auf,  „mehr Geld zur Verfügung zu stellen, damit das vorhandene Lehrangebot an unserer Universität ausgebaut werden kann und außerdem eine Möglichkeit geschaffen wird, dass auch Lehrer für Grundschulen in Greifswald ausgebildet werden können.“

Update 9. April – 13:27 Uhr

Auch die Greifswalder Grünen sprechen sich in einer Pressemitteilung gegen die Schließung der Lehramtsstudiengänge aus und kritisieren Rektor Professor Westermann. „Wenn der Rektor der Universität sich nun allerdings verbal für den Erhalt der gefährdeten Studiengänge einsetzt, so können wir das im besten Fall als Krokodilstränen, im Normallfall jedoch nur als Heuchelei betrachten“, so Kay Karpinsky vom Regionalbüro von Bündnis 90 / Die Grünen. „Schließlich wurde unter seiner Leitung die Konzentration der Ressourcen auf wenige Massenstudiengänge aktiv betrieben. Gleichzeitig litt die Qualität mancher Lehramtsstudiengänge unter der unzureichenden Ausstattung der Fachbereiche, insbesondere im Bereich der Fachdidaktik.“

Das moritz-Magazin sprach vor Kurzem mit dem ehemaligen Kanzler der Greifswalder Universität Dr. Thomas Behrens, der nun im Bildungsministerium die Abteilung für Wissenschaft, Forschung und Hochschulen leiutet. Die neue Ausgabe des Magazins ist in dieser Woche erschienen.

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moritz: Herr Behrens, im Februar gab es ein Treffen zwischen dem Bildungsministerium und der Universität über Fragen der Lehrerbildung
in Greifswald. Im Zuge der letzten Zielvereinbarung von 2006 wurden 190 Stellen gestrichen. Wie viele werden es diesmal sein?

Behrens: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Stellenabbau und den Zielvereinbarungen. Der Stellenabbau beruht auf dem Personalkonzept des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Zielvereinbarungen hingegen sind ein Steuerungsinstrument. Dennoch hat mich der Stellenabbau vor vier Jahren sehr getroffen, insbesondere die Abschaffung der Sportwissenschaften, welche ich nach wie vor für falsch halte. Ich kann Ihnen allerdings versichern, dass die Hochschulen von Stellenstreichungen ausgenommen sind.

moritz: Was sind denn die Eckwerte, unter denen eine neue Zielvereinbarung ausgehandelt werden soll?

Dr. Thomas Behrens

Behrens: Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen in MV erhalten. Das schaffen wir aber nur, indem wir die Profile der Hochschulen weiterentwickeln. Das ist beispielsweise der Schwerpunkt des Ostsseeraums in Greifswald oder die Zusammenarbeit der Medizin mit den Naturwissenschaften.

moritz: Aber andererseits will das Ministerium die Lehrerbildung in Greifswald abschaffen und nach Rostock verlagern. Das klingt nicht nach Profilbildung, sondern nach Schwächung.

Behrens: Eine Profilbildung setzt Profilspitzen voraus. Wenn Sie über Greifswald schauen, gibt es ja auch drei Kirchtürme, die besonders herausragen. An der Uni sind das die starken Fächer und die müssen wir ausbauen.

moritz: Gebäude können auch herausragen, wenn man alles herum abreißt.

Behrens: Das haben wir nicht vor. Jedoch ist unser Bundesland zu klein für zwei Volluniversitäten. Schließen wollen und können wir jedoch
keine, denn die Entwicklung des Landes findet nun mal mit den Hochschulen statt. Wir müssen sie so attraktiv gestalten, dass Studierende
und Professoren gerne zu uns kommen.

moritz: Wenn man konsequent wäre, müsste man dann nicht auch die Medizin an einem Ort schließen und an dem anderen konzentrieren?

Behrens: Es gab solche Überlegungen bei uns. Aufgrund einer Begutachtung hat sich das Land jedoch dazu entschieden, die Medizin an beiden Orten zu spezialisieren. In Greifswald ist die individualisierte Medizin besonders stark – Stichwort Community Medicine. In Rostock ist es unter anderem die Zusammenarbeit der Mediziner mit den Ingenieuren.

„Gehe davon aus, dass Geisteswissenschaften langfristig erhalten bleiben.“

moritz: Mit der Schließung der Lehrerausbildung in Greifswald wird ein großer Teil aus der Philosophischen Fakultät herausgeschnitten. Ist das das Ende der Geisteswissenschaften in Greifswald?

Behrens: Ich gehe davon aus, dass die Geisteswissenschaften auch langfristig erhalten bleiben werden. Außerdem handelt es sich nicht um eine Schließung der Lehrerbildung, sondern um eine Konzentration in Rostock. In Rostock bewerben sich 1000 Anwärter auf 50 Studienplätze in der Ausbildung für Grundschullehrer. In Greifswald wiederum werden Gymnasiallehrer ausgebildet, die das Land mittelfristig nicht braucht. Dieser Entwicklung darf man nicht blind gegenüberstehen. Es wird dennoch eine Lehrerausbildung in bestimmten Fächern wie der Geografie, Religion oder Kunst auch weiterhin in Greifswald geben.

moritz: Aber eine solche Verlagerung ist ja doch mit Stellenkürzungen verbunden!

Behrens: Nein, man muss immer das Ganze sehen. In Rostock gab es das gleiche Theater um die juristische Ausbildung. Aber wir brauchen nicht so viele Juristen! Daher gab und gibt es eine Verlagerung der Rechtswissenschaften von Rostock nach Greifswald. Am Ende ist es eher ein Nullsummenspiel.

moritz: Rektor Westermann hat sich ganz klar gegen eine Verlagerung der Lehrerbildung ausgesprochen, gesetzlich hat jedoch das Land das letzte Wort. Wie werden Sie nun weiter vorgehen?

Behrens: Herr Westermann und der Senat wollen das nicht, also müssen wir so lange miteinander reden, bis wir uns einigen. Wir wollen eine Verhandlung auf Augenhöhe und möchten der Universität keine Zielvorgabe aufzwingen. Jedoch wird das Geld auch in den nächsten Jahren nicht vom Himmel regnen.

Wechsel der Psychologie: „Bin da emotionslos“

moritz: Begrüßen Sie eigentlich den Weggang der Psychologie von der Philosophischen in die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät?

Behrens: Ich bin da eher emotionslos, aber es ist sicherlich eine Schwächung der geisteswissenschaftlichen Fakultät. Man kann das als Zeichen
der Universität in Richtung der Lehrerbildung sehen. An anderen Universitäten ist die Psychologie auch an der Naturwissenschaftlichen Fakultät.

moritz: Verkauft sich die Philosophische Fakultät unter Wert beziehungsweise hat sie ein Problem mit der Außendarstellung?

Behrens: Dem widerspreche ich nicht grundsätzlich. Andere Disziplinen haben oft mehr Zusammenhalt. Man hat mitunter den Eindruck, dass ein Professor dort noch in seinem Elfenbeinturm sitzt. Die Geisteswissenschaft hat oft das Prinzip: Feind, Todfeind, Kollege.

moritz: Sie waren lange Zeit selbst Kanzler der Universität Greifswald. Ist es nicht ein komisches Gefühl, nun auf der anderen Seite des
Verhandlungstisches zu sitzen?

Cover des neuen Hefts

Cover des neuen Hefts

Behrens: Es ist ein interessanter Perspektivwechsel. Man hat mir in der Vergangenheit oft vorgeworfen, mich mehr für Greifswald einzusetzen,
weil ich hier Kanzler gewesen bin. Andere wiederum meinten, ich setze mich mehr für Rostock ein, weil nicht der Verdacht aufkommen solle, ich würde mich mehr für meine alte Uni einsetzen. Aber als Vater würde ich sagen, ich habe alle Kinder gleich lieb.

moritz: Herr Behrens, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führten Torsten Heil und Alexander Müller

Weitere Themen im neuen moritz-Magazin:

  • Weg vom Studienalltag ins Berufsleben
  • Rückschau auf die AStA-Arbeit
  • Arndt bleibt
  • Leben Retten über den Wolken Greifswalds
  • Die Generation Internet und Freundschaft
  • Phänomen Chatroulette

Bild: Alexander Müller