Am vergangenen Mittwoch hatte die Stadt zur zweiten Bürgerkonferenz ins Rathaus geladen. Schwerpunkt des Zusammekommens war der Radverkehr in Greifswald. Die Stühle im Rathaussaal waren gut besetzt, nur wenige (vor allem Politikersessel) blieben leer. Das Thema der zweiten Bürgerkonferenz zum kommunalen Klimaschutz stieß quer durch alle Bevölkerungsgruppen auf viel Interesse. Sowohl Studierende als auch Senioren hörten den Ausführungen des Verkehrsplanungsbüros Dr.-Ing. Ditmar Hunger aus Dresden zu.

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Variante 1 der Diagonalquerung der Europakreuzung. (Klicken zum Vergrößern)

In der ersten Bürgerkonferenz im Oktober waren die Ergebnisse der Verkehrsbefragung vorgestellt worden. Zudem hatte die Stadtverwaltung Greifswald zur Fahrradhauptstadt Deutschlands erklärt. Anhand mehrerer Karten konnten die BürgerInnen anschließend Forderungen und Verbesserungsvorschläge für den Verkehr in Greifswald äußern. Diese flossen nun zusammen mit den Ergebnissen der Verkehrsbefragung, der Fahrradzählung 2008 und Verbesserungsvorschlägen, die die Grüne Hochschulgruppe vor wenigen Wochen gesammelt hat, in die Analyse des Planungsbüros mit ein.

Wie kann also der städtische Verkehr klimafreundlicher gestaltet werden? Auf diese Frage hatte Dr. Ditmar Hunger einige Antworten parat. Großes Ziel dabei ist die Reduzierung des Kfz-Verkehrs und eine Angebotsverbesserung bei ÖPNV, Fuß- und Radverkehr.

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Variante 2 der Diagonalquerung der Europakreuzung. (Klicken zum Vergrößern)

Im Bereich Radverkehr gibt es die Idee einer Expressradverbindung oder auch zentrale Fahrradachse vom Bahnhof über Europakreuzung, Robert-Blum-Straße, Rudolf-Petershagen- und Pappelallee bis zum Elisenhain. Auf dieser Achse gibt es allerdings noch einige Lücken und Probleme, so zum Beispiel die Europakreuzung.

Drei mögliche Varianten an der Europakreuzung

Eine Diagonalquerung über die Europakreuzung wäre durchaus möglich, so Dr. Tobias Schönefeld vom Planungsbüro. Drei Varianten wären für die Diagonalquerung denkbar. In der einfachsten und am schnellsten zu verwirklichen Version würde ein weißer Belag quer über die Kreuzung verlegt und die Ampelanlagen müssten angepasst werden. Parallel zu den Linksabbiegern auf der Anklamer Straße und dem Hansering hätten dann die RadfahrerInnen grün.

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Variante 3 der Diagonalquerung der Europakreuzung. (Klicken zum Vergrößern)

Die zweite Möglichkeit sieht vor, eine der zwei Linksabbiegespuren des Hanserings zurückzubauen und den entstandenen Platz für die Diagonalquerung zu nutzen. Als teuerste Variante und nur mittel- bis langfristig zu realisieren, steht der Vorschlag im Raum, die komplette Kreuzung zurückzubauen. Dann würden statt der Europakreuzung zwei neue Kreuzungen entstehen. Ein Kreisverkehr macht hier laut Ingenieurbüro Hunger keinen Sinn. Zur Zeit befindet sich die Stadt, um die Frage zu klären, welche Möglichkeit umgesetzt wird, in Diskussionen mit den Landesbehörden.

Der Kfz-Verkehr an der Europakreuzung nahm in den letzten Jahren deutlich ab. Passierten 1995 noch 3.409 Kfz pro Stunde die bekannteste Kreuzung Greifswalds, waren es 2009 nur noch 2.935 Kfz/h. Das bedeutet ein Minus von 13,9 Prozent. Laut Aussagen Schönefelds in der Ostsee-Zeitung seien diese Änderungen auf die Umgehungsstraße sowie Änderungen im Mobilitätsverhalten der Menschen zurückzuführen. Was dabei vergessen wird, ist die Abnahme der absoluten Bevölkerungszahl von Greisfwald. Laut dem statistischen Amt Mecklenburg-Vorpommern nahm im selben Zeitraum die gemeldete Greifswalder Bevölkerung von 60.772 auf 54.131 Einwohner (Stand 2008) ab – ein Minus von 10,9 Prozent.

Überweg an der Rathenau-Strasse

Auch ein Vorschlag einer Querung für RadfahrerInnen über die Walter-Rathenau-Strasse in Höhe Petershagen-Allee / Pappelallee wurde gemacht. Dort wäre ein Umbau mit einem erhöhten Überweg möglich. Der Radverkehr könnte dort Vorfahrt bekommen und die Autofahrer müssten dort ein „Vorfahrt achten“-Schild sehen. Zu den anderen Lücken und Problemen auf der möglichen Fahrradachse fand am Ende des Vortrages noch eine Arbeitsgruppe statt.

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Mögliches Konzept für die Walter-Rathenau-Strasse. (Klicken zum Vergrößern)

Schönefeld lobte die Stadt ausdrücklich bei der Bestandsaufnahme der Fahrradwege:  „In den letzten Jahren wurden viele moderne Maßnahmen umgesetzt, für die andere Städte kämpfen müssen.“ Des Weiteren wird vom Ingenieurbüro vorgeschlagen, Radstreifen auf der Fahrbahnen anzulegen, anstatt die Radfahrer gemeinsam mit Fußgängern auf dem Bürgersteig fahren zu lassen. Generell sei das Konfliktpotential mit Fußgängern oder ein- und aussteigenden Menschen bei einem auf der Fahrbahn geführtem Radweg geringer. Allerdings ist nicht überall eine gesonderte Verkehrsführung möglich. Dazu sagte Hunger:  „Wo keine Separierung durch eigene Fahrbahnen für Kfz, Rad und Fussgänger möglich ist, muss die Geschwindigkeit harmonisiert werden.“

Konkrete Angaben, wann die Vorschläge des Büros realisiert werden sollen, gibt es allerdings noch nicht. Dass die Stadt allerdings ein Ingenieurbüro mit Planungen beauftragt und in den letzten Monaten verstärkt auf die Planungen hingewiesen hat, kann als Zeichen für den vorhandenen politischen Willen zu Verbesserungen verstanden werden. Mindestens für eine Diagnoalquerung der Europakreuzung gibt es zurzeit eine breite kommunalpolitische Mehrheit, wie die Ostsee-Zeitung jüngst herausfand.

ÖPNV: Buslinie von der City in den Elisenpark?

Bei der Bestandsaufnahme des Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) fand das Planungsbüro heraus, dass die Taktzeiten durchaus positiv seien. In der Netzstruktur wären allerdings noch Verbesserungen möglich. Als konkrete Vorschläge wurden hier eine Direktverbindung vom Stadtzentrum Richtung Elisenpark und die Prüfung der Anbindung von Neuenkirchen gemacht. Außerdem könne des Marketing überdacht werden. So wäre es z.B. möglich, dynamische Informationsanzeigen an Haltstellen über Displays zu errichten.

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Verbesserungen beim Stadtbus?

Hunger gab aber auch zu bedenken, dass zwischen ÖPNV und Radverkehr ein so genanntes Substitutionsgefüge herrsche. „Das bedeutet“, erklärte Hunger, „dass bei viel Radverkehr wenig Bus gefahren wird und umgekehrt bei häufiger Benutzung von Bussen weniger Rad gefahren wird.“

Weitere Punkte, die überdacht werden sollten sind die niedrigen Parkgebühren auf innenstadtnahen Parkplätzen. Parkraum für 0,50 oder 1 Euro pro Tag machen die Fahrt mit dem Kfz atraktiv, was im krassen Gegensatz zum Klimaschutzziel steht. Die Möglichkeit des Carsharing wurde als prinzipiell möglich erwähnt.

Einseitige Fokussierung?

Von Seiten der Grünen wurde heute die Kritik geäußert, dass kommunaler Klimaschutz für die Stadt wohl nur auf dem Gebiet Verkehr stattfinden würde. Richtig ist, dass die Treibhausgasemissionen in anderen Bereichen deutlich niedriger liegen als im deutschen Durchschnitt. Nur im Verkehr sind sie prozentual recht hoch. Daher bietet sich auch der Weg an, dort anzusetzen, weil im Verkehr das größte Reduktionspotential besteht.

Dennoch ist im Klimaschutz eine Fixierung ausschließlich auf einen Bereich auf Dauer nicht sinnvoll. Nur ein ganzheitliches Konzept der Stadt kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.  Auf diesen Weg scheint sich die Stadt zumindest verbal zu begeben. So unterschrieb sie vor zwei Wochen die Erklärung der City Climate Conference 2009 mit sieben Fakten, sieben Selbstverpflichtungen und sieben Forderungen.  Auch ein erster „Heizspiegel“ für die Hansestatt wurde am Mittwoch präsentiert.

Die dritte Bürgerkonferenz zum kommunalen Klimaschutz soll am 27. Januar 2010 stattfinden.

Fotos: Karten mit freundlicher Genehmigung von Planungsbüro Dr. Hunger. (Achtung: die Creative-Commons-Lizenz gilt hier nicht!); Foto Stadtbus: Gabriel Kords