Haben deutsche Filme mehr Aussicht auf den Oscar, sobald es um die eigene Geschichte geht?

Es war die 81. Verleihung der Acadamy Awards, die am 26. Februar über die Bühne ging. Und überfliegt man die Artikel zu dieser, kommt einem wie jedes Jahr unweigerlich die folgende Frage in den Sinn: Wie kommt es eigentlich, dass über die Gewinner der Oscar-Verleihung, wenn überhaupt, nur am Rande gesprochen wird? Nun, vielleicht hat es tatsächlich etwas damit zu tun, dass Kultur in der heutigen Gesellschaft immer mehr in den Hintergrund rückt, doch auch eine andere These wäre denkbar: Kann es möglich sein, dass nicht mehr über die Bewertungsprozedur geredet werden soll, als unbedingt nötig?

Denn schon seit längerem halten sich Gerüchte, nicht nur von eingefleischten Oscar-Nacht-Fans, sondern auch in der seriöseren Presse, dass die Kriterien der Jury alles andere als objektiv seien. So berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrem Artikel „So gewinnt man einen Oscar“ vom 22. Februar 2008 beispielsweise von einer Studie der Harvard University, die herausfand, dass viele Variablen um den Oscargewinn herum existieren, die nichts mit dem Können eines Schauspielers zu tun haben.

Verschwörungstheorien

Hierbei sei vor allem das Geschlecht, sowie Genre des Films und die weitere Besetzung von Bedeutung. Doch man braucht keine Studien, nur ein gewisses Grad an Aufmerksamkeit, um folgende Regelmäßigkeiten festzustellen: Zum einen haben Schauspielerinnen, die für ihre Rolle einiges von ihrer Schönheit einbüßen müssen, eher Chancen auf den Oscar, als ihre Konkurrentinnen. Beispielsweise seien Charlize Theron in „Monsters“ von 2004 oder Nicole Kidman im Film „The Hours“ genannt. Zudem gibt es Oscars, die „einfach mal nötig sind”. Gute Beispiele sind Halle Berry als erste schwarze Schauspielerin in „Monsters Ball“ von 2001 oder der verstorbene Heath Ledger für seine Leistung in „The Dark Knight“. Und drittens haben deutsche Filme dann Chancen auf den Oscar, wenn sie sich mit ihrer Vergangenheit auf reuige Weise auseinandersetzen. Filme, die das belegen, sind „Der Untergang“, 2005 nominiert und „Das Leben der Anderen“ von 2006. Doch beruhen diese Zusammenhänge auf Zufällen oder wird die Jury tatsächlich derart stark beeinflusst?

Und was an ihnen dran ist

Erörtern wir hierzu einmal die dritte Auffälligkeit etwas detaillierter. Zunächst die Fakten: In den Jahren 1970 bis 2009 gewann Deutschland dreimal den Oscar für den besten ausländischen Film; jedes Mal spielte die deutsche Geschichte, zumindest am Rande, eine Rolle. Allerdings war Deutschland in den Jahren des Nichtgewinnens auch zehn mal unter den Nominierungen vertreten. Wobei sich darunter fünf Filme befanden, in der nicht nur die geschichtlichen Ereignisse als Kulisse verwendet wurden, sondern eine kritische Auseinandersetzung stattfand.

Sieht man sich die Nominierungen in anderen, mit faschistischer Vergangenheit belasteten Ländern an, so verstärken sich die Vermutungen: Größter Auslandsoscar-Gewinner mit allein fünf Gewinnen in den Jahren 1971 bis 2009 ist Italien. Bis auf einen Film beziehen davon alle den 2. Weltkrieg mit ein. Österreich gewann einmal (2008, „Die Fälscher“) und war einmal nominiert, beiden Filmen war eben jene gewisse Thematik gemein.

Diese Seite der Statistiken legt also die Vermutung nahe, dass zumindest die Oscar-Nominierung durchaus von der Wahl des Stoffes beeinflusst wird. Ein Phänomen, dass auch innerhalb Hollywoods bereits bemerkt wurde. So meinte Ricky Gervais bei der Verleihung der Golden Globes 2009 schmunzelnd zu Kate Winslet : „Na hab ich’s dir nicht gesagt? Du musst in einem Holocaust-Film mitspielen!“ – und tatsächlich erhielt die Angesprochene auch kurze Zeit später ihren ersten Oscar für die Rolle als KZ-Aufseherin Hannah Schmidt in Schlinks „Der Vorleser“.

Doch bei aller Liebe zu Verschwörungstheorien dürfen auch andere Faktoren nicht missachtet werden.

Denn man kann nur erschienene Filme nominieren. Zwar wundert es, dass es keine Oscar-Nominierung für so bahnbrechende Filme der deutschen Filmgeschichte wie „Lola rennt“ oder „Das Experiment“ gab, trotzdem macht sich ab 2003 ein deutlicher Trend hin zur Verarbeitung dunkler deutscher Geschichte breit. Angefangen mit „Good Bye Lenin“, und „Der rote Kakadu“ über „Das Wunder von Bern“ und „Napola“ bis hin zum „Baader-Meinhof Komplex“ 2009: Das deutsche Kinopublikum bekommt schon seit einiger Zeit kaum mehr einheimische Filme zu Gesicht, die nicht entweder etwas mit DDR oder dem Nationalsozialismus zu tun haben.

Ein weiteres Indiz für die eventuelle Unbefangenheit der Jury ist die Tatsache, dass der diesjährige Film „Der Baader-Meinhof Komplex“ eben nicht den Oscar gewann. Hiergegen können Skeptiker zwar setzen, dass dieser Film unter dem Genre „Terrordrama“ angepriesen wurde, für einen Gewinn in den USA jedoch die Terroristen zu sehr von ihrer menschlichen Seite zeigte.

Auch darf angemerkt werden, dass „Spielzeugland“ in der Rubrik „bester Kurzfilm“ gewann. Dieser Film handelt von der Deportation einer jüdischen Familie.

So oder so aber: „Baader-Meinhof Komplex“ hat nicht gewonnen. Und damit dürften alle Verschwörungstheorien in dieser Hinsicht erst mal vom Tisch sein. Das nächste Mal also, wenn die Vermutung an Beeinflussbarkeit der Oscar- Jury nahe liegt, lohnt es sich also zu fragen, ob dies tatsächlich der Fall sein kann. Oder ob der Film in Diskussion es auch einfach verdient hat, zu gewinnen. Im Falle des Zusammenhangs zwischen Oscar-Gewinn und dunkler deutscher Geschichte wäre beides denkbar.

Autorin: Anna Seifert