Lobenswerte Ambitionen, ein Schattenspiel der Bürokratie und die Chancen von Studierenden-Empowerment. Darüber berichten die ehemaligen AStA-Referentinnen für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit Xenia Valero-Schönhöft und Kira Wisnewski, die nebenbei auch Mitglieder der Grünen Hochschulgruppe sind. Zudem steht auch Laura Hübner – seit November HiWi des Nachhaltigkeitsbeauftragten der Universität – Rede und Antwort.
Artikel aus dem morit.magazin mm136 Juni 2018 – Mittlerweile gibt es eine AG Ökologie, die für das SoSe 2019 interessierte Studierende sucht (stupa_ag-oekologie@uni-greifswald.de)!
»It ́s all about networking… and finding good partners…« Das war nicht nur ein Slogan der ‚Woche der Nachhaltigkeit in der Lehre’ – mit diesen Worten erklärt Dr. Tiemo Timmermann, wie es dank Zusammenarbeit mit netzwerk n* zu diesem teilweise mäßig besuchten und trotzdem resonanzstarken Projekt kam. Wer nun aber vernetzungsfreudig zu dem Nachhaltigkeitsbeauftragten oder dem Vorsitzenden der Nachhaltigkeitskommission Prof. Beckmann durchdringen möchte, muss gute Kontakte, Hartnäckigkeit oder viel Geduld mitbringen. Der regelmäßige Austausch im Forum für Nachhaltigkeit ist momentan mangels Nachfrage pausiert.
Ein guter Verlierer
Die AStA-Referentin für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit der letzten Legislatur, Kira Wisnewski, erklärt das Problem. Ökologische Nachhaltigkeit laufe in Greifswald entweder ehrenamtlich oder professionell und dafür mit Arbeit überladen: »Immer, wenn jemand Nachhaltigkeit hört, wird das gerne zu Tiemo weitergeleitet.« Auf der Suche nach anderen Stellen, finde man sich oft in einem Staffellauf der Bürokratie wieder. Wie bereitwillig die verschiedenen Ansprechpartner an der Universität kooperieren, variiere nicht nur zwischen Verwaltung, Lehre oder Fakultäten, sondern auch mit persönlichen Einstellungen zur Wichtigkeit von Nachhaltigkeit. Kira und ihre Vorgängerin, Xenia Valero-Schönhöft, kommen auf das Beispiel Recyclingpapier zurück: Ein alter Beschluss der Studierenden-Vollversammlung beauftragt die Studierendenvertreter*innen bis 2018 an der Uni 100% Recyclingpapier durchzusetzen. Nach dem Engagement mehrerer Nachhaltigkeits-Referent*innen scheitere das Vorhaben noch immer an Ängsten der Fakultäten vor Papierkosten und Druckerschäden – Im letzten Jahr kam die Universität so auf ca. 35% Recyclingpapier. Von der zermürbenden Jagd nach Kooperation abgesehen, halten Kira und Xenia das Leitbild der Universität CO2-neutral zu werden und auch dessen Umsetzung für lobenswert, sogar für ziemlich studierendenfreundlich. Dr. Timmermann betont im Interview mit moritz.tv: Dass die Universität freiwillig am Hochschulranking für Nachhaltigkeit teilnimmt, ist entscheidender als die noch vergleichsweise schlechte Position. Auch dieses Jahr arbeitet er mit einem Team von 12 Personen aus allen Statusgruppen und Fakultäten der Universität an einem Nachhaltigkeitsbericht, der nun alle Bereiche der Hochschule erfassen und eine Informationsbasis für zukünftige Maßnahmen schaffen soll. Parallel dazu gibt es die Nachhaltigkeitskommission des akademischen Senats. Sie hat bis vor kurzem das Ziel CO2-Neutralität in Leitlinien heruntergebrochen, die grundlegende Prinzipien wie Vermeidung, Kompensation und Berichterstattung festlegen. Die Erarbeitung konkreter Maßnahmen soll folgen. Seit 2011 besitzt die Verwaltung 20 Dienstfahrräder, seit 2012 beziehen wir 100% Ökostrom und alle neu angeschafften Büromöbel sind mit dem Blauem Engel zertifiziert. In der Beschaffung setzt die Uni auf Regionalität und Sammelbestellungen, bei Neubauten und Sanierungen auf die Bewertungskriterien für nachhaltiges Bauen (BNB).
Verantwortung ganz ohne Druck
Laura Hübner, HiWi des Nachhaltigkeitsbeauftragten, erzählt wie Studierende aller Fachschaften im Modul Nachhaltigkeit Interdisziplinär beim Nachhaltigkeitsbericht mithelfen können. In der Nachhaltigkeitskommission sind zwei stimmberechtigte Plätze für Studierendenvertreter*innen vorgesehen und das AStA-Nachhaltigkeits-Referat ist eingeladen.
Obwohl Studierende theoretisch Einflussmöglichkeiten haben, sind Kira und Xenia von der Praxis frustriert: Für eine harmonische Zusammenarbeit mit den Fakultäten werde auf gründliche Datenerhebung und zu nachhaltige Richtlinien verzichtet. In sich ausdehnender Konsensfindung wird Fortschritt verlangsamt, während konkrete Maßnahmen hintenangestellt wurden. Wer sich mit dem Thema Nachhaltigkeit an der Uni beschäftigt, ahnt außerdem: Die Universitätsleitung hat wenig Interesse an öffentlicher Kritik, dafür an imagefördernden und kostengünstigen Strategien. Warum übt die Studierendenschaft keinen Druck aus? Die studentischen Kommissionsmitglieder haben in den letzten Jahren, so Kira und Xenia, selten an der Kommission teilgenommen. Als AStA- Referent*in könne man außerdem schlecht zwischen der Kommission und der Studierendenschaft vermitteln, wenn es bei der AG Ökologie kaum Beteiligung und Feedback gibt. Sogar die meisten Stupist*innen, würden sich aus der AG-Arbeit raushalten und so im Zweifel Ästhetik und Bequemlichkeit über Nachhaltigkeit stellen. Mangelnde Beteiligung von Studierenden ist ein Problem, das über ökologische Nachhaltigkeit weit hinausgeht und sie trotzdem nachhaltig aufhält.
Nachhaltiges Billard für die Zukunft
Da sind wir wieder, im Diskussionsraum der Woche der Nachhaltigkeit in der Lehre, beim Thema Methoden zum Studierenden-Empowerment. Laura ist zuversichtlich: Ihr Nachhaltigkeit in der Lehre-HiWi-Team könnte zusammengelegt mit der neuen Nachhaltigkeits-AG als Green Office um den Nachhaltigkeitsbeauftragten bestehen bleiben, seine Arbeit unterstützen und eine nächste Nachhaltigkeitswoche organisieren. Dabei sollte auch das AStA-Referat für Nachhaltigkeit mehr mit einbezogen werden. Im moritz.tv-Interview vergleicht Dr. Timmermann die Arbeit für Nachhaltigkeit mit Billard spielen – kleine Anstöße können ins Nichts führen, aber eben auch wichtige Bewegungen anstoßen. Erfolgreiche Aktionen erhöhen die Chancen auf Förderung von Nachhaltigkeitsprojekten durch die Uni-Leitung. Das höhere Ziel sei aber, dass Studierende an der Universität Nachhaltigkeit erfahren.
*netzwerk n ist seit 2012 ein eingetragener gemeinnütziger Verein, der sich bundesweit besonders für Empowerment-Methoden und ökologische Nachhaltigkeit als Rahmenbedingung aller anderen Formen der Nachhaltigkeit an Universitäten einsetzt. Der Austausch mit netzwerk n hat 2016 zur Gründung des Greifswalder Forums für Nachhaltigkeit geführt.
Beitragsbild: Anne Frieda Müller