Das Fach Kommunikationswissenschaft ist ein noch sehr junges Fach. So jung, dass es keine einheitliche Bezeichnung für den Studiengang gibt. In Greifswald ist es aber bewusst die Kommunikationswissenschaft geworden.
Das Fach ist jung, der Lehrstuhl auch. Der Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft ist in Greifswald erst 2003 eingerichtet worden. Erst war er sogar „nur“ Teil des Instituts für Deutsche Philologie. Das Institut für Politikwissenschaft und der Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft haben sich zusammengetan und sind zum IPK geworden – dem Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft, das ist einmalig in Deutschland. Greifswald ist immer noch einer der kleineren kommunikationswissenschaftlichen Forschungsstandorte Deutschlands.
Das Fach kann nur in Kombination mit einem anderen Bachelor-of-Arts-Fach studiert werden. Dazu kommen noch die allseits beliebten General Studies – eine Art Drittfach, in dem man über das Studium hinausgehende Fähigkeiten erlernen soll.
Hier hat man sich bewusst für die Fachbezeichnung „Kommunikationswissenschaft“ entschieden. Der Fokus liegt auf jeder Art von menschlicher Kommunikation, nicht nur auf der medialen. Die Studierenden lernen in neun Modulen laut der Studien- und Prüfungsordnung von 2015: „kommunikative Prozesse sowie Probleme der interpersonalen, medienvermittelten, gruppen- und organisationsbezogenen sowie der öffentlichen Kommunikation selbständig zu erkennen, sie mit Hilfe sozial- und geisteswissenschaftlicher Theorien und Methoden zu analysieren und zu bewerten.“ Überprüft wird das in Klausuren, Hausarbeiten, mündlichen Prüfungen und Gruppenvorträgen – selbst die Prüfungsformen sind also in unterschiedlichste Kommunikationsbereiche unterteilt.
Greifswald vs. Berlin
An der TU Berlin wird der interdisziplinäre Studiengang „Kultur und Technik“ angeboten. Hier sollen Brücken zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften geschlagen werden. Eins der Kernfächer, das man belegen kann, ist „Sprache und Kommunikation“. Das Fach besteht zu gleichen Teilen aus „Interdisziplinären Studien“ und dem gewählten Kernfach. Dazu kommen noch zwei kleinere Teile, „Berufsorientierung“ und „Freie Wahl“. Das ist also schon mal ähnlich wie bei uns der Zwei-Fach-Bachelor in den Geisteswissenschaften, sogar die General Studies sind gewissermaßen mit drin. Das Kernfach „Kommunikation und Sprache“ beginnt genau wie bei uns mit Linguistik. Von den sechs Modulen in diesem Kernfach sind zwei Wahlpflichtmodule – sowas kennen wir hier gar nicht. In dem Fächerangebot ist natürlich ein technischer Schwerpunkt gelegt: Es gibt zum Beispiel ein Modul, das auf Computerpraxis spezialisiert. Sowas fehlt bei uns. Methoden und mündliche Sprache gibt es an beiden Standorten.
Auffällig ist die bevorzugte Prüfungsform der Portfolioprüfungen in Berlin. Diese bestehen aus mehreren Teilen: meist einer Präsentation, einer schriftlichen Ausarbeitung und/oder einem Multiple Choice Test. Da haben wir es mit unserer einzigen Prüfung pro Modul gut.
Durch den technischen Teil des Studiums ist das Fach nicht komplett geisteswissenschaftlich aufgebaut. Das merken die Studierenden vor allem dann, wenn auf einmal Physik auf dem Stundenplan steht – denn die spielt in der Sprachübermittlung ja eine Rolle… Schallwellen und so.
Greifswald vs. Madrid
An der Universität Madrid kann zwischen drei verschiedenen Teilgebieten der Kommunikations- und Medienwissenschaften entschieden werden: Journalismus, audiovisuelle Kommunikation und Werbung und PR. Das sind alles Bereiche, in denen Absolvent*innen des Kommunikationswissenschaftsstudiums aus Greifswald auch arbeiten können sollen. Gucken wir uns mal das Studium der Werbung und Public Relations genauer an. Die Module sind sehr kleinteilig aufgebaut und durch Wahlmodule ergänzt. Im ersten Semester lernt man Ähnliches wie in Greifswald: die Sprache näher kennen und die grundlegenden Theorien der Kommunikation. In Madrid wird genau wie in Greifswald ein starker Fokus auf die Geschichte der Kommunikation und der Mediensysteme gelegt. Ein großer Teil besteht aus der Soziologie und den Wirkungen und Konsequenzen von Medien. Der Schwerpunkt liegt hier aber viel mehr auf Firmen und großen Konzernen und wie diese wirken. Ganz anders als bei uns, die sehr auf die persönliche Ebene spezialisierte Kommunikation. Außerdem wird auch an der Schöpfung von Kommunikation gearbeitet. Es gibt Kurse für das Verstehen von Werbeprodukten – im Gegensatz dazu wird bei uns eher allgemein an Kommunikationsmedien gearbeitet.
Allein an der klaren Unterteilung von drei Bereichen der Kommunikationswissenschaft von vornherein wird deutlich, dass der Bachelor in Madrid eine sehr spezialisierte Ausbildung mit teilweise starkem wirtschaftlichem Fokus bietet im Gegensatz zu unserem Grundlagenstudium.
Greifswald vs. Basel
In Basel wird das Fach „Medienwissenschaft“ angeboten. Und bei der Studiengangsbeschreibung merkt man sofort, warum man sich in Greifswald bewusst für die Bezeichnung „Kommunikation“ entschieden hat: Die Medienwissenschaft beschäftigt sich logischerweise fast nur mit Medien und medialer Kommunikation.
Das, was wir ein Modul lang machen, ist in Basel der Hauptfokus des gesamten Studiums. Wie hier wird in Basel viel auf die Geschichte und die Entwicklung der Medien eingegangen. Was bei uns mit „Öffentlicher Kommunikation“ umschrieben wird, heißt in der Schweiz „Medien, Gesellschaft und Kommunikation“. Das ist aber so ziemlich das Gleiche: Ökonomische, rechtliche und politische Fragen rund um die Medien werden geklärt.
Ein Schwerpunkt der Baseler Medienwissenschaft ist die Ästhetik von Medien. Es wird sich mit der Wahrnehmung von Medien befasst und unter welchen Bedingungen welche Wahrnehmung hervorgerufen wird. Außerdem wird speziell auf Ästhetik in Film und Fotografie, sowie Gestaltung in auditiven Medien eingegangen. Sehr spannend, aber auch sehr speziell.
Was fällt auf? Greifswald hat sich für den allgemeinen Namen des Studiengangs „Kommunikationsforschung“ gerade richtig entschieden. Hier bekommt man einen guten Rundumschlag zu Kommunikation und Medien. Woanders wird da sehr viel spezieller begonnen. Somit ist der Bachelor Kommunikationswissenschaft in Greifswald zwar ein sehr allgemeiner Studiengang, was aber nichts Schlechtes sein muss. Schließlich lernt man hier die gleichen Grundlagen wie überall, vielleicht sogar etwas gründlicher. Und am Ende hat man von allem etwas mitgenommen und kann sich im Master nochmal genau spezialisieren (in Greifswald zum Beispiel die beiden Masterstudiengänge: Organisationskommunikation und Sprache & Kommunikation). Hier werden spezielle Interessen erst noch entdeckt und nicht vorausgesetzt.
Beitragsbild: Anne Frieda Müller