20 Jahre interkulturelle Begegnung und Integration, kultureller Austausch und Einblicke in das vermeintlich Unbekannte.
Was als Kulturabend in den späten 90ern im kleinen Slawistikkeller „Tschaika“ begann, ist mittlerweile eine feste Institution in der Greifswalder Kulturlandschaft geworden. Dabei schafft das Festival nicht nur die Begegnung zwischen Polen und Deutschland, sondern auch den Drahtseilakt der kulturellen Verbindung von Universität und Stadt, lädt Studierende und Alteingesessene gleichermaßen ein. Doch anstatt sich nach zwei Jahrzehnten und mehreren Preisen selbst zu feiern, zelebriert man auch in diesem Jahr wieder viel lieber den interkulturellen Austausch und das stetige Aneinanderwachsen mit den polnischen Nachbarn.
Eine kleine Zeitreise
Feierliche Eröffnung ist am heutigen Abend um 18 Uhr im Krupp Kolleg, jedoch konnte man bereits gestern bei der Vernissage zur Ausstellung „20 Jahre polenmARkT“ einen ersten Eindruck aus den letzten 20 Jahren gewinnen. Gertrud Fahr, Grafikerin und Slawistin zeigt sich seit Anbeginn des Polenmarkts für die kreative Außenwahrnehmung verantwortlich. Vorbild war ihr dabei immer die international bekannte Schule der polnischen Plakatkunst. Die Ausstellung im 1. OG. des Rathauses bietet dabei nicht nur die Möglichkeit, die chronologische Entwicklung der Plakate mit den Jahren zu bestaunen. Vielmehr lässt sich erkennen, wie jedes Design für sich steht, jeder Entwurf seine eigene Aussage und Stimmung trägt. Der Trugschluss, Kunst werde „besser“ mit der Zeit, sei es in Epochen und nur einigen Jahren gemessen, wird komplett dekonstruiert. Jedes Jahr sollte für sich gesehen werden und hat nur so die Chance, eigenständig analysiert und interpretiert werden zu können. Die Vielfältigkeit der polnischen Plakatkunst spiegelt sich somit sehr stark in den ausgestellten Entwürfen der letzten fast 20 Jahre Polenmarkt-Plakate wieder.
Wem die Bildende Kunst und Kunstgeschichte weniger liegt, geht auch dieses Jahr keinesfalls leer aus. Lesungen, Theaterstücke, Punk- und Electro-Konzerte, Filmabende, aber auch Vorlesungen und kindgerechte Veranstaltungen haben ihren Weg in das vielfältige Programm gefunden. Allen Kulturinteressierten sei das offizielle Programmheft empfohlen und angeraten sich auch dieses Jahr den Kontakt mit der polnischen Kulturlandschaft nicht entgehen zu lassen.
„Ich fühle mich halb als Pole, halb als Deutscher, doch meine Heimat ist Europa“
Wer zeitlich eng gebunden ist, dem sei insbesondere die Ausstellung im Rathaus, welche bis Mitte Februar vor Ort sein wird, sowie die Fotoreportage „Pizza aus Polen“ im EG. des Hörsaalgebäudes am Lohmeyer-Platz empfohlen. „Pizza aus Polen“ erzählt das Leben der Gemeinde um das Dorf Mescherin, in welcher 18% der Einwohner polnische Staatsbürger sind, welche aufgrund der günstigen Grundstückspreise im letzten Jahrzehnt in das Dorf gezogen sind. Direkt an der polnischen Grenze und im direkten Einzugsbereich Stettins ist es für viele Polen die optimale Lösung: sie können weiterhin in Polen arbeiten und ihre Familien besuchen, gleichzeitig profitieren sie von den günstigen Grundstückspreisen der östlichen Uckermark und revitalisieren die brandenburgischen Dörfer, welche nach der Wende ausbluteten.
Die Foto-Reportage ist ehrlich, inspirierend, herzlich und bietet einen Eindruck von einer spannenden Idee, die Tristesse der vergessenen Landstriche im deutsch-polnischen Grenzgebiet aufzulösen. Dabei kommen ansässige Deutsche und zugezogene Polen gleichermaßen zu Wort. Sie äußern Hoffnungen und Bedenken, aber berichten auch von ihren ganz persönlichen Erfolgserlebnissen und positiven Entwicklungen durch den Zuzug der polnischen Nachbarn. Namensgebend für die Ausstellung war dabei der Umstand, dass die Pizzeria des polnischen Gryfino bis in die deutsche Gemeinde um Mescherin liefert.
Mehr soll aber nicht verraten werden. Die beiden Ausstellungen sind auf jeden Fall einen Besuch wert und auch das weitere Programm in den kommenden Tage sollte nicht vergessen werden.
Der Polenmarkt Greifswald wird 20 Jahre alt und wir fühlen uns schon jetzt unseren polnischen Nachbarn wieder ein ganzes Stück näher.
Titelbild: Polenmarkt Greifswald, Fotos: Ole Kracht