Das Radio hat es heutzutage nicht leicht – YouTube, Spotify und Co. ziehen vor allem bei dem jungen Publikum und beginnen dem einst beliebtesten Massenmedium den Rang abzulaufen. Warum man das Radio dennoch nicht abschreiben sollte und Lokalsender wie radio 98eins durchaus ein erfolgsfähiges Zukunftsmodell haben.

Vor 94 Jahren wurde in Berlin Geschichte geschrieben. Am 20. Oktober 1923 wurde die erste offizielle Radiosendung vom Berliner Vox-Haus gesendet. Zu diesem Zeitpunkt war ein Radio aber nur etwas, was sich die wenigsten leisten konnten. Die Nazis holten dann mit dem „Volksempfänger“ einen Großteil der Bevölkerung vor das Radio, vor allem, um ihre Propaganda zu verbreiten. Heutzutage zählt Radio noch immer zu den beliebtesten Medien in Deutschland. Laut einer Studie der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (Agma) schalten vor allem bei der Altersgruppe der 60 bis 69-Jährigen bis zu 80 % täglich ein. Bei Jugendlichen ist der Anteil schon deutlich weniger, von den 20 bis 29-Jährigen schalten nur noch 67 % ihr Radio täglich ein.

Spotify und YouTube als Konkurrenz

Internet-Streamingdienste wie Spotify bieten ihren Nutzern die Möglichkeit, das eigene Musikprogramm individuell zu gestalten. Auch auf YouTube hat man diese Möglichkeit und kann selbst bestimmen, was man wann und wie lange sehen und hören möchte. Neben den großen Radiosendern macht dies vor allem auch Lokalradios zu schaffen. So hat der Greifswalder Sender radio  98eins nicht nur mit der Konkurrenz aus dem World Wide Web zu kämpfen, sondern auch mit der sinkenden Anzahl Mitarbeiter. Nach dem Geschäftsführer Dennis Kley sei dies allerdings dem Fakt geschuldet, dass der Sender auf rein ehrenamtlicher Basis bestehe und die Mitarbeiteranzahl deswegen immer starken Schwankungen unterliege. Dabei hat der Sender aber durchaus ein Konzept, was Erfolg gegenüber den großen Streamingplattformen versprechen könnte.

Lokalradio als bürgerliches Medium

„Der Vorteil bei uns ist, dass wir nach dem Prinzip ‚offener Kanal‘ arbeiten.“, erklärt Kley. Der Lokalsender besitze deswegen eine Plattform, bei der auch Themen angesprochen würden, die sonst eher kaum Beachtung fänden. „Die Leute können entweder zu uns kommen und die Themen selbst bearbeiten, oder uns die Themen zutragen, sodass diese von einem von uns, beispielsweise in der Magazin-Sendung entsprechend aufgegriffen und bearbeitet werden können.“ Auch will man eher eine Anlaufstelle für diejenigen sein, die sich im Radio einmal ausprobieren, bzw. ausleben wollen. Diesen würde man dann das journalistische, sowie technische Know-How zur Verfügung stellen.

Lokalradios-Radio98eins--Greifswald-Stand

Hat nicht nur mit zu wenigen Mitarbeitern zu kämpfen: auch Konkurrenten wie Spotify & Co. machen es Lokalsendern wie radio 98eins schwer.

Eine direkte Personalisierung wie auf YouTube und Spotify sei nach Stefan Seefeldt, dem stellvertretenden Vorsitzenden, allerdings nicht möglich. Als bürgerliches Medium könne bei radio 98eins zwar vom Schüler bis zum Rentner jeder mitmachen und so das Programm auf seine Weise mit personalisieren, aber „[…] beispielsweise dürfen 14 bis 16-Jährige nach 22 Uhr ja nicht mehr auftreten.“, so Seefeldt. „Deswegen ist es wichtig, dass man den Leuten Struktur gibt und genau so auch dem Hörer.“ Auch versuche man, durch eine Programmvielfalt für jeden etwas dabei zu haben.

Regionalität als großer Trumpf

Weiterhin bieten Lokalsender wie radio 98eins den Vorteil, dass sie vor Ort wirken. Dies betonte auch der Musik- und Medienwissenschaftler Golo Föllmer von der Universität Halle-Wittenberg in einem Interview mit dem Tagespiegel. Durch seine Regionalität und den Live-Charakter würden beim Radio stets konkrete Zielgruppen angesprochen. Der Radiohörer habe die Gewissheit: „Irgendwann im Laufe einer Stunde werde auch ich adressiert.“ Der ständige Bezug nehmen auf bekannte Orte und Situationen stelle einen der größten Trümpfe des Radios überhaupt da.

Dadurch wird deutlich, dass Projekte wie radio 98eins mit ihrem Konzept der Regionalität und des offenen Kanals, an dem jeder mitwirken kann, ein Alleinstellungsmerkmal im Gegensatz zu der Konkurrenz aus dem Internet besitzen. Dieses im Zuge einer kompletten Personalisierung aufzugeben, dürfte deswegen nur allzu töricht erscheinen.

Beitragsbild: Tom Peterson
Bild radio 98eins-Stand: Katharina Kühn (privat)