So wie viele Studenten mit dem Beginn der Semesterferien Greifswald den Rücken zukehren, verabschiedete auch ich mich letzten Sommer von der Stadt und ging für ein Praktikum nach Israel. Ich war dort (unklugerweise) von Juli bis September, während der heißen Phase des letzten Gaza-Konfliktes. Grenzerfahrungen waren also garantiert. Exemplarisch für diese Reise werde ich von meinen Erlebnissen an einem Tag in Bethlehem erzählen. Wöchentlich kann man einen neuen Teil davon im webmoritz. lesen.
Gute Zäune machen gute Nachbarn
Vor vier Tagen hat die Hamas drei Stunden vor Ablauf einer siebentägigen Waffenruhe Raketen auf Israel abgefeuert. Das israelische Militär antwortete mit Luftangriffen und der Totentanz ging wieder von vorne los. Ich sitze im Bus nach Bethlehem und schon von weitem sieht man die sich über Hügel schlängelnde Mauer, die als Antwort auf die Selbstmordattentate der zweiten Intifada vor etwa zehn Jahren errichtet wurde und Israel vom Westjordanland trennt. Gekrönt wird dieser anti-palästinensische Schutzwall mit Stacheldraht, ja ja, gute Zäune machen eben gute Nachbarn… Es erfolgt keine Ansage und auch der Ort, an dem wir anhalten, macht nicht den Eindruck, als wäre es ein hochfrequentierter Busbahnhof. Das einzige Indiz, dass wir im Zentrum Bethlehems angekommen sind, ist, dass die Einheimischen aussteigen. Zögerlich steige ich auch aus und werde sofort von Taxifahrern attackiert. Wie eine Taubenwolke stürzen sie sich auf die Person mit den Brotkrumen und wollen ihn irgendwohin befördern. Brauche man ein Taxi? Wolle man ins Zentrum, wohin wolle man denn? Ich bin nach der Klimaanlage im Bus erschlagen von der Hitze des Tages, verwirrt über den nichtssagenden Ort, den Straßenschildern in Arabisch und die fünf Taxifahrer, die auf mich einreden. Ein resolutes „no, thanks“ und ein zielgerichteter Schritt retten mich und sie stürzen sich auf ein paar bemitleidenswerte Tropfe, die verwirrter, hilfloser und eher nach Beute aussehen, als ich. Nach meiner Flucht finde ich mich auf einer menschenleeren Straße wieder. Ich habe keinen Plan, wo es zum Zentrum geht, weit und breit keine Schilder. Was mache ich hier eigentlich?
Bei Feuer in Gaza gibt es Rauch im Westjordanland
Schon bevor der jüngste Konflikt im Gazastreifen eskalierte, plante ich nicht das Westjordanland zu besuchen. Für mich war dieses Land von keinem großen Interesse, ich kam nach Israel wegen eines Praktikums und der großen Sehenswürdigkeiten, wie Jerusalem, dem toten Meer, dem See Genezareth, schlicht all den Orten, die mir noch von den Bibelstunden meiner Kindheit in Erinnerung geblieben waren, was mich wiederum so unschlagbar in der Kategorie „Glaube und Religion“ bei Quizduell macht. Als dann das israelische Militär in den Gazastreifen einmarschierte, gab ich auch den letzten Gedanken auf durch eine glückliche Fügung, oder durch günstige Umstände zumindest nach Bethlehem zu kommen, denn in meinem Kopf bedeutete Feuer in Gaza, dass es zumindest im Westjordanland rauchte. Nach meiner Ankunft in Israel blieb ich eine Woche in Tel Aviv, lief bei Luftalarm in den Bunker, sah die eiserne Kuppel, ein Raketenabfang-System, in Aktion und reiste danach zu meiner Praktikumsstelle in den Norden, so weit entfernt von Gaza wie nur irgend möglich, ohne in den Libanon zu stolpern.
Eine kanadische Arbeitskollegin gab dann dem ominösen Westjordanland ein Gesicht, welches mich sofort faszinierte: Banksy.
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