Graffiti sind schon lange umstritten. Der eine liebt sie, der andere hasst sie und der Dritte hängt sie sich auf Leinwand ins Wohnzimmer. Die CDU nutzte sie zuletzt auch in ihrem Wahlprogramm. Im März 2014 gründete sich der Verein „Kunst und Kultur“ in Greifswald und bietet zahlreiche Kurse an, um sich künstlerisch auszutoben. Graffiti ist jedoch nur ein kleiner Teil des zahlreichen Angebots. Der webMoritz sprach mit Steffen und Barnim. – Interview von Laura-Ann Schröder.
Wie lange sprühst du schon und warum hast du damit angefangen?
Steffen: Mich inspirierte 1993 der Film „BeatStreet“. Ich wollte auch so sein. So machte ich meine ersten Erfahrungen mit dem Sprühen und dann habe ich das bis circa 2004/2005 als Hobby ausgeübt. Nach einer längeren Pause habe ich vor ungefähr zwei Jahren wieder mit dem Sprühen angefangen.
Warum hast du aufgehört zu sprühen?
Steffen: Irgendwann nervte es mich in einer bestimmten Szenerie zu sein, die festgefahrene Dogmen hat. Das war in der HipHop und Graffitiszene genauso. So wie es auch in der Punk- oder Hardcoreszene ist. Irgendwann nervten mich einige Konventionen und Vorurteile gegenüber Neuerungen im künstlerischen Ausdruck. Daher tat mir eine kleine Schaffenspause mal ganz gut.
Was hat dich dazu gebracht wieder anzufangen?
Steffen: Ich habe durch viele Begegnungen, neue Sichtweisen für mich entdecken können und dadurch wieder die Freude am Sprühen entdeckt. Es baute sich in den letzten Jahren ein neuer Kreis an Malern in Greifswald auf, die im künstlerischen Austausch zueinander stehen.
Wie kam es dann zu der Entstehung des Vereins „Kunst und Kultur e.V.“?
Steffen: Der gemeinnützige Verein entstand dieses Jahr im März. Wir haben uns zusammengesetzt und uns gefragt, was wir mit einem Verein bezwecken wollen. Wir wollten eine Plattform für all diejenigen bieten, die sich künstlerisch betätigen wollen. Wir benötigten Räumlichkeiten um unsere vielen Ideen umsetzen zu können. Das Jugendzentrum „Klex“ hat uns mit ein paar Auflagen einen Ort für die Umsetzung unserer Vorstellungen geboten. So entstand es, dass wir zusätzlich zu dem künstlerischen Kursangebot jeden Mittwoch eine Abendveranstaltung, wie die „Beatsbude“, anbieten. Wir haben hier unseren Platz gefunden.
Auf Eurer Internetpräsenz habt ihr eine ganze Liste an Kursen im Angebot. Welche laufen am besten und bei welchen würdet ihr Euch noch mehr Teilnehmer wünschen?
Steffen: Ja, das ist schon ein bisschen krass. Wir haben acht Kurse für August und die sind komplett ausgebucht. Die Uni hatte mal Kurse wie Aktzeichen angeboten und ich glaube, dass diese durch Geldprobleme jetzt geschlossen wurden. Dadurch haben wir uns überlegt, dass wir auch solche Kurse anbieten und der ist natürlich proppenvoll. Ich glaube aber, dass der DJ-Kurs am besten ankommt. Der Graffiti- und der Illustrationskurs ist aber auch megavoll. Das hätten wir anfangs nie erwartet. Wir dachten das Angebot würde gar nicht angenommen werden.
Ihr werbt außerdem mit Fachpersonal. Wie setzt sich dieses zusammen?
Steffen: Wir haben fast nur ausgebildete Leute. Wir haben Grafikdesigner, Illustratoren, Bildhauer, langjährige Sprüher und vor allem auch Menschen, die damit seit 10-15 Jahren ihr Geld verdienen. Diese Leute geben auch die Kurse. Das läuft aktuell alles ehrenamtlich, aber wir versuchen ein oder zwei Stellen mal schaffen zu können.
Wieviel Zeit verbringst du durchschnittlich pro Woche im Verein?
Steffen: Puh, ich schätze mal 25-30 Stunden.
Barnim: Schätzungsweise alle zwei Tage so zwei bis drei Stunden.
Zu den Wahlen warb ja die CDU auf ihren Wahlplakaten gegen Graffiti angehen zu wollen. Was denkst du darüber?
Steffen: Ich fand es total ironisch, da sie zwei Plakate hatten. Einmal eins, wo sie gegen Graffiti wettern und einmal eins, wo sie es nutzen für ihre Wahlwerbung. Zum Beispiel bei „Löcher stopfen“, da wurde ein Graffiti als Werbung verwendet. Ich betrachte es also eher als Ironie.
Barnim: Ich finde das Ganze einfach nur traurig. Natürlich ist vieles Schmiererei, aber es gibt viele Graffiti, wo wahnsinnig viel Mühe hineingesteckt wurde.
Bekommt ihr auch negative Resonanzen zum Verein?
Steffen: Nein, bislang nicht. Wir machen bis jetzt sehr gute Erfahrungen. Die Ämter sind gut auf uns gestimmt und auch die Förderanträge laufen gut. Es gibt ja eine Kunstschule in Greifswald, aber für die muss mal halt eben Geld bezahlen und unser Fokus liegt darauf, den Menschen alles kostenlos anbieten zu können. Von daher ist es auch eine positive Ausgangssituation.
Wie finanziert ihr euch, damit ihr euer Angebot kostenlos zur Verfügung stellen könnt?
Steffen: Wir machen Konzerte und Jams. Die Einnahmen fließen in den Verein. Dazu haben wir Förderanträge gestellt, die auf positive Resonanz gestoßen sind. Zudem nehmen wir auch Auftragsarbeiten im Bereich Graffiti an.
Ihr richtet euer Hauptaugenmerk auf Kinder, Jugendliche und Immigranten. Warum?
Steffen: Es geht hauptsächlich um junge Menschen, die kein oder wenig Geld haben und davon gibt es eine Menge. Das Thema kam durch die Tochter eines Freundes auf. Sie kann sehr gut malen, aber sie haben für ihre Förderung kein Geld. Und auch Immigranten stehen wenig Geldmittel dafür zur Verfügung, vor allem, wenn sie nur kurz hier sind. Uns liegt es am Herzen solche Lücken zu füllen und da dachten wir uns, dass es doch perfekt wäre, wenn wir genau diesen Leute solche Angebote machen können.
Graffiti genießt in einigen Gesellschaftsschichten einen schlechten Ruf. Wie erklärst du dir das?
Steffen: Ich sehe das gar nicht so. Mittlerweile ist Graffiti so hip geworden, dass es sich jeder, der etwas mehr Geld besitzt, ins Wohnzimmer hängt. Dies hat man auch deutlich bei unseren Ausstellungen gesehen. Dort wurden viele Arbeiten verkauft und preisliche Gebote gemacht, die meiner Ansicht nach überzogen waren. Ich dachte manchmal, dass es durch nur Leinwände mit Dosen sind.
Wie würdest du die aktuelle Graffitiszene in Greifswald und Umgebung beurteilen? Gibt es Künstler, die du gerade richtig gut findest?
Steffen: Aktuell ist die Graffitiszene sehr aktiv. In Greifswald gibt es gerade wieder viele Maler. Es gibt aber natürlich auch Leute, die keinen Respekt vor der Arbeit anderer haben und einfach Bilder übermalen mit abwertenden Begrifflichkeiten. Meine Theorie ist allerdings, dass sie es einfach nicht besser können oder die Leute ärgern wollen. Aber insgesamt hat eine gute Entwicklung stattgefunden. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es viele Sprüher, die in einen regionalen, künstlerischen Austausch treten. Am 26. Juli findet hier auch die große Graffiti-Jam in M-V statt, wo sich alle treffen. Und zu den Künstlern möchte ich mich eigentlich nicht äußern. Am Ende wird einem nachgesagt, dass man illegale Sachen toll findet.
Barnim: Mir gefallen aktuell zwei Kunststudenten ganz gut. Ich weiß ihre Namen nicht ganz genau, ich glaube sie heißen Mynok und Slik. Ich finde es gut, dass sich viele Menschen vernetzen und sich unterschiedliche Altersgruppen zusammenfinden. Ich finde allerdings, dass die Graffitiszene im Moment wieder stagniert.
Was wünscht du dir für eure Zukunft?
Steffen: Dass der Verein noch ganz lange dabei bleibt und wir weiter so gut angenommen werden.
Barnim: Ich hoffe, dass sich der Verein auch weiterhin etabliert und entfaltet.
Vielen Dank für das Gespräch!
Fotos: Laura-Ann Schröder