Nachdem das Marktgeschrei sich über den zentralen Platz der Stadt Greifswald gelegt hatte, versammelten sich am frühen Abend des 28. Aprils erneut zirka 300 Menschen. Sie machten auf einer Kundgebung gegen rechte Gewalt ihren Unmut über die Gewaltexzesse, die mutmaßliche Neonazis vom 26. zum 27. April in Greifswald und Alt-Ungnade veranstalteten, Luft.

Anschlag ist Attentag gegen die Freiheit

In Greifswald zündeten Neonazis in den vergangenen Tagen am Internationalen Kultur- und Wohnprojekt IKuWo einen parkenden PKW an. Das Feuer beschädigte einen benachbarten Lieferwagen. Nach jüngsten Informationen des webMoritz haben die unbekannten Täter zudem einen Bauzaun vor den Eingang zum Hof des IKuWo-Wohnheimes platziert, um den Opfern eine mögliche Flucht vor den Flammen zu erschweren. Weil die Tat frühzeitig entdeckt wurde, konnte das Feuer rechtzeitig gelöscht und das Schlimmste verhindert werden.

„Der Anschlag ist ein gezieltes Attentat gegen die Freiheit, Menschenrechte und die demokratische Grundordnung“, rief ein Bewohner des IkuWo auf der Kundgebung aus. Zudem stimmte er bedenkliche Töne über die zunehmende Gewaltbereitschaft der Greifswalder Neonaziszene an.

„Dieser Anschlag war ohne Zweifel ein Mordanschlag“

Zur Versammlung wurden auch Banner mitgebracht und Flyer verteilt.

Eine besondere Schlüsselrolle innerhalb der Szene soll, so der Redner, der Jurastudent Marcus G. sein, der bereits in Berlin Mitglied der gewaltbereiten und mittlerweile verbotenen Kameradschaft Tor gewesen ist.

Auch der Greifswalder Pfarrer Matthias Gürtler solidarisierte sich mit den Opfern des Anschlags. Er hob in seiner Ansprache die Weltoffenheit des alternativen Kulturzentrums hervor und betonte: „Dieser Anschlag war ohne Zweifel ein Mordanschlag!“

„Jetzt erst Recht den Naziaufmarsch verhindern!“

„Gerade jetzt zum ersten Mai sollten wir uns nicht einschüchtern lassen! Jetzt gilt es erst Recht, den Naziaufmarsch zu verhindern!“ – rief ein weiterer Redner dem Publikum zu. Doch nicht alle Teilnehmer der Versammlung schlossen sich dem Aufruf zum antifaschistischen Protest an. Einige andere Versammlungsteilnehmer meinten Greifswalder Neonazis erkannt zu haben.

Nicht ohne Grund trugen viele Antifaschisten an diesem wolkenbehangenen Tag Sonnenbrillen und verbargen ihre Haare unter Kaputzen und Mützen. Die selbsternannten Nationalen Sozialisten Greifswalds halten derzeit überall Ausschau, um einen Plakate oder Sticker klebenden Gegner des Naziaufmarsches zu entdecken. Einige Antifaschisten wurden nach Informationen des Bündnsisses „Greifswald Nazifrei“ bereits angegriffen und konnten nur durch einen mehr oder weniger glücklichen Zufall entkommen.

Nazis zielen auf Infiltrierung der demokratischen Mitte

Immer mehr Menschen scheinen zu erkennen, dass auch Greifswalder Nazis gewaltbereit sind.

Auch innerhalb zahlreicher Veranstaltungen der sogenannten demokratischen Mitte werden immer wieder Neonazis entdeckt, sei es die hitzige Debatte um den Namenspatron Ernst Moritz Arndt oder das Auftreten von Marcus G. beim Bürgerbündnis „Greifswald ist Bunt- Kein Ort für Neonazis“. Die im Vergleich zum Umland sehr starke alternative Szene und eine zumindest gefühlte stärkere Abneigung gegen Neonazis hindern diese noch lange nicht daran, es nicht doch zu versuchen, aus der Stadt eine sogenannte „National befreite Zone“ zu machen. Auch wenn Greifswald nur ein „Rückzugsort“ der Neonazis in Vorpommern ist, so zeugen nicht wenige Ereignisse davon, aus dem Rückzugsort ein Zentrum machen zu wollen.

Diese Tendenzen sind es, die die Gemüter der sogenannten demokratischen Mitte und der Antifaschisten immer wieder erregen und auf die Straße treiben. Viele Jahre wurde das in Greifswald nicht getan. Der große Protest gegen die Neonazis vor zehn Jahren, als 7.000 Menschen auf der Straße waren und 300 Blockierer versuchten, den Aufmarsch zu verhindern, klang lange Zeit wie ein Märchen aus längst vergangenen Tagen. Doch die Tage sind nicht vergangen, sie sind noch gegenwärtig. Auch das haben die Anschläge gezeigt.

Angesichts der angespannten Situation hat die Redaktion entschieden, die Reportage zum persönlichen Schutz des Autors anonym zu veröffentlichen.

Fotos: webMoritz