Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.
Nachts durch Zeit und Raum reisen, Abenteuer bestehen, Freunde treffen – ohne das Bett zu verlassen. Das habe ich schon immer gut gekonnt. Meistens schlafe ich nicht nur gut ein und durch, sondern erlebe dabei noch etwas. Am nächsten Morgen erinnere ich mich mehr oder weniger gut an meine Träume. Irgendwann kam bei mir die Frage auf: Will mir mein Unterbewusstsein etwas sagen? Darum wird jetzt ein Traumtagebuch geführt!
Die Vorbereitung
Was ist überhaupt ein Traumtagebuch? Laut Wikipedia ist es das schriftliche Festhalten der Träume über einen längeren Zeitraum. Man schreibt also schlicht jeden Morgen auf, was man geträumt hat. Obwohl, einfach mal so Traumtagebuch führen, geht nicht. Also geht schon, aber einschlägige Esoterikseiten im Internet raten davon ab. Als Vorbereitung auf ein Traumtagebuch soll man sich eine morgendliche Routine schaffen. Die hilft dabei, sich so strukturiert an die Träume zu erinnern, dass man sie auch aufschreiben kann. Nach dem Klingeln des Weckers snooze ich also nicht mehr und checke auch nicht sofort meine Nachrichten. Ich übe, jeden Morgen nochmal kurz die Augen zu schließen (Achtung, nicht wieder einschlafen) und mich zu fragen: Was ist vor dem Aufwachen passiert? Und davor? Und davor? Das soll helfen, die Struktur und den Ablauf der Träume nachzuvollziehen. Im Traumtagebuch geht es scheinbar nicht um genaue Details, sondern eher ums große Ganze. Und natürlich braucht man ein Buch oder Heftchen neben dem Bett. Nach einer guten Woche Vorbereitung fühle ich mich bereit zum Tagebuch führen.
Der Anfang
In der ersten Nacht im eigentlichen Versuch habe ich ziemlichen Mist geträumt. Sagen wir so viel: Es war die thailändische Geheimpolizei, das Team vom webmoritz. und Kuchen involviert. Ich versuche, den Handlungsablauf niederzuschreiben. Das ist gar nicht so einfach. Im Traum ist ziemlich viel ohne wirkliche chronologische Reihenfolge passiert. Außerdem zittert meine Hand beim Schreiben. Verständlich, schließlich bin ich noch nicht richtig wach und mein Kreislauf muss erstmal hochfahren. Eine halbe Seite bekomme ich dann trotzdem aufs Papier gekritzelt. Mal sehen, wie es am nächsten Morgen wird.
Nach einer guten Woche
Das Erinnern klappt immer besser und nach einem Stiftwechsel zittert meine Hand auch nicht mehr so sehr. Vielleicht ist das auch der Übung geschuldet. Nachdem ich mich mit Fachliteratur zum Thema belesen habe, kam mir die – eigentlich recht naheliegende – Erkenntnis: Träume sind sehr subjektiv und werden von jedem Menschen anders erlebt. So werden Träume von den meisten nur bildlich und akustisch wahrgenommen. Die anderen Sinne sind wenig beteiligt. Anfangs dachte ich, dass es auch bei mir so ist. Als ich mich durch das Tagebuch intensiver damit beschäftigt habe, stellte ich fest: Der Kaffee im Traum schmeckt nach Karamell und der Sand ist heiß unter meinen Füßen. Ich habe also nicht nur herausgefunden was, sondern auch wie ich träume. Auch sind die meisten meiner Träume realistisch. Es passieren also nur Dinge, die auch physikalisch möglich sind. Wenn meine Träume dann bizarr werden, wird es richtig wild (mehr dazu im Best of meiner Träume). Durch das Tagebuch habe ich auch die Struktur meines nächtlichen Erlebens besser verstanden. Entweder gibt es eine große Haupthandlung, in die sich die einzelnen Szenen eingliedern, oder ich träume in mehreren Ebenen. Ich denke also, dass ich aufwache, aber in Wirklichkeit träume ich weiter. Spannend ist auch, wer so alles in meinen Träumen handelt. „Ich habe von dir geträumt“ – ist bei mir keine besondere Auszeichnung. Wenn wir uns länger als fünf Minuten unterhalten haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass du mal eine Nebenrolle in meinem Traum bekommst. Meistens spiegelt sich mein Alltag nachts sehr verzerrt wider. Gute Träume habe ich nicht. Es geht immer um irgendeine Art von Ärger, Angst oder Frustration. Vielleicht verarbeite ich die negativen Gefühle des Tages, damit sie mich im Wachzustand nicht belasten.
Fazit
Abschließend kann ich sagen, dass der kleine Exkurs in meine Psyche wirklich spannend war. Durch das Experiment habe ich mich auch öfter mit Leuten über Träume unterhalten und dabei erfahren, wie unterschiedlich die Traumwahrnehmung sein kann. Ich kann jedem empfehlen einmal so ein Tagebuch zu führen, auch weil dadurch die Traumerinnerung gesteigert wird. Viele Fragen zum Thema sind aus wissenschaftlicher Sicht noch ungeklärt. Zum Bespiel warum wir überhaupt Träumen. Ein Tagebuch kann dabei helfen, sich selbst zu reflektieren und diese Frage für sich zu beantworten. Wer sich ein bisschen in das Thema einlesen möchte, dem empfehle ich die Bücher „Traum“ von Michael Schredl oder „Traum und Schlaf – Ein interdisziplinäres Handbuch“ herausgegeben von Alfred Krovoza und Christine Walde. Beide Bücher sind für Mitglieder der Uni Greifswald kostenfrei erhältlich. Ich werde nach dieser Woche das Tagebuch nicht mehr weiterführen. Nachdem ich meine Träume aufgeschrieben hatte, konnte ich mich über den Tag hinweg besser an sie erinnern. Ich habe meine negativen Emotionen und Erinnerungen also mit in den Wachzustand genommen, statt sie verblassen zu lassen. Damit ist der Sinn des Träumens für mich hinfällig. Auch die Tatsache, dass ich nach dem Aufstehen sofort schreiben musste und nicht nochmal schlummern konnte, war eher unbequem. Mein Heftchen bleibt trotzdem neben dem Bett liegen. Vielleicht gibt es ja mal wieder etwas aufzuschreiben.
Best of meiner Träume
Zwei Träume möchte ich an dieser Stelle mit allen interessierten Leser*innen teilen (Achtung, es kommt zu Beschreibungen von Gewalt gegen Menschen, Tiere und Früchte):
Vor dem Gebäude meiner alten Schule befindet sich eine kleine Grünfläche. Ein Hund, ungefähr so groß wie ein Dackel, flitzte dort umher. Der Besitzer scheiterte daran, den Hund einzufangen und wieder an die Leine zu bekommen. Er bat mich um Hilfe. Ich positionierte mich, um dem Hund den Weg abzuschneiden, doch bevor ich ihn zu fassen bekam, verwandelte er sich in eine Heidelbeere. Die Heidelbeere rollte fröhlich weiter über den Rasen. Der Besitzer hinterher. Ich versuchte, die Heidelbeere mit meinem Fuß zu stoppen, ähnlich wie einen Fußball. Tatsächlich kam sie zum Stehen. Keuchend erreichte mich der Besitzer, bereit, der Heidelbeere die Leine anzulegen. Doch als ich meinen Fuß hochnahm, hatte ich die Heidelbeere zerquetscht.
In einem anderen Traum befand ich mich auf einer kleinen tropischen Insel. Um mich herum sonnten sich Tourist*innen auf ihren Liegetüchern. Plötzlich hörte ich Geschrei und Schüsse. Uniformierte Ratten, groß wie Menschen, schossen mit Maschinengewehren auf fliehende Tourist*innen. Ich rannte. Hinter einem Stein kauerte ich mich hin und versuchte, einen Fluchtweg zu finden. Plötzlich setzte sich ein Mann neben mich. Völlig ruhig sprach er mit mir, obwohl neben uns Menschen starben. Ich sei in meiner persönlichen Hölle, erklärte er mir. Er sei der Tod und könne mir helfen. Ich müsse nur eine Stunde im Kugelhagel überleben. Dann verschwand er. Eine Stunde – dachte ich – muss doch zu schaffen sein. Am anderen Ende des Strandes lag ein Kreuzfahrtschiff. Ich sah, wie sich Menschen an Bord retteten und sich die Besatzung bereit machte zum Ablegen. Heißer Sand brannte unter meinen Füßen, als ich zum Schiff rannte. Im letzten Moment konnte ich über eine kleine Brücke an Bord springen. Ich atmete schwer, aber ich hatte es geschafft. Ich würde überleben, bis der Tod mich holt. Doch wir kamen nur wenige Seemeilen weit. Das Schiff hatte ein Leck und begann zu sinken. Mit Rettungsbooten erreichten wir schließlich eine Nachbarinsel. Nicht mehr lang – dachte ich. Plötzlich zeigte ein Passagier zum Horizont und rief: „Ratten können schwimmen!“
Beitragsbild: Lilly Biedermann