Die Mimik ist die einzige Sprache, die global verstanden wird. Hannah Herbst ist als Mimikresonanz-Expertin in der Lage, jede Lüge anhand der kleinsten Ausdrücke im Gesicht einer Person zu erkennen. Als sie jedoch mit ihrem eigenen Geständnis konfrontiert wird, steht sie ihrer größten Hürde gegenüber: sich selbst.
„Die Mimik ist die Bühne der Emotionen“. Unter diesem Motto veröffentlichte der Spiegel-Bestsellerautor Sebastian Fitzek im vergangenen Monat sein neuestes Buch „Mimik“. Dabei wurde er beim Schreiben von dem führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum, Dirk Eilert, wissenschaftlich beraten. Zusammen reisen die beiden für Lesungen durch ganz Deutschland.
Diese starten ungewöhnlicherweise um 20.03 Uhr. Der Grund dafür sei, dass „im Mimik-Kodierungssystem jede mimische Bewegung mit einer Nummer versehen wird, wobei es die drei nicht gibt. Jetzt gibt es 20.03 Uhr.“, sagt Dirk Eilert. „Wir schaffen es aber auch nie pünktlich zu starten“, fügt Sebastian Fitzek lachend ein, sodass man sich eine Begründung für die ungewöhnliche Zeit aussuchen könne. Ein Tippfehler sei es jedoch nicht.
Lesung ist für die Veranstaltung allerdings ein dehnbarer Begriff, da die beiden eher eine interaktive Show veranstalten. Der mangelnde Austausch mit den Lesenden durch Corona habe dafür gesorgt, dass die Lesungen interaktiver sein müssen, so Sebastian Fitzek.
Mit der krummen Startuhrzeit ging es auch schon ungewöhnlich los: mit einer Kiss-Cam!
Ganz im Sinne des Buches wurde das Publikum beobachtet, um die Reaktionen von Dirk Eilert analysieren zu lassen. Dabei wurden für kleinere Experimente Leute aus dem Publikum auf die Bühne gebeten, um ihre Mimik zu analysieren. Von Kartentricks, Streichen unter Freunden und der Imitation der Handlung einiger Textpassagen war alles dabei. Die Stimmung war sehr ausgelassen und aufgebrochen. So wurde das Gefühl in einer Uni-Vorlesung zu sitzen gar nicht erst vermittelt, stattdessen wurde eine offene, heitere Dynamik erzeugt.
Natürlich wurde auch aus dem Buch gelesen. Auch das wurde jedoch bis ins Kleinste inszeniert. So hatte jede einzelne Textpassage ihre eigenen Lichteffekte, einen Hintergrund und verschiedene Requisiten auf der Bühne. Eine Mitteilung, die innerhalb des Buches im Fernsehen lief, wurde vorher auch so aufgenommen und eingespielt. Diese Begleitung ließ das Buch noch realer wirken. Man merkt, dass die Lesung kreativ durchdacht war und einen Besuch definitiv wert ist. Es war ein einmaliges Erlebnis.
Nach dem Programm finden immer Signierstunden statt, die dem Autoren besonders gefallen. Dort kann Sebastian Fitzek mit seinen Fans in einen direkten Dialog treten. Diesen führt er intensiv, bis er die Stimme verliert und die Hand schmerzt.
Als kleiner Tipp für die Lesenden: Bringt Sebastian Fitzek und Dirk Eilert vielleicht einen Apfel mit. Auf der Lesereise könne man sich nicht gesund ernähren, da man oft nur eine Brezel essen könne, so Dirk Eilert, der sich jeden Abend schon auf die geliebte Brezel freut.
Sebastian Fitzek bestätigt dies nickend: „Vor der Lesung kann man nicht so viel essen und danach kann man auch nichts mehr essen.“
„Das schlechteste auf Lesereise ist die Autofahrt, aber die fahren wir zusammen, also geht das auch.“, sagt Dirk Eilert und drückt so die Freundschaft aus, die die beiden entwickelt haben. Er hat den Autor, von dem er sagt, dass er ein sehr gutes Gefühl für Körpersprache und Mimik habe, bei seinem neuesten Thriller beraten.
„Ich habe das Buch geschrieben und natürlich Vorrecherche betrieben. Dann habe ich Dirk den Vorentwurf zum Lesen gegeben“, beschreibt Sebastian Fitzek den Prozess des Schreibens. „Dann haben wir Ping Pong gespielt.“, ergänzt Dirk Eilert. Dabei habe er wenige Anmerkungen, zum Beispiel das Hinkley-Face, ergänzt, aber er erinnere sich nicht, etwas gelesen zu haben, was seinem fachlichen Blick nicht standgehalten habe.
Allerdings muss „Mimik“ nicht nur seinem Urteil standhalten, sondern auch dem*der kritischen Lesenden. Um euch die Entscheidung einfacher zu machen, gibt es deswegen – obwohl es eine ganz klare Leseempfehlung gibt – hier eine kurze und spoilerfreie Zusammenfassung:
Als Mimikresonanz-Expertin kann Hannah Herbst beinahe in die Seele von Menschen blicken, ihre kleinsten Geheimnisse in Erfahrung bringen und wie telepathisch mit ihnen kommunizieren. Also natürlich abgesehen von den Momenten, wenn sie es nicht kann…
Sie steht nun der Aufgabe gegenüber, ein Geständnisvideo zu analysieren, in dem sie selbst den Mord an ihrer Familie gesteht. Und das während sie von einem Mörder entführt wird. Nach einer Operation. Während sie Amnesie hat. Und der Herd ist auch noch an!
In einem Plan, der so absurd ist, dass sie ihn in der Palpatine-Schule für unnötig komplizierte Pläne erarbeitet haben muss, versucht sie, die Fischermann-Morde oder den grausamen Mord an ihrer Familie aufzuklären. Je nachdem.
Dem Video, in dem sie den Familienmord gesteht und das ihr ihr psychopatischer Entführer mit #mamaissues zeigt, will sie dabei keinen Glauben schenken. Dabei verfügt der Entführer über ein Vokabular von dem sich Phillip Amthor noch eine Scheibe abschneiden kann. Dieser hat beschlossen – wenn er nicht gerade einen ADHS-Moment hat – Hannah zu töten, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. #sorelatable
Das Thema des Gott- sowie Helferkomplexes zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Wer will schon ein Hirn haben, wenn man Gott spielen kann?
Wieso die Polizei rufen, wenn man eine Entführung beobachtet, wenn man stattdessen in das Hotelzimmer eines verurteilten Mörders einbrechen kann? Die Polizei zu rufen, wie jeder normale Mensch, wäre ja viel zu lame.
Hannahs Suche bringt sie über mehrere Leichen in Kellern durch Berlin, um in der besten literarischen Beschreibung des Spiderman-Memes, die ich jemals gelesen habe, ihren Höhepunkt zu finden.
Der Thriller war tatsächlich eine frische Brise und ich konnte ihn gar nicht mehr aus der Hand legen. Sebastian Fitzek erschafft dabei sehr viel Witz und Situationskomik. Auch gelingt es ihm, die Berliner Schnauze sehr schön einzufangen und zu Papier zu bringen. Selbst die grausamsten Morde haben mich teilweise zum Schmunzeln gebracht. Auch das ungleiche Duo hat ideal in dem Buch funktioniert. Lutz Blankenthal ist definitiv der beste Charakter des ganzen Buches. Das Spiel mit Perspektiven hat Sebastian Fitzek in diesem Buch großartig umgesetzt. Nur Hannahs Plan hat aus keiner Perspektive wirklich viel Sinn ergeben. Allerdings wurde der Plot-Twist gegen Ende so herausragend subtil angekündigt, dass er nicht aus dem absoluten Nichts kam, aber dennoch die meisten überraschen wird.
Von mir gibt es deswegen eine klare Leseempfehlung für „Mimik“!
Beitragsbild: Astrid Wiebke Pley