Am Mittwoch, dem 28.09.2022, gingen etwa 150 Menschen zur Kundgebung anlässlich des „Safe Abortion Day“ am Mühlentor in Greifswald. Veranstaltet wurde die Kundgebung von NEONLILA. Was es genau mit dem „Safe Abortion Day“ auf sich hat und was auf der Kundgebung in Greifswald passiert ist, erfährst du in diesem Artikel.
Der internationale „Safe Abortion Day“ ist ein am 28. September jährlich wiederkehrender Aktionstag. An diesem Tag soll für einen sicheren, entkriminalisierten und kostenfreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen aufmerksam gemacht werden. Es geht darum, dass das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche die eigene Entscheidung und das eigene Recht von Menschen ist, die schwanger werden können.
Bereits in diesem Jahr gab es diesbezüglich in Deutschland eine Verbesserung, was § 219a StGB angeht. Somit fiel das Verbot der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche. Allerdings gilt mit § 218 StGB, dass der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland eine Straftat bleibt. Die Situation, was Schwangerschaftsbrüche angeht, ist dagegen zum Beispiel in den USA nochmal eine ganz andere. In vielen Bundesstaaten werden Schwangerschaftsbrüche gar nicht mehr durchgeführt. In Polen sind Schwangerschaftsabbrüche an sich verboten. Sie finden dann oft trotzdem statt, allerdings illegal, was lebensgefährlich sein kann.
Die Kundgebung in Greifswald
Die Kundgebung am Mühlentor ging ungefähr von 17:30 bis 18:15 Uhr. Sie verlief friedlich und gesittet. Es kamen ungefähr 150 Teilnehmende, die den Redebeiträgen und der Musik interessiert zuhörten.
Eine Sprecherin von NEONLILA machte darauf aufmerksam, dass § 219a StGB zwar abgeschafft wurde und sie das auch feierten, allerdings bleiben § 218 StGB und § 219 StGB noch stehen. Damit bleibt ein Schwangerschaftsabbruch kriminalisiert. Somit geht ihr Kampf weiter: „[…] um auch in Deutschland einen guten barrierearmen Zugang zu sicheren Abbrüchen nach internationalem Standard für alle zu gewährleisten.“ Es führen nämlich immer weniger Praxen Schwangerschaftsabbrüche durch, da die Ärzt*innen mit Anfeindungen zurechtkommen müssten. Sie machte auch auf das gesellschaftliche Tabu, über Schwangerschaftsabbrüche zu reden, aufmerksam. Wer einen Schwangerschaftsabbruch durchführen wolle, müsse sich psychischer Belastung, Stigmatisierung und Vorurteilen aussetzen.
Es gab noch weitere Beiträge. Es sprach beispielsweise Luisa von der AG Medizin und Menschenrechte: „[…] nicht nur wir hier an der Uniklinik Greifswald haben ein Problem mit der Lehre und der Durchführung von Abtreibungen. Deutschlandweit [verhindern] konservative Ärzte, dass in ihrer Abteilung Schwangerschaftsabbrüche nach sozialer und zum Teil medizinischer Indikation angeboten werden.“ Diese Hierarchie habe Einfluss auf das gesamte medizinische Team. Chris von Qube machte darauf aufmerksam, dass trans- und nicht binäre Personen bei der medizinischen Versorgung rund um Schwangerschaftsabbrüche nicht vergessen werden sollten.
Ein NEONLILA-Mitglied machte zum Schluss noch auf ihre Forderungen aufmerksam. Sie forderten unter anderem einen kostenlosen und guten Zugang zu Informationen über Schwangerschaftsabbrüche. Außerdem sollten die Kosten für diese von allen Krankenkassen übernommen werden, gynäkologische Kliniken, die von öffentlichen Geldern finanziert werden, sollten Schwangerschaftsabbrüche durchführen und im Medizin-Studium sollte diese Theorie verpflichtend gelehrt werden.
Beitragsbild: Manny Becerra auf Unsplash
Bilder: 1&2 Maret Becker; 3&4 Emmi Feldt
Hallo, wieder ein sehr gut gelungener Artikel. Vielen Dank für die Aufklärung:)
BIS ZUR GEBURT bliebe das Ungeborene bei einer Streichung der §§ 218-219 StGB völlig ohne strafrechtlichen Schutz, obwohl doch ein NOCH winzig kleines, völlig wehrloses, hilfloses und daher besonders schützenswertes Menschenleben im 21.Jahrhundert genauso viel wert ist wie in jedem anderen Jahrhundert und obwohl sich die deutsche Kompromisslösung (auch im internationalen Vergleich) im Hinblick auf die Anzahl der Entscheidungen für das Leben bewährt hat, nachdem die Beratungspflicht unüberlegten Entscheidungen vorbeugen kann (und nachweislich auch tut), weil sie Perspektiven für ein Leben mit dem Kind eröffnen und mit Rat und Hilfe dazu beitragen soll, die Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen (vgl. § 219 StGB). Mit dieser Beratung muss den Betroffenen geholfen werden. Sie dürfen nicht allein gelassen werden. Aber es darf kein verfassungsmäßiges Recht darauf geben, die Entwicklung eines heranwachsenden individuellen, nicht beliebigen und genetisch festgelegten Menschenlebens aufzuhalten.
Das Bundesverfassungsgericht hat deutliche Worte zum Beginn von Menschenwürde und dem unveräußerlichen Recht auf Leben gefunden und obendrein noch einen staatlichen Schutzauftrag formuliert. Es kam zu dem Ergebnis, dass den Betroffenen im Verhältnis zur gefährdeten physischen Existenz des Ungeborenen bzw. dem Recht überhaupt da sein zu dürfen (dem hochrangigen Recht auf Leben im Sinne des Grundgesetzes) viel zugemutet werden kann, wobei zur Würde des Menschen auch gehört, überhaupt Mensch außerhalb des Mutterleibes werden, die Phase der Entwicklung (nicht zum Menschen, sondern als Mensch) abschließen zu dürfen, weshalb der Staat verpflichtet ist, sich schützend und fördernd vor das Leben zu stellen und dabei nicht komplett auf das Strafrecht verzichten darf !!!
Dem Schutz des menschlichen Lebens ist selbstverständlich das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegenüberzustellen, das freilich ein hohes Gut ist. Aber wie jedes Recht gilt auch letzteres nicht absolut und um jeden Preis. Widerstreitende Rechtspositionen sind gegeneinander abzuwägen. Geht diese gründliche Abwägung zulasten des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Frauen aus, kann man nicht von Frauenfeindlichkeit sprechen. Außerdem sind Schwangere in einer Konfliktsituation oft gesellschaftlichen Einflüssen und Druck aus dem persönlichen Umfeld ausgesetzt, wobei auch Männer nicht aus der Verantwortung gezogen werden können und dürfen.
Man kann § 219a StGB durchaus rechtssicher dahingehend anpassen, dass bestimmte, wenige (Vorsicht: Übergänge zu Werbung sind fließend!!!) öffentliche Informationen erlaubt sind, aber Werbung verboten bleibt. Informationen im Zwiegespräch zwischen Patientin und Ärztin bzw. Arzt sowie durch die Beratungsstellen sind bereits ausreichend erhältlich. Sonst wären ca. 100.000 solcher Eingriffe pro Jahr in Deutschland gar nicht möglich.
Das ärztliche Berufsrecht, das unangemessene Werbung bereits verbietet, gilt für Herstellerinnen und Hersteller von entsprechenden Produkten gerade nicht. Es gibt Schutzlücken, die wegen des hohen Stellenwertes des Schutzes des ungeborenen Lebens nicht hingenommen werden können.
Anders als zunächst angekündigt, wurde § 219a StGB nicht ersatzlos gestrichen, sondern eine Regelung im Heilmittelwerbegesetz erlassen. Diese untersagt indes nur „irreführende Werbung“. Wann ist das der Fall? Sind davon sogar Ärztinnen und Ärzte betroffen, die aber rehabilitiert werden?
Außerdem kann ein Eingriff, der sich bereits entwickelelndes menschliches Leben beendet, nicht mit einer Heilbehandlung gleichgesetzt werden. Auf keinen Fall darf von einer gewöhnlichen medizinischen Dienstleistung gesprochen werden. Mit der Streichung des § 219a StGB droht das gesellschaftliche Bewusstsein für das Lebensrecht des Ungeborenen zu schwinden. Ausdrücklich weist das Bundesverfassungsgericht aber darauf hin, dass dies nicht der Fall sein darf.
Sehr gute Aktion in der Universitätsstadt Greifswald und toller Bericht darüber, danke Maret Becker