Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen wollen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.
Ins Kino gehen – wenn 200 Leute dabei zusehen, wie Kate Winslet einfach keinen Platz auf ihrer Tür machen möchte und die Romantik trotzdem nicht versinkt. Das Kino ist wohl der Ort, an dem die meisten menschlichen Zustände parallel nebeneinander auftreten können. Manche schauen den Film und lieben es, manche schauen den Film und hassen es, manche schauen den Film und empfinden gar nichts, manche schauen den Film nicht und schlafen, manche schauen Schindlers Liste nicht und machen drei Stunden lang dabei rum und manche wollen den Film eigentlich schauen und sind dann so abgelenkt von der wilden Haarfarbe der Person drei Reihen weiter vorne leicht links (ist das rot, ist das grün, was soll das sein?). Das Kino ist also ein Ort, an dem man sich gerne etwas stoßen kann. Daher ist es an der Zeit aufzuzeigen, wo die Probleme des Kinos liegen und welche cleveren Ideen es geben kann, damit die Unterhaltung auf 21 mal 12 Metern trotzdem für die Zukunft gesichert ist.
Aber fangen wir ganz vorne an. Denn bereits an der Kinokasse treten die ersten elementaren Probleme auf. Man muss es einfach mal so drastisch formulieren: Wer hat damit angefangen, die Snacktheke zum extremsten Ausläufer des Kapitalismus zu machen? Denn für ein kleines Popcorn soll es wohl zum guten Umgang gehören, sein Erstgeborenes an den*die 15-jährige*n Aushelfende*n zu opfern. Der Materialwert eines Produktes, welches aus Zucker (dazu kommen wir gleich noch) und Maiskörnern besteht, kann sich wohl nicht darauf belaufen, dass Snackfreund*innen dafür Teile des Bernsteinzimmers eintauschen müssen. So wird sich das Kino in seinem Überlegenheitskomplex bestimmt in sein vergoldetes Fäustchen lachen.
Über die Kinopreise selbst muss wohl nicht mehr viel gesagt werden, wenn man sich für einen Film mit Überlänge auch einen Monat eines beliebigen Streaminganbieters leisten kann, bei dem mitunter die Filme schon während der Kinolaufzeit verfügbar sind. Es lässt sich jedoch darüber streiten, ob Zuhause schauen und ins Kino gehen das gleiche Erlebnis bietet.
Als nächstes folgt unvermeidbar auch die Frage, warum die Kinospaßunterdrückenden ihren lieben Bürger*innen die Ideologie aufzwingen müssen, dass Popcorn süß zu sein hat. Wozu haben Menschen Jahrhunderte lang Kriege um Salz geführt, um dann nicht dessen volles Potenzial auszuschöpfen? Daher würde ich es mir von ganzem Herzen wünschen, rein salziges oder gemischtes Popcorn nicht nur in wenigen Ausläufern der großen Ketten zu sehen, sondern in jedem Kino des Landes. Zudem ist es langsam mal an der Zeit, neue Snackideen einzuführen, um die verstaubte Tüte M&M’s aus dem Regal zu vertreiben. Mein Vorschlag dazu wäre, die Modern Bowl noch einmal umzudenken und eine umso postmodernere Snackbowl daraus zu machen. Die gemischte Tüte in Zeiten von Metaspace.
Angekommen im viel zu weichen Sitz beginnt das Leinwanderlebnis mit einer angenehmen halben Stunde Werbung. Das wäre auch absolut in Ordnung, würde sich das Kino über die Werbung ausreichend finanzieren, sodass Ticket- und Snackpreise verträglich wären. Ist aber — wie besprochen — wohl nicht so. Daher ich gehe nicht ins Kino um einen Film zu sehen, der kommt natürlich auch, aber später, viel später. Nein, ich gehe ins Kino um Werbung zu schauen. Und so sehe ich: „Ooh der neue Lambogotti Fasterossa, ooh der neue Keili, das ist ja toll, uuuund Eispause.“
Auf den Film selbst hat das Kino natürlich keinen Einfluss. Dennoch schaffen sie es, mit der Erfindung der sogenannten Sneak Previews oder Sneak Peaks, bei denen man nie weiß, welchen Film es zu sehen gibt, künstlich Spannung zu erzeugen. An diesem Konzept kann trotzdem noch weitergearbeitet werden. So wäre es beispielsweise möglich, den Anfang von einem Film und dann das Ende von einem anderen Film zu zeigen. Dann könnten Zuschauer*innen erst den Anfang von Sinn und Sinnlichkeit sehen und dann das Ende von Saw. So hat wirklich niemand Spaß.
Zudem hat das Kino leider auch die Eigenschaft, dass dort von Zeit zu Zeit andere Menschen anzutreffen sind. Über Menschen braucht man eigentlich nicht mehr viel zu sagen. Aber wer ins Kino geht, um ein Gespräch zu führen, der ist fehl am Platz. Man geht doch auch nicht ins Schwimmbad, um Tennis zu spielen, oder auf ein KIZ Konzert, um gute Musik zu hören.
Zum Schluss muss noch einmal eine Frage gestellt werden: 3D ist doch wirklich nicht so das Ding, oder? Dabei meine ich, es hat gut angefangen und man konnte fliegende Gummibärchen im All fangen. Doch im Film war es schon immer eine Enttäuschung, die niemand wirklich vermissen würde. Dabei ist das Potenzial von mehr Dimensionen durchaus da. Aber wo sind die versprochenen Dimensionen 4 bis 17? Wo sind sie? Obwohl es doch so viele Ideen für ein immersiveres Erlebnis geben würde: Geruch, Wasser tropft von der Decke, bunte Lichteffekte oder deine Versagensangst schreit dich an, weil du alles falsch machst.
Somit bleibt uns nichts anderes übrig, als begeistert festzustellen, dass ein Film ins Kino kommt, den man unbedingt sehen muss, es dann zu vergessen und drei Wochen später festzustellen, dass es den Film schon bei Disney+ gibt.
Beitragsbild von Geoffrey Moffett auf unsplash.com
Gif von Giphy.com
Bisschen uncool das Meinungsbild von G, Moffet,
Geht schon beim Pocorn los – intolerant gegenüber süßem, offenbar süchtig nach salzigem. und dann noch die Forderung nach Popcorn in jedem Kino, hat Moffet keine anderen Sorgen. Doch, anscheinend missbehagt ihm die Vorstellung, dass es auch noch andere Menschen im Kino gibt, ja, und man auch mit ihnen über das gemeinsame Filmerlebnis reden, auch wenn der Film drei Wochen später bei Disney kommt und Moffet dann wohl einsam auf seinem Sofa sitzt – und salziges Popcorn kaut, selbstverständlich günstig im Supermarkt erworben, denn man muss ja für die Streamings sparen…