Alle Jahre wieder weihnachtet es auch beim webmoritz.! Hier wird Weihnachtsmusik gedudelt, werden Plätzchen gebacken und Geschichten der vergangenen, diesjährigen und zukünftigen Weihnacht unter flackernden Lichterketten geraunt. Einen Teil dieser besinnlichen Stimmung möchten wir wieder in unserem Adweb.kalender mit euch teilen. Hinter dem 24. Türchen erwartet euch: das vierte Abenteuer des abenteurigen Streifenhörnchens Cornelius von Nussingen.

Hier gelangt ihr zum dritten Abschnitt von Cornelius‘ Abenteuerreise.

Eine Tanne musste also her, aber: woher nehmen, wenn nicht stehlen? Als Streifenhörnchen hatte er eine Art sechsten Sinn, wenn es darum ging, Nussbäume ausfindig zu machen, aber Nadelbäume… die waren nun überhaupt nicht sein Metier, so abenteuerlich und gefährlich sie mit ihren Stacheln auch anmuten mochten. Er sah sich um und schon ganz benebelt von der Kälte hielt er einen Moment inne, um zu überlegen, wo er sich auf die Suche begeben könnte. Eigentlich war es wirklich schön hier draußen, wenn es bloß nicht so kalt wäre. Der Mond war mittlerweile aufgegangen und schien hell durch die dunkle Winternacht. Sein Licht wurde millionenfach und funkelnd von der schneebedeckten grünen Flur reflektiert.

Da wurde es auf einmal laut in der Stille der Einöde. Etwas prallte gegen Cornelius‘ Rücken und er verlor das Gleichgewicht, schlug hart auf dem Boden auf und blieb verdattert liegen. Als er aufsah, stand ein Hase über ihm, Schlittschuhe an den Pfoten und besorgt guckend. „Bitte entschuldigen Sie!“, sagte er zu ihm gewandt, bevor er sich hektisch umsah. „Ich wollte Sie wirklich nicht anfahren, aber man hat versucht, mich zu erschießen! Bitte helfen Sie mir!“ Cornelius jedoch war nach dem ersten Schrecken nun doch sehr ungehalten. „Jetzt hören Sie mir mal zu, Häschen! Sie fahren mich hier um und bitten mich jetzt auch noch um Hilfe? Ich bin ein vielbeschäftigter Abenteurer und versuche gerade, eine heroische gute Tat zu begehen, ich kann mich jetzt nun wirklich nicht auch noch um Ihr Anliegen kümmern! Guten Abend!“ Mit diesen Worten rückte er sich seinen Hut zurecht und stapfte los. Hinter sich hörte er einen erneuten Knall, blickte sich kurz um und sah, wie der totgeschossene Hase auf einer Sandbank Schlittschuh lief. Er blinzelte mehrmals schnell hintereinander und das Bild war wieder verschwunden. Was war das denn gewesen, ein Kältewahn? Egal, Cornelius verfasste eine gedankliche Notiz, irgendwann einmal ein Gedicht darüber zu schreiben. Jetzt aber hatte er keine Zeit für Poesie, wenn Weihnachten im Bauernhaus nicht zur Tannen-Panne werden sollte…

Oh heilige Nuss, bitte gib mir ein Zeichen, dachte er verzweifelt. Und plötzlich war da eins: „Vorsicht, Wildwechsel“ konnte Cornelius gerade noch lesen, bevor es von rechts laut tönte: „Aus dem Weg, ich habe Vo-ho-ho-horfahrt!“ Cornelius drehte den Kopf und sah ein rotes strahlendes Licht immer näher kommen, doch er konnte sich nicht wegbewegen, er war wie gelähmt. Mit quietschenden Kufen und fliegendem Schnee kam das Gefährt vor ihm zu stehen und da standen sie nun, Nase an Nase, das Streifenhörnchen und das Rentier, das ihm frech ins Gesicht leuchtete. Ein bärtiger alter Mann stieg von dem Vehikel und zog sich eine rot-weiße Warnweste über. Er ging zu dem Rentier und schaltete die Nase auf Warnblinklicht um — schließlich standen sie mitten auf der Straße. „Das war knapp, ich hätte Sie fast to-ho-ho-hotgefahren! Haben Sie das Schild nicht gesehen?“, fragte der Mann und deutete mit einem dicken behandschuhten Finger auf das Schild.

Cornelius baute sich so hoch auf, wie er nur konnte vor dem Fremden auf — das nackte, haarige Geschöpf war um einiges größer als er, aber das machte ihm keine Angst — und setzte sein störrischstes Abenteurergesicht auf. „Na hören Sie mal, mit so etwas kann ja niemand rechnen! Und mit was für einer Geschwindigkeit waren Sie überhaupt unterwegs? Haben Sie einen Führerschein für das Ding?“ Der Mann legte eine beschützende Hand auf sein Rentier. „Das Ding heißt Rudolph, und er mag ein bisschen eigen sein, aber das macht nichts, man kann ihn immer noch sehr gut ausno-ho-ho-hutzen.“ Das Rentier schnaufte entrüstet, sagte aber nichts, und Cornelius konnte nicht abstreiten, dass die Idee gar nicht so schlecht war, ein Tier für die eigenen Ziele zu missbrauchen, das sich nicht wehren konnte. „Außerdem sind Sie der erste Beinahe-Unfall, den wir heute hatten. Davon abgesehen war da nur der Frontalzusammenstoß mit der No-ho-ho-hordmanntanne.“ Cornelius wurde sofort hellhörig. „Was ist mit dieser Tanne passiert?“ Der seltsame Mann zuckte die Schultern. „Nichts Besonderes, sie liegt da hinten rum.“

„Gro-ho-ho-hoßartig!“, stieß Cornelius noch aus, dann war er auch schon davon gestürmt, in die Richtung, aus der der Typ gekommen war. Tatsächlich war die Verwüstung weit größer, als der alte Rowdy es hatte scheinen lassen: Der umgestürzte Baum musste auf eine Reihe von anderen Bäumen getroffen sein, die dann in einem Dominoeffekt eine ganze Schneise in den Wald geschlagen hatten. Jetzt wurde Cornelius bei der Sache doch etwas skeptisch. Ansässige Hasen, die verfolgt wurden, ominöse Schilder und korrupte Kerle mit Warnwesten? Das klang ihm doch sehr nach einem Komplott! Nun, wenn er etwas mehr Abenteurer als Autor gewesen wäre, wäre er der Sache vielleicht weiter auf den Grund gegangen, aber das war gerade wirklich nicht sein Problem — in erster Linie brauchte er Geld und dafür brauchte er eine Geschichte. Und vielleicht war da auch noch ein kleiner Wunsch in seinem Hinterkopf, einmal etwas Gutes zu tun.

Der Zusammenstoß hatte die Tanne komplett zerfetzt, also konnte sich Cornelius problemlos die kleine Spitze schnappen, die etwa zu seiner Größe und der des Hauses passte. Mit ein bisschen Anstrengung schleifte er sie wieder zurück zu der bescheidenen Hütte auf der Lichtung, atmete einmal tief ein, klopfte. Es dauerte nur eine Weile, dann wurde die Tür mit Schwung aufgerissen und eine junge, hübsche Eichhörnchendame funkelte ihn mit wütendem Blick an. „Wir haben schon einmal gesagt, wir bleiben noch bis nach der Sonnenwendsfeier!“ Stolz stellte Cornelius die Tannenspitze vor sich auf. „Na, das hoffe ich doch, ich habe Ihnen nämlich extra einen Strauch dafür besorgt.“ Die schwarzen Knopfaugen des Eichhörnchens weiteten sich überrascht. „Oh, verzeihen Sie, ich dachte, Sie wären schon wieder dieser dicke Kerl von der Straßenbaugesellschaft. Der war jetzt schon drei Mal mit seinem teuren Schlitten hier. Wollte uns Angst machen, damit wir unser Haus schneller räumen.“

Cornelius klappte verdutzt der Mund auf. Hatte ihn sein Abtenteurerspürsinn also nicht getäuscht! Hier ging tatsächlich etwas vor sich, und von wegen U-ho-ho-honfall, eine Straße wollten die bauen, direkt durch Hasen- und Eichhörnchengebiet! So eine Frechheit konnte Cornelius nicht unbeachtet lassen. „Wer steckt denn noch alles mit diesem Rentierausbeuter unter einer Decke?“ Das Eichhörnchen überlegte eine Weile. „Nun, da gibt es noch den Bürgermeister, einen Hasen, den sie mit goldenen Eiern bestochen haben, damit er das Gebiet verkauft.“ Cornelius nickte. Das genügte doch schon einmal für eine tiefgehende Ermittlung. Für geschickte Einbrüche, Diebstähle von geheimen Dokumenten, Gassenprügeleien mit zwielichtigen Handlangern von Schlittenkerl und Eierhase. Cornelius rümpfte die kleine Nase. „Machen Sie sich keine Sorgen, meine Teuerste. Ihrer Familie wird nichts geschehen, das verspreche ich, so wahr ich ein Abenteuerautor bin! Und nun lassen Sie uns den Tannenstrauch aufstellen und ein paar Lichter anzünden. Wir werden uns die Sonnenwendsfeier doch nicht von diesen Schurken verderben lassen!“ Und sobald die Feierlichkeiten vorüber wären, würde Cornelius die Spurensuche dieses großen Straßenkomplotts aufnehmen. Doch das war eine Geschichte für einen anderen Tag. „Frohes Fest!“

Beitragsbild: Julia Schlichtkrull