Wie fühlen sich eigentlich Professor*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an den Universitäten? Fühlen sie sich durch umstrittene Themen wie Political Correctness, Diversität und Frauenquote in ihrer Lehre beeinträchtigt? Das und viele ähnliche Fragen untersuchte die Studie „Das geistige Klima an den Universitäten“ des Instituts für Demoskopie Allensbach. Was bei der interessanten Studie herauskam, erfahrt ihr hier.
Auch du wirst wohl nicht um die Debatte „Professor Weber“ an unserer Uni herumgekommen sein. Bei dieser geht es vor allem um die Abwägung, was ein*e Hochschullehrer*in in und teilweise auch außerhalb der Uni äußern darf und was nicht. Daraufhin kam es bisher zu mehreren Demonstrationen und Anträgen in den universitären Gremien. Und genau solche Debatten haben Einfluss auf das geistige Klima an Universitäten. Denn nicht nur die Studierenden waren über diverse Aussagen von Professor Weber empört, sondern auch die Professor*innen unserer Uni.
Passend zur Thematik erschienen im November die Ergebnisse einer Online-Befragung von Hochschullehrer*innen vom Institut für Demoskopie Allensbach. Dabei wurden 1.020 Professor*innen und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen im Zeitraum vom 30. September bis zum 11. Oktober 2021 interviewt. Die Stichprobe unterlag einer Zufallsauswahl aus dem Deutschen Hochschullehrerverzeichnis und dem Mitgliederverzeichnis des Deutschen Hochschulverbandes. Auftraggebende sind der Deutsche Hochschulverband und die Konrad-Adenauer-Stiftung.
Damit ihr euch abseits des Unialltags nicht durch noch mehr Studien quälen müsst, habe ich mir die Ergebnisse der Online-Befragung für euch angeguckt. Die zentralen Punkte sind im Folgenden zusammengefasst, am Ende schließt sich noch eine kleine persönliche Einschätzung von mir an.
Anmerkung: Es handelt sich immer nur um einen Auszug aus den Angaben der Studie. Zudem wurde in der Studie nicht auf eine gendergerechte Sprache geachtet. Dies wurde im Zuge der Aufarbeitung von mir selbstständig verändert.
In der Studie wurden folgende Punkte erfragt:
- Selbstbild und Selbstverständnis der Hochschullehrer*innen
- Diversität
- Was an der Universität erlaubt sein sollte
- Der Druck durch das gefühlte Meinungsklima an den Universitäten
Selbstbild und Selbstverständnis der Hochschullehrer*innen
Es wurde die Frage gestellt: „Was ist in Ihren Augen der Zweck der Wissenschaft, was gehört zu den Aufgaben der Wissenschaft?“
Die Top 3 bei Professor*innen waren:
- Neues entdecken
- Wissen weitergeben
- Wissenschaftliche Erkenntnisse dokumentieren und Wissenslücken schließen
Bei dieser Frage geht es um die mangelnde Distanz: „Hatten Sie auch schon ein oder mehrmals das Gefühl, dass Sie selbst Gefahr laufen, die Distanz zu Ihrem Forschungsobjekt zu verlieren, oder ist das noch nicht vorgekommen?“. 73 % der Befragten gaben an, dass das noch nicht vorgekommen sei – bei 19 % allerdings schon. Interessant dabei ist der Blick auf die Fachgebiete: 33 % der Mediziner*innen gaben an, dass es bei ihnen so ein Distanzverlust vorkomme. Mit den 33 % liegt die Medizin vor den anderen Fachbereichen Geisteswissenschaften, Rechts-/Wirtschafts-/Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften.
Diversität
In dieser Kategorie wurde ermittelt: „Wie wichtig finden Sie ganz allgemein, dass an Ihrer Hochschule ein hohes Maß an Diversität herrscht?“ Auffällig ist, dass Frauen und Männer unterschiedliche Meinungen dazu hatten. 41 % der Frauen hielten Diversität für sehr wichtig, Gleiches galt jedoch nur für 17 % der Männer. Frauen fanden es mit 50 % (Männer: 19 %) wichtiger, dass es Diversität mit einer ausgewogenen Mischung von Männern und Frauen, Älteren und Jüngeren, Menschen unterschiedlicher Herkunft usw. gibt. Gefragt wurde auch nach dem Verhältnis zur Frauenquote. 13 % der Frauen (Männer: 3 %) gaben an, dass eine bestimmte Frauenquote eingehalten werden müsse.
Was an der Universität erlaubt sein sollte
Viele stimmten darüber ein, dass man „[a]ls Westdeutscher über die DDR forschen“ (98 %), „[a]ls Atheist über die katholische Kirche forschen“ (97 %) und „[e]inen prominenten Parteipolitiker an die Universität einladen“ (90 %) dürfe. Überraschend ist vielleicht, dass etwa die Hälfte der Befragten der Meinung war, es wäre in Ordnung, „[d]en Klimawandel zu bestreiten“, 33 % fanden es auch in Ordnung „[d]en Islam als Religion abzulehnen“ und 6 % „[d]as Grundgesetz abzulehnen„.
Interessant ist auch, dass 80 % der Befragten meinten, dass „[s]ich der gendergerechten Sprache verweigern“ erlaubt sein sollte; 17 % waren dagegen. Auch hier gab es einen Geschlechterunterschied: Frauen waren mit 28 % dagegen und nur 13 % der Männer. Allgemein waren Männer mit 61,9 % öfter für „Das sollte erlaubt sein“ als die befragten Frauen.
Druck durch das gefühlte Meinungsklima an den Universitäten
Es wurde außerdem der Frage nachgegangen: „Mit welchen dieser Verhaltensweisen würde man an einer Universität auf erheblichen Widerstand stoßen, egal, ob von den Studierenden oder von der Universitätsleitung?„
Die Top 3 für 2021 waren:
- Das Grundgesetz ablehnen
- Rassenforschung betreiben
- Menschliche Embryonen klonen
Wie steht es um die Political Correctness? 18 % waren 2021 der Meinung, dass „[d]ie Political Correctness verhindert […], dass man bestimmten Forschungsfragen nachgehen kann“. Im Vergleich: 2019/2020 waren es nur 13 %. Das betrifft laut dieser Studie mit 21 % vor allem die Geistes- und mit 26 % die Rechts-/Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.
Eigene Meinung
Viele Ergebnisse scheinen eine*n nicht weiter zu verwundern. Für mich trifft das auf alle Teilbereiche der Studie zu. Das, was ich in meinem Studienalltag bemerke, spiegelt auch diese Studie wider. Manche Dozent*innen sind weltoffen und bedacht, jeden Menschen zu integrieren – andere scheinen hinter ihrem Berg von Publikationen vergessen zu haben, wie man miteinander umgeht und warum es ehrenwert ist, anderen Menschen Wissen zu vermitteln. Auch bin ich der Meinung, dass Dozent*innen an Hochschulen ihre Meinung frei äußern können sollten. Wenn ihre Meinung aber andere diskriminiert, verfassungsfeindlich ist und/oder Falschinformationen enthält, haben diese Menschen ihre Berufung verfehlt. Schließlich soll die Studierendenschaft während des Studiums lernen, wie man richtig mit Informationen umzugehen hat.
Beitragsbild: Michał ParzuchowskiHire auf Unsplash
Sehr interessant, danke!