Studentische Vertreter von vier verschiedenen Jungparteien Mecklenburg-Vorpommerns, aber wenn es um die Situation von Studierenden in Coronazeiten geht, sind die Fokuspunkte die gleichen: Geld, Gesundheit, Ausbau der Digitalisierung, hochschulübergreifende Kommunikation. Forderungen, die über das letzte Jahr so oft vorgebracht wurden, aber immer noch genannt werden müssen, weil sich nichts zu tun scheint oder zumindest nicht schnell genug.
Wenn der Abend des 11.05. etwas gezeigt hat, dann dass wir eigentlich alle das gleiche wollen. Zu einer Diskussionsrunde rund um das Thema „Hochschulpolitik in Coronazeiten“ hatten die Friedrich Naumann Stiftung und die Arno Esch Stiftung studentische Parteimitglieder eingeladen, um über Probleme und Perspektiven der Coronakrise zu sprechen. Beide Stiftungen sind parteinahe Organisationen der FDP, doch für diesen Abend waren Vertretungen aus verschiedenen politischen Richtungen gewünscht, denn Corona betrifft uns alle gleichermaßen. Erschienen sind am Ende Noah Böhringer für die Jungen Liberalen, Hannes Damm für die Grünen, Markus Drewes für die Junge Union und Felix Willer für die Jusos. Vier Parteien und doch blieben erhoffte Diskussionen weitestgehend aus, denn bei den meisten angesprochenen Themen herrschte allgemeine Einigkeit. Vielleicht weil die Diversität aus Parteien und demografischer Verteilung doch zu moderat blieb, vielleicht auch weil der Schwerpunkt für studentische Vertreter*innen nun einmal die Studierenden selbst sind und hier eindeutige Probleme zum Vorschein treten: zu wenig Geld, zu wenig Mitspracherecht, zu wenig Digitalisierung, zu wenig Fokus auf die psychische Gesundheit der Studierenden.
„Wenn Lehrende und Studierende wollen, wenn sie sich bemühen“
Die Coronakrise hat nicht nur neue Probleme aufgeworfen, sie hat auch alte Probleme erst sichtbar gemacht und die Hochschulen dazu gezwungen, diese endlich anzugehen. Als ein zentraler Punkt in der Diskussionsrunde kristallisierte sich daher die Digitalisierung heraus, die jetzt zum ersten Mal wirklich angegangen werden musste. Aber auch im Digitalisierungshimmel scheint nicht alles rosig zu sein: Vor allem darüber, dass die Digitalisierung so lange auf sich warten ließ, zeigte sich unter den Teilnehmenden Unverständnis. Außerdem müsse gemeinsam vorgegangen werden. Gute Ideen hätten wenig Potential, wenn versucht wird, sie an verschiedenen Fronten und auf verschiedene Weisen durchzusetzen.
„Keine Einzelkämpfer“
Ob auch die Kommunikation zwischen den einzelnen Hochschulgruppen und Parteien gut funktioniert hat, darüber herrschte an dem Abend wohl als einziges Uneinigkeit. Den Wunsch nach mehr Vernetzung untereinander teilten aber alle Teilnehmenden. Gemeinsam an Zielen arbeiten, um für deren Umsetzung geschlossen aufzutreten und mehr Mitspracherecht zu erhalten.
„Wo Studierende irgendwo eine Rolle spielen, sollten sie auch mit einem Stimmrecht eine Stimme haben und nicht nur eine Stimme, die man in der Vergangenheit viel zu oft gut und gerne einfach ignorieren konnte.“
– Hannes Damm
Dafür sei es aber auch zwingend notwendig, dass Studierende an Hochschulen – wo sie nicht nur die größte Statusgruppe bilden, sondern ja eigentlich auch mit ihren Bedürfnissen im Zentrum von Interessensfragen stehen sollten – gehört werden. Eine aktive Entscheidungsgewalt würde benötigt, etwas, das nicht zuletzt auch durch ein studentisches Prorektorat erreicht werden könne. So würde sichergestellt werden, dass die Probleme der Studierenden auf direktem Wege zu den entscheidungstreffenden Gremien weitergeleitet werden.
„Bildung darf kein Privileg sein“
Eines der wohl am breitesten diskutierten Probleme an diesem Abend war die finanzielle Situation der Studierenden. Man habe sich im vergangenen Jahr zwar schnell darum bemüht, finanzielle Stützen wie die Überbrückungshilfe oder Kredite aufzubauen, doch diese seien längst nicht ausreichend oder müssten teilweise sogar verzinst zurückgezahlt werden. Und warum solle man sich überhaupt darüber Gedanken machen, wie man arbeitenden Studierenden das Studium erleichtern kann, wenn es doch auch einfach ohne einen Job ginge, sodass sich Studierende voll und ganz auf das Studium konzentrieren könnten?
„Prima, dass es BAföG gibt, aber solange dieses vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist, gibt es Probleme. Gerade jetzt in Krisenzeiten bringt einem der tolle Verdient von 2019 wenig.“
– Kommentar von eine*r Zuhörer*in
Vor allem Hannes Damm und Felix Willer zeichneten ein drastisches Bild von der aktuellen Situation einiger Studierender: Es dürfe nicht sein, dass sich diese weniger auf ihr Studium konzentrieren können als auf die Sorge, was sie sich zum Essen leisten oder wie sie ihren Strom noch zahlen können. Dabei gäbe es bereits eine Lösung: BAföG. Und auch Noah Böhringer und Markus Drewes stimmten zu: Wenn BAföG elternunabhängig gemacht und geöffnet würde, wäre einem Großteil der Studierenden sehr geholfen. Man müsse das Rad nicht neu erfinden, sondern einfach die bestehenden Mittel nutzen, weiter ausbauen und ausfinanzieren.
„Nicht richtig und auch nicht mehr zeitgemäß“
Genauso verhalte es sich mit einem anderen zentralen Problem der Coronakrise: der psychischen Gesundheit der Studierenden. Mehrmals an dem Abend betonte Noah Böhringer, dass ein öffentlicher Diskurs darüber bereits Vieles verbessern könne, es aber auch dringend ausreichend verfügbare Anlaufstellen für Studierende bräuchte, an die man sich wenden kann. Doch auch hier das gleiche Problem, wie Felix Willer hinzufügte: Es gibt sie bereits, die Studierendenwerke und Sozialberatungen, die Hilfe für Studierende anbieten, doch auch hier fehle es an finanziellen Kapazitäten, Räumlichkeiten und Personal. Und die Mängel würden gerade in diesen Zeiten umso offensichtlicher. Während der starke Leistungsdruck an den Universitäten schon immer zu einer hohen Rate an Ängsten und Depressionen unter Studierenden geführt habe, trage das Lernen von Zuhause und die soziale Isolation nur noch mehr zu dieser psychischen Belastung bei.
„Stellt euch mal vor, ihr seid 20 Jahre alt, kommt frisch an die Universität. Schreibt eure Prüfung und aus irgendeinem Grund schafft ihr die Prüfung drei Mal nicht. Und jetzt dürft ihr diesen Studiengang nie wieder belegen, einfach nur, weil ihr damals mit 20 da was verkehrt gemacht habt.“
– Noah Böhringer
Aber auch eine Novellierung des Landeshochschulgesetzes könne Abhilfe schaffen. Es brauche einheitliche Regelungen zu Freiversuchen oder – und auch hier waren sich alle vier Anwesenden einig – eine gänzliche Aufhebung der Prüfungsversuche. Wer studiert, möchte sein Studium wohl früher oder später auch zu Ende bringen. Wenn es aus persönlichen Gründen oder wegen Corona einfach nicht möglich ist, eine Prüfung erfolgreich abzuschließen, dürfe das Resultat nicht sein, dass Studierende ihr Studium gar nicht mehr beenden können. Das verschulte Studium, der festgelegte Stundenplan, der in der richtigen Geschwindigkeit abgearbeitet werden muss, dürfe kein Standard mehr sein. Vielmehr solle das Studium wieder dafür da sein, das zu studieren, was einen interessiert, wann es einen interessiert.
„Fluch und Segen zugleich“
Wie die Coronakrise zeigte auch der Diskussionsabend auf, was an den Hochschulen des Landes eigentlich verändert werden müsse und wie leicht es ginge. Wenn Studierende nur ausreichend Gehör und Mitsprache erhielten. Wenn die bestehenden Systeme ausgebaut und finanziell und personell aufgestockt würden. Aber auch damit könne ein Studium ohne Corona natürlich nicht gänzlich ersetzt werden. Das Betreuungsverhältnis von Lehrkräften, die zwischenmenschliche Kommunikation zwischen Studierenden und Dozierenden und von Studierenden untereinander sei mit digitalen Formaten einfach nicht im gleichen Umfang möglich. Und anders als bei den schleppend aufgebauten neuen Konzepte für Corona, müsse man hier bereits jetzt anfangen, Alternativen für danach zu finden. Für die Zeit, wenn Präsenzlehre zumindest in Teilen wieder möglich ist, wenn man sich mit seinen Kommiliton*innen nach einem Seminar – oder nach einer Diskussionsrunde – einfach mal wieder auf ein Bier oder eine Mate treffen möchte.