Wir alle sind momentan von vielen unserer wichtigsten Freund*innen getrennt. Doch einmal davon abgesehen wissen wir, dass manche Freundschaften diese räumliche Trennung überstehen werden. Von anderen müssen wir uns vielleicht verabschieden. Und bei manchen (ganz besonders wichtigen) Menschen schmerzt uns der bloße Gedanke an eine Trennung. Man schwört sich diese Person nie gehen zu lassen. Das kann man auf die Freund*innen aus der Schulzeit anwenden, auf die Freund*innen, die man im Auslandsjahr in Australien oder während des ERASMUS-Semesters in Norwegen kennengelernt hat. Bei manchen Freundschaften kann man sich die Beziehungsdauer länger vorstellen als beim neusten Crush. Aber wie fühlt es sich an, wenn die engste Zeit der Freundschaft nur auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt ist? So erging es mir während meines Freiwilligen Jahres in Italien, aber auch schon hier in Greifswald. Denn man konnte das „Ablaufdatum“ bereits greifen, da uns in der Zukunft mehrere Länder trennen sollten. Die Freundschaften konnten, meiner Meinung nach, nicht die gleichen bleiben. Aber ist es wirklich schlecht oder einfach der Lauf der Dinge, dass sich Freundschaften verändern? Dies wird meine kleine persönliche Hommage an all die Freundschaften sein, um die man gekämpft hat.

Den größten Teil meiner Freund*innen liebe ich bedingungslos. Mein größtes Glück besteht darin, dass ich immer die besten Menschen kennenlerne. Das resultierende Problem: Umso schwerer fällt es mir, Menschen gehen zu lassen. Auch ich weiß, dass Menschen kommen und gehen. So verhält es sich auch mit engen Freund*innen. Aber es fällt mir nun mal nicht leicht mich von ihnen zu verabschieden und ich trauere ihnen lange nach. Im Falle der folgenden zwei Personen, bei denen mir die räumliche Trennung sehr schwerfällt, ist mir von vornherein klar gewesen, dass die engste Zeit der Freundschaft nur auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt sein kann.

Denn von meiner liebgewonnenen Freundin aus Italien bin schon seit einem halben Jahr getrennt. Es war von vornherein klar, dass ich nur ein Jahr in Italien verbringen würde. Wir haben jeden Tag zusammen gearbeitet, nach der Arbeit einen Kaffee getrunken und sind am Wochenende weggefahren. Als es dann für mich soweit war nach Deutschland zurückzukehren, tat die Trennung schrecklich weh. Und noch heute fehlt sie mir jeden Tag. Obwohl (oder gerade weil) ich ihrem Leben jeden Tag auf Instagram folgen kann. Wir tauschen uns über unser Uni-Leben aus, schreiben uns Postkarten oder schicken uns Weihnachtsgeschenke. Aber worin liegt der Unterschied zu meinen anderen Freund*innen, die auch an anderen Orten studieren? Den Unterschied macht das Land aus, in dem wir uns aufhalten. 1.008 Kilometer trennen uns. Neun Tage würde ich brauchen, um hinzulaufen, drei Tage mit dem Rad, nur elf Stunden mit dem Auto und noch weniger mit der Bahn. Es hört sich machbar an, aber die momentane Corona-Situation verlängert unsere Trennung auf eine ungewisse Zeit. Es bleibt nicht nur die Frage: Wann sehen wir uns wieder? Sondern viel wichtiger ist: Kann es so sein wie vorher? Ich glaube es nicht. Schließlich teilen wir unseren Alltag nicht mehr miteinander, was früher das Kernelement unserer Freundschaft ausmachte. Sie ist und bleibt eine enge Freundin. Aber warum genau? Wegen unseren gemeinsam erlebten Erinnerungen oder weil es mir so vorkommt, als würden wir uns immer noch alles anvertrauen, trotz der Entfernung zueinander?

Una torta con un cappuccino.

Und jetzt gibt es für mich eine neue Wunde zu verkraften. Sie ist noch ganz frisch: Mich hat meine ERASMUS-Mitbewohnerin „verlassen“, als sich der Februar dem Ende neigte. Unsere Freundschaft fing erst nach einem Monat meines Einzuges an, als ich für alle aus der Wohngemeinschaft Kürbis-Muffins gebacken habe. Daraufhin hat sich zwischen uns eine gemeinsame Essenskultur entwickelt, sodass wir zusammen Mittag oder Abendbrot gegessen haben. Beim Essen konnten wir unseren Alltag auswerten und den neusten Klatsch und Tratsch austauschen. Wenn ich gehört habe, dass sie in der Küche ist, bin ich rausgegangen und habe die Chance ergriffen, um mir ein Glas Wasser einzuschenken. Wir wussten in diesem Moment beide, dass ich nur mit ihr reden wollte.

Kleine Geschenke gehörten für uns beide einfach dazu.

Und jetzt ist sie weg. Was bleibt, ist die Stille. Eine unsägliche Stille. Jetzt kann ich nicht mehr ihre Schritte in der Küche hören oder wie sie morgens ihr Porridge zubereitet. Ich bin allein. Und es ist einfach nur still und auch langweilig.

Während sie schließlich auf dem Weg in ihre Heimat gewesen ist, haben wir miteinander geschrieben. Aber schreiben ist doch nicht das gleiche wie ein persönliches Gespräch. Der Lach-Emoji kann leider nicht über das reale Lachen einer Person hinweg trösten. Und das sollte er auch nicht. Aber wie geht es nun mit uns weiter? Bleiben wir in Kontakt oder vergeht die Erinnerung aneinander? Werde ich in zehn Jahren Bilder von uns durchforsten und mich fragen, wie die Person auf dem Foto noch einmal hieß oder wird mir ihr Name sofort einfallen, weil ich sie im letzten Sommer erst besucht habe?

Beide meiner Freundinnen fehlen mir. Die eine schon seit mehreren Monaten, die andere erst seit zwei Wochen. Und bei beiden fühlt es sich für mich wie Liebeskummer an. Es ist eine andere Art von Liebe und eine andere Art von Kummer, wenn ich an den gewöhnlichen Liebeskummer denke. Denn es scheint mir, als wäre bereits ein bedeutender Teil unserer Freundschaft vergangen. Der Teil, als wir jeden Tag miteinander verbrachten. Und ich weiß, dass dieser Teil nie wieder kommen wird. Obwohl sie auf eine gewisse Art und Weise noch da sind und wir im Moment im engen Kontakt stehen. Ich weiß nicht, was aus mir und meinen Freundinnen wird, aber die gemeinsamen Erinnerungen, die werden immer bleiben. Und für diese Freundschaften werde ich kämpfen, denn es fällt mir sehr schwer, die besten Menschen gehen zu lassen.

Bilder: Harli Marten und Maret Becker