Am letzten Tag des Jahres 2020 ist das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union ausgetreten. Ende des Jahres wurde damit auch bekannt gegeben, dass Großbritannien aus dem Programm „Erasmus+“ aussteigen wird. Die bisher wenig konkreten Folgen der Brexit-Abstimmung von 2016 wurden damit plötzlich zur greifbaren Realität, vor allem für Studis, die einen „Erasmus+“-Aufenthalt in Großbritannien geplant hatten.
Bei „Erasmus+“ handelt es sich um ein „EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport“, das unter Studierenden vor allem als Möglichkeit bekannt ist, einen Auslandsaufenthalt innerhalb der EU fördern zu lassen. Das Projekt wurde 1987 ins Leben gerufen und Großbritannien war von Beginn an dabei. Doch weil „Erasmus+“ zu teuer für die UK sei, trat das Land mit dem Brexit aus dem Programm aus. Die Uni Greifswald ist seit 1997 Teil des Programms und hat seitdem rund 280 Partnerverträge mit europäischen Universitäten geschlossen. Darunter sind auch sechs Universitäten in England mit insgesamt 15 Plätzen für Studierende bestimmter Fachbereiche wie beispielsweise dem Studiengang Anglistik/Amerikanistik.
Die aktuelle Situation rund um „Erasmus+“ im Vereinigten Königreich wirft bei vielen Studierenden Fragen auf: Kann der lang ersehnte Auslandsaufenthalt noch absolviert werden? Ab wann gilt die Regelung? Gibt es Alternativen für Greifswalder Studierende? Wir haben bei Nadine Voigt, der Beauftragten für „Erasmus+“ im International Office der Uni Greifswald, nachgefragt, um die Fragezeichen über den Köpfen der Studis zu aufzulösen.
Vor welche Probleme stellt der Austritt Großbritanniens aus dem „Erasmus+“-Programm das International Office?
Als International Office sind wir dafür zuständig, Studierende zu beraten, wohin sie ins Ausland gehen können und die Partnerschaften mit den entsprechenden Universitäten zu pflegen. Das bedeutet, wenn Großbritannien aus dem „Erasmus+“-Programm ausscheidet, gibt es natürlich die Verträge mit den verfügbaren Plätzen nicht mehr und wir müssen nach neuen Austauschmöglichkeiten suchen, die wir interessierten Studierenden anbieten können.
Haben Sie damit gerechnet, dass Großbritannien durch den Brexit aus dem „Erasmus+“-Programm aussteigen wird? Was denken Sie über diese Entscheidung?
Ja, es war abzusehen. Langfristig gesehen stimmt es natürlich, dass Großbritannien aus dem „Erasmus+“-Programm ausscheidet, jedoch wird dies nicht von heute auf morgen passieren. Die gegenwärtigen „Erasmus+“-Verträge werden noch bis maximal März 2023 gültig sein. Studierende können sich also immer noch auf die vorhandenen Austauschplätze bewerben.
Aus meiner Sicht wäre es fatal für Großbritannien, wenn keine Alternativen entwickelt werden, um internationalen Austausch beizubehalten und voranzutreiben. Großbritannien muss darauf achten, die Möglichkeit zu haben, an internationalen Projekten teilzunehmen und somit Teil des internationalen Forschungsnetzwerks zu bleiben.
Wie beliebt war das Vereinigte Königreich als Austauschziel bei den Greifswalder Studis?
Das Vereinigte Königreich gehörte zu den begehrtesten Ländern, die Studierende für Auslandsaufenthalte wählten. Aufgrund der Brexit-Situation gingen schon im Jahr 2019 nur noch halb so viele Studierende nach Großbritannien wie in den Jahren zuvor, einfach weil die Situation vielen zu unsicher war.
Kann man sich jetzt noch einen „Erasmus+“-Platz sichern?
Wie schon gesagt, bleiben die Verträge noch bestehen. Das hat den Vorteil, dass alle Studierenden sich jetzt noch für ein „Erasmus+“-Semester in Großbritannien bewerben können.
Wer im kommenden Wintersemester einen Studienaufenthalt beginnen möchte, kann sich im Januar noch schnell im Fachbereich bewerben. Oder man bewirbt sich dann im Juni auf die ggf. frei gebliebenen Restplätze für das Sommersemester 2022. Für Aufenthalte ab dem akademischen Jahr 2022/23 kann man sich dann im Wintersemester 2021/22 im Fachbereich bewerben.
Haben diejenigen, die bereits eine Zusage vom Programm haben, noch die Möglichkeit, ihren Aufenthalt in Großbritannien wahrzunehmen?
Ja, das haben sie und sie können ihren Aufenthalt wie geplant durchführen. Natürlich müssen hier alle für sich entscheiden, ob sie den Aufenthalt unter den Umständen der Corona-Pandemie durchführen wollen. Großbritannien ist hier quasi gleich zweimal betroffen: Brexit zum einen und Covid-19 zum anderen. Das schafft für die Studierenden natürlich eine große Unsicherheit. Hier empfehlen wir die Informationen des Auswärtigen Amtes zu berücksichtigen und sich auch auf der Website der jeweiligen Wunschuniversität über die aktuelle Lage zu informieren.
Gibt es neben dem „Erasmus+“-Programm noch andere Möglichkeiten, einen Auslandsaufenthalt in Großbritannien vorzunehmen?
Glücklicherweise ja! Welche Optionen es genau gibt, hängt natürlich von der Art des Vorhabens ab.
Wenn Studierende einen Studienaufenthalt planen, besteht im besten Fall eine Kooperation zwischen den Universitäten oder man schreibt sich direkt bei einer Hochschule als Free Mover ein. Derzeit sind wir noch dabei mit den Partnereinrichtungen zu klären, ob wir bilaterale Hochschulverträge schließen können. Das wird sich noch etwas hinziehen. Hier wird es dann auch demnächst die Möglichkeit geben, den Aufenthalt über das Jahresstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) zu finanzieren.
Eine weitere Möglichkeit sind Praktikumsaufenthalte. Hier können Studierende sich entweder auf eine finanzielle Förderung durch das PROMOS-Stipendium bei uns im International Office bewerben. Wird das Praktikum bei einer Deutschen-Außenvertretung (z. B. Botschaft, Goethe Institut) durchgeführt, bewirbt man sich für ein Kurzstipendium beim DAAD. Lehramtsstudierende, die an einer britischen Schule ein Praktikum machen, können sich für das Lehramt.international-Stipendium des DAAD bewerben.
Daneben können sowohl Studiums- als auch Praktikumsaufenthalte über Auslands-BAföG finanziert oder mit anderen Stipendien kombiniert werden. Dies ist besonders praktisch, wenn man an einer Universität studieren möchte und ggf. Studiengebühren anfallen, da Auslands-BAföG bis zu 4.600 Euro übernimmt. Generell sollte jede*r für sich prüfen lassen, ob Anspruch auf Auslands-BAföG besteht, da die Bemessungsgrenzen sich hier zum Inlands-BAföG unterscheiden.
Wird es Alternativen oder einen Ersatz für „Erasmus+“ in Großbritannien geben?
Dazu kann ich leider noch nichts Genaues sagen. Ich gehe davon aus, dass es ein Programm geben wird, wodurch die Umsetzung von Auslandsaufenthalten finanziell unterstützt werden kann. So ist es bspw. auch im Moment mit der Schweiz, wo die Förderung über das Swiss European Mobility Programme läuft. Die Finanzierung kommt hier also vom Zielland und nicht wie bei „Erasmus+“ vom Heimatland.
Wird es in Zukunft weiterhin Kooperationen zwischen der Uni Greifswald und britischen Universitäten geben, um dort einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen?
Ja, ich denke schon. Wie gesagt, wir arbeiten derzeit daran. Wir haben definitiv großes Interesse und auch unsere Partnereinrichtungen haben schon ihr Interesse bekundet. Sobald wir da neue Informationen haben, werden wir natürlich auf unseren sozialen Kanälen und auch auf unserer Website berichten.
Welche englischsprachigen Regionen gibt es, in denen man als Greifswalder Studi noch seinen Auslandsaufenthalt absolvieren könnte?
Also es gibt im Rahmen von „Erasmus+“ natürlich noch die Möglichkeit nach Irland zu gehen. Es gibt zwar derzeit keine Studienmöglichkeiten, aber Praktika lassen sich natürlich ganz einfach über „Erasmus+“ fördern.
Daneben haben wir Hochschulpartnerschaften in Amerika, Kanada und Australien. Am besten einfach mal in unserer Austauschdatenbank stöbern. Auch hier gibt es Finanzierungsmöglichkeiten durch das Jahresstipendium des DAAD, PROMOS oder Auslands-BAföG.
Da jetzt „Erasmus+“-Plätze wegfallen und viele Studis in letzter Zeit aufgrund von Corona nicht die Möglichkeit hatten, einen Auslandsaufenthalt wahrzunehmen: Ist es in Zukunft schwieriger, an einen Platz zu gelangen?
Das kann natürlich sein, dass sich das Bewerber*innen-Aufkommen erhöht und damit die Chancen etwas sinken. Aber das sehen wir dann erst, wenn es soweit ist. Viele schauen sich schon jetzt nach Alternativen um. Hier müsste man die Fühler vielleicht einfach etwas weiter ausstrecken und sich nicht zu sehr auf das Auslandsstudium konzentrieren, auch wenn das natürlich auch einen ganz besonderen Reiz hat. Studierende sollten für sich überlegen, ob nicht auch ein Praktikumsaufenthalt für sie in Frage kommen würde.
Einige Studis müssen für ihr Studium einen Aufenthalt in einem englischsprachigen Land vorweisen und haben fest damit geplant, diesen in Großbritannien absolvieren zu können. Was raten Sie in solchen Fällen?
Wie schon oben erwähnt, müsste man eben auf andere Optionen ausweichen. Studium als Free Mover oder Praktika an Unternehmen oder anderen relevanten Einrichtungen. Es gibt einige Möglichkeiten. Studierende können sich gern bei uns im International Office melden und sich beraten lassen. Derzeit leider nur telefonisch, aber bald dann hoffentlich auch wieder in unserem Büro. 😊
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