Die Impfungen gegen das Coronavirus haben in Mecklenburg-Vorpommern begonnen. Der Landesgesundheitsminister Harry Glawe hält sogar eine Durchimpfung der Bevölkerung in MV bis zum Sommer für realistisch. Aber was für Impfstoffe stehen aktuell überhaupt zur Verfügung und wie funktionieren sie eigentlich? Bei all den Informationen der letzten Wochen und Monate kann man leicht den Überblick verlieren. Deshalb kommt hier der Informationsartikel für diejenigen unter euch, die den Nadelwald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen können.

Was soll die Impfung bewirken?

Das grundsätzliche Ziel einer (aktiven) Impfung ist es, den Körper bereits vor einer Ansteckung mit den wichtigsten Eigenschaften des Erregers „bekannt zu machen“, damit das Immunsystem beim Eintreten einer Infektion das Virus direkt erkennen und sofort spezifische Abwehrmechanismen zur Verfügung stellen kann, wodurch es im Optimalfall gar nicht erst zum Krankheitsausbruch kommt. Bereits sehr früh war im Zusammenhang mit SARS-CoV2 vom sogenannten „Spike-Protein“ die Rede. Dabei handelt es sich um ein Protein auf der Oberfläche der Virushülle, mit dessen Hilfe das Virus an menschlichen Zellen andocken kann. Dieses Protein selbst ist für Menschen zwar nicht schädlich, es ist aber essentiell, damit das Virus in unsere Körperzellen eindringen, sich vermehren und seine schädigende Wirkung in unserem Körper entfalten kann. Ohne das Spike-Protein wäre das Virus machtlos. Dementsprechend war und ist es als wichtige Struktur des Virus der erste Ansatzpunkt für die Impfstoffforschung. Es bietet nämlich vor allem einen Vorteil: Viren sind, wie sich in Großbritannien (und inzwischen auch in Deutschland) aktuell leider eindrucksvoll zeigt, anfällig für Mutationen. Das ist ein Problem, weil die Impfung im Nachhinein nicht einfach so verändert werden kann und somit nie alle Mutationen abdecken wird. Dieses Problem kann aber elegant umgangen werden, indem eine Zielstruktur ausgesucht wird, die unbedingt notwendig für die krankmachende Wirkung des Virus ist. Im Fall von SARS-CoV2 ist das das Spike-Protein. Die Impfung deckt also alle Varianten des Virus ab, die in der Lage sind, die Körperzellen zu befallen. Alle größeren Mutationen, die das Spike-Protein selbst betreffen, sorgen umgekehrt auf natürliche Weise dafür, dass das Virus nicht in die Zellen eindringen kann, wodurch wir nicht mehr krank werden können und sind für die Impfung somit irrelevant. Auf diese Weise soll mithilfe der Impfungen ein möglichst großer Teil der Bevölkerung gegen das Coronavirus immunisiert werden, um die Ausbreitung des Erregers zu verhindern.

Auch verantwortlich für die markante Erscheinung des SARS-CoV2: Das Spike-Protein auf der Oberfläche der Virushülle

Wie kann unser Körper durch die Impfung Immunität aufbauen?

Unser Immunsystem ist in der Lage, körperfremde Strukturen (Antigene) zu erkennen, mit Immunzellen darauf zu reagieren und außerdem selbst passende Proteine (Antikörper) zu produzieren, um einer Infektion entgegenzuwirken. Genau das passiert auch bei der Virusinfektion selbst. Bis im Körper passende Antikörper entwickelt und in großer Zahl gebildet werden können, vergeht allerdings Zeit, die dem Virus die Möglichkeit gibt, sich bis dahin zunächst stark zu vermehren und somit die Krankheitszeichen auszulösen. Deshalb wird bei konventionellen, sogenannten „Totimpfstoffen“ nicht das komplette Virus verabreicht, sondern nur die, für sich genommen unschädlichen, Ziel-Antigene selbst, im Fall von SARS-CoV2 also das Spike-Protein. Daraufhin reagiert das Immunsystem auf dieses Protein, ohne die Gefahr einer tatsächlichen Infektion. Wegen der Immunreaktion kann es in den ersten Tagen nach der Impfung jedoch zu leichten Krankheitssymptomen wie Müdigkeit, Kraftlosigkeit und leichtem Fieber kommen, denn das Immunsystem arbeitet daran, das Antigen abzuwehren und sich auf künftige „Angriffe“ entsprechend vorzubereiten. Es lernt, was bei der Abwehr dieses Mal gut funktioniert hat und kann deshalb bei einer echten Infektion sofort deutlich effizienter reagieren und damit im günstigsten Fall dafür sorgen, dass sich die Viren im Körper gar nicht ausreichend vermehren können, um Krankheitszeichen auszulösen oder sogar an andere Menschen weitergegeben zu werden.
So weit zur Theorie. Von mehreren Unternehmen wird an der Entwicklung solch eines konventionellen Impfstoffs gearbeitet, leider ist es aber gar nicht so einfach, bestimmte Proteine künstlich isoliert herzustellen. Die Entwicklung geeigneter Verfahren ist zeitaufwändig, was gerade aktuell ein besonders wichtiger Faktor ist. Außerdem ist sie gar nicht unbedingt notwendig, weil unserem Körper alle notwendigen Bestandteile zur Produktion von Proteinen bereits selbst zur Verfügung stehen (ein Umstand, den sich übrigens auch das Virus bei einer Infektion zu Nutze macht). Hier kommen nun also zwei weitere, zuletzt sehr medienwirksame, Begriffe ins Spiel, nämlich die „mRNA“ (= messenger ribonucleic acid, deutsch: Boten-Ribonukleinsäure) und die sogenannten „Vektorimpfstoffe“.

Was ist das Besondere an einer mRNA-Impfung?

Anders als die DNA, auf der unsere Erbinformationen im Zellkern permanent gespeichert sind, dient die RNA (die eine Art Kopie kürzerer DNA-Abschnitte ist) im menschlichen Körper nur zur vorübergehenden Informationsübermittlung für ganz spezifische Aufgaben. Im Fall der mRNA ist diese Aufgabe die Weitergabe des Bauplans von Proteinen an die Ribosomen, an denen dann im Zellplasma die Herstellung dieses Proteins erfolgt. Wenn dort menschliche Proteine hergestellt werden, kann man sich die mRNA also wie eine kopierte Anleitung aus einem großen Heimwerkerbuch (der menschlichen DNA) vorstellen, auf deren Grundlage in einer Werkstatt (Ribosomen) dann ein bestimmtes Bauteil hergestellt wird. Bei einer mRNA-Impfung wird den Geimpften ein Bauplan für das Spike-Protein injiziert, der zuvor aus dem Heimwerkerbuch von SARS-CoV2 herausgesucht und dann kopiert wurde. Die körpereigenen Zellen stellen auf der Grundlage dieses Plans das Protein her, wodurch die bereits erwähnte Immunreaktion mit den möglichen leichten Nebenwirkungen in Gang gesetzt wird. Eine große Sorge vieler Menschen ist, dass durch den mRNA-Impfstoff das menschliche Erbgut, also die DNA verändert werden könnte. Übertragen auf das obige Beispiel würde das bedeuten, dass jemand die Anleitung aus einem anderen Buch (körperfremder RNA-Impfstoff) in unser Heimwerkerbuch (körpereigene DNA) schreiben würde. Dafür wäre jedoch ein Stift nötig (ein bestimmtes Enzym, die reverse Transkriptase), der in unserem Körper nicht vorhanden ist, denn wir bauen nur und schreiben nicht. Hinzu kommt, dass die geimpfte mRNA bereits im Zellplasma (an der Werkstatt) wieder abgebaut wird und somit gar nicht in die Nähe der DNA im Zellkern (der Bibliothek) kommt. Daher ist eine Veränderung des Erbgutes durch die geimpfte RNA praktisch ausgeschlossen. Die mRNA kann sich nicht einmal in den menschlichen Zellen vermehren und sobald die geimpfte Menge abgebaut wurde, können daher sogar die ungefährlichen Spike-Proteine nicht mehr hergestellt werden (bis erneut die entsprechende mRNA als Impfung verabreicht wird).
Bei den beiden bisher einzigen in Deutschland zugelassenen Vakzinen „Comirnaty“ (BioNTech/Pfizer) und „Moderna“ (Moderna Biotech) handelt es sich um solche Impfstoffe. Spannend ist, dass diese beiden Vakzine die ersten mRNA-Impfstoffe überhaupt sind, die zur Anwendung an Menschen zugelassen wurden. Da es jedoch keinen Anhalt für eine Gefährdung durch derartige Impfstoffe gibt, war es aufgrund der beschriebenen Vorteile gegenüber konventionellen Impfungen vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis auch für eine andere Krankheit die ersten mRNA-Impfstoffe zugelassen worden wären. Nun ist der Situation geschuldet eben SARS-CoV2 der Pionier in der Impfstoffforschung geworden.

An der Entwicklung einer Impfung sind viele Fachrichtungen beteiligt.

Was ist das Besondere an Vektorimpfstoffen?

Ein Problem bei der Anwendung von mRNA-Impfstoffen ist die Kurzlebigkeit der RNA im menschlichen Körper. Die Impfung würde sofort einfach abgebaut werden und die Proteine könnten nicht hergestellt werden, wodurch eine Immunisierung unmöglich wäre. Um das zu verhindern, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Bei den gerade erwähnten Impfstoffen wird die RNA durch Lipidhüllen (Hüllen aus Fettsäuren) geschützt und kann so in die Zellen gelangen. Ein anderer Weg, das zu erreichen, sind Vektorimpfstoffe. Hier wird die RNA mithilfe gentechnologischer Verfahren in Viren eingebracht, die unschädlich sind. Viele Viren (zum Beispiel harmlose Pockenviren) können den menschlichen Körper nämlich zwar infizieren, sind aber nicht „pathogen“, lösen also durch die Infektion keine Krankheitssymptome aus. Diesen Umstand kann man sich für die Impfung zu Nutze machen, indem die RNA in das Erbmaterial dieser Viren (der Vektoren) eingebaut wird und mit deren Hilfe in die menschlichen Zellen gelangt. Während man den Transportweg der RNA in die Zelle bei den vorher beschriebenen Impfstoffen mittels Lipidhülle mit einer Drohnenlieferung vergleichen könnte, erfolgt die Zustellung bei den Vektorimpfstoffen also eher durch einen (unfreiwilligen) Postboten. Sobald die RNA einmal in der Zelle angekommen ist, unterscheidet sich der weitere Ablauf aber nicht von den bereits beschriebenen mRNA-Impfungen. Nach der Herstellung der Proteine werden sowohl RNA als auch das Vektorvirus abgebaut. Da für die Übermittlung nur unschädliche Viren verwendet werden, sind auch hier die Nebenwirkungen mit denen klassischer Impfungen vergleichbar. Ein Nachteil von Vektorimpfstoffen scheint die in Studien etwas geringere Wirksamkeit der Impfung zu sein, die auf einer Immunreaktion gegen das Vektorvirus bei der Auffrischungsimpfung beruhen könnte. Dadurch könnte die Aufnahme der RNA in die Körperzellen bei der zweiten Impfung gestört werden.
In Deutschland sind gegen SARS-CoV2 bisher noch keine Vektorimpfstoffe zugelassen, es wird aber auf die Zulassung der Präparate „AZD1222“ (AstraZeneca/University of Oxford) und „Ad5-nCoV“ (CanSino Biological inc./Beijing Institute of Biotechnology) hingearbeitet. „Sputnik V“, der erste (in Russland zugelassene) Impfstoff gegen SARS-CoV2, ist ebenfalls ein Vektorimpfstoff. Bereits vor der COVID-19-Pandemie wurden übrigens zwei Vektorimpfstoffe zugelassen, sie sollen Schutz vor dem Dengue-Fieber und Ebola bieten.

Wie geht es den Menschen, die bisher in Deutschland geimpft wurden?

Nach aktuellem Stand haben in Deutschland bereits über 800.000 Menschen (also etwa 1% der deutschen Bevölkerung) die erste Impfdosis gegen SARS-CoV2 erhalten. Im Zuge der Impfungen wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 325 Verdachtsfälle von möglichen Nebenwirkungen übermittelt, von denen 51 schwerwiegend waren. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Nebenwirkungen mit etwa 0,04 %, bzw. 0,0064 % einen sehr kleinen Teil der Geimpften ausmachen und bisher zudem kein kausaler Zusammenhang zwischen der Impfung und den Krankheitssymptomen nachgewiesen werden konnte. Insgesamt zeigt sich bis jetzt also kein erhöhtes Risiko durch eine Impfung. Wie es einer der ersten in Greifswald geimpften Personen gut zwei Wochen nach der ersten Impfdosis geht, erfahrt ihr morgen im Interview, natürlich hier auf dem webmoritz.!

Für diejenigen, die sich noch weiter zum Thema Impfungen informieren möchten, bieten sich folgende Anlaufstellen an:
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat auf seiner Internetseite eine ausführliche Zusammenfassung zu Impfungen im Allgemeinen bereitgestellt.
Das Robert-Koch-Institut bietet eine umfangreiche Sammlung von Informationsmaterial zu den SARS-CoV2-Impfungen auf seinem Online-Auftritt.

Titelbild: mohamed_hassan
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