Es weihnachtet sehr, auch in Greifswald – und besonders bei den moritz.medien. Mit dem advents.kalender geben wir Euch weihnachtliche Tipps, Tricks, Erfahrungsberichte, Rezepte uvm. für die Adventszeit. Öffnet jeden Tag ein Beitrags-“Türchen”! Im heutigen Türchen: die Kartoffelsalat-Frage.
Wie das Rezept für einen ehrwürdigen, geheimen Hexentrank wird bei uns auch das für den weihnachtlichen Kartoffelsalat von Generation zu Generation in der weiblichen Linie der Familie weitergegeben – von Oma zu Mama und jetzt zu uns. Niemand sonst weiß, was genau und wie viel von allem dazu gegeben werden muss, niemand sonst kennt die Koch- und Ziehzeiten, die nötig sind. Niemand sonst darf es wissen. Kartoffelsalat ist heilig, ist eine Kunst für sich, über die man sich von Familie zu Familie streiten könnte. Kartoffelsalat ist Tradition und Pflicht an Heiligabend für viele Haushalte in Deutschland, genauso wie die dazugehörigen Würstchen. Aber warum überhaupt?
Dass es den Brauch mit den Kartoffeln und der Wurst schon eine ganze Weile gibt, scheint naheliegend, immerhin hat er sich so weit verbreitet, dass heute kaum jemand noch nicht einmal davon gehört hat. Kartoffelsalat – also im weitesten Sinne geschnittene Kartoffeln angereichert mit Zwiebeln oder Gurken und mit Brühe oder Essig übergossen – gibt es in Europa sicher schon, seit die Kartoffel sich in der Küche etablierte. In Deutschland wurde das südamerikanische Gemüse im Laufe des 17. Jahrhunderts eingeführt, aber erst unter dem Preußischen König Friedrich II. (1740-1786) baute man Kartoffeln auch landwirtschaftlich an.
1858 zumindest scheint sich der Kartoffelsalat schon so weit verbreitet zu haben, dass er im Pfälzer Kochbuch aufgeführt wird – allerdings nicht unter dem Unterpunkt „Salate“ sondern unter „Warme und kalte Beilagen zum Rindfleisch“. Als eigenständiges Gericht ist er also – zumindest im Pfälzer Raum – noch nicht bekannt. Die Zubereitung aber ist ähnlich. Kartoffeln, Äpfel, eingelegte Gurken, Rotrüben (eine alte Bezeichnung für Rote Bete), Zwiebeln und Schalotten, Fleischbrühe und Essig. Aber ein Unterschied fällt auf – statt Wurst werden als Fleischbeilage Sardellen in den Salat gegeben.
Fisch zu Heiligabend ist auch schon wesentlich länger Tradition. Genauso wie der Kartoffelsalat hat sich der Fisch wohl aus mehreren ähnlichen Gründen behaupten können, die alle mit der besonderen Bedeutung des Weihnachtsfests zu tun haben. Denn früher war vor Weihnachten – so wie auch im Frühling vor Ostern – eine Fastenzeit angesetzt, die neben der religiösen Konnotation auch einen einfachen praktischen Nutzen hatte. Der Winter ist keine Erntezeit, und wenn es an Nahrung nur noch die Reserven aus Sommer und Herbst gibt, muss eben bis zum nächsten Frühjahr weniger konsumiert werden. Hungern um nicht zu verhungern. Weihnachten und Ostern waren dabei besondere Ausnahmen, denn durch die Feste durfte an diesen Tagen ordentlich geschlemmt werden. Zu Weihnachten allerdings erst am 25. Dezember – der 24. war weiterhin Arbeits- und damit auch noch Fastentag. Also musste ein nicht allzu üppiges Gericht her, dass irgendwie noch mit der Fastenzeit zu vereinbaren war. Kartoffelsalat war geboren. Zudem ließ sich das spärliche Essen auch gut mit der religiösen Vorstellung der ärmlichen Umstände von Jesu Geburt vereinbaren, oder mit den bäuerlichen Hirten, die Jesus an Heiligabend in der Krippe vorfanden.
Später wurden oft andere Gründe angegeben, warum sich der Kartoffelsalat und vor allem auch das obligatorische Würstchen so weit verbreitet hat. Die Zubereitungsdauer. Einen Kartoffelsalat selbst herzustellen, erfordert zwar gerne mal einige Stunden, das wichtigste aber: er lässt sich vorbereiten und danach gut aufbewahren. Das war vor allem in nicht allzu lang vergangenen Zeiten notwendig, als der 24. Dezember nur ein halber Feiertag war (wie es auch heute in einigen Berufsfeldern noch gehandhabt wird) und daher den Vormittag noch gearbeitet werden musste. Nachmittags waren dann vor allem Weihnachtsvorbereitungen und später am Abend oder in der Nacht der Kirchbesuch angesagt. Für ein ausgiebiges Kochen blieb da nicht mehr viel Zeit. Den Kartoffelsalat konnte man einfach fertig aus der Speisekammer holen und ein paar Würstchen – kalt oder schnell aufgewärmt – dazu servieren. Damit hatte man immerhin genug Proviant angefressen, um die Christmesse gut zu überstehen.
Aber egal aus welchen Gründen man sich letztendlich für Kartoffelsalat und Würstchen entscheidet – heute ist beides von vielen Heiligabend-Esstischen genauso wenig wegzudenken wie Tannenzapfen und Kerzen als Dekoration und die alljährlichen Familienstreitigkeiten.
Beitragsbild: Till Junker
bearbeitet von: Anne Frieda Müller