Am 20. September, zeitgleich zum Klimakabinett in Berlin und einen Tag vor dem Beginn des UN-Klimagipfels in New York, streiken in mehr als 500 Städten in Deutschland und überall auf der ganzen Welt alle Generationen zusammen, um ein Zeichen für eine umweltfreundlichere Zukunft zu setzen. Auch moritz ist für euch live dabei. Mit diesem kleinen moritz.klimaticker halten wir euch auf dem Laufenden.

Mit ein paar Bildern und Livestreams auch auf Instagram: https://www.instagram.com/moritz.medien/

10:00

Um 10:10 geht es am Mühlentor los. Bei einer ersten Rede wird über das GroKo-Klimakabinett und den UN-Klimagipfel berichtet. Aber auch die Schattenseiten müssen erwähnt werden: Abholzungen in Nepal, um neue Häuser zu bauen, brennende Wälder in Brasilien und Indonesien, weitere Handelsverträge mit Brasilien für Tierfuttermittel – auch dafür werden Wälder gerodet. Trotzdem gibt es Hoffnung. Auch das Publikum zeigt das mit lautem Jubel.

Nach dem Redner von FFF tritt Unser Land Schafft Wandel nach vorn. Sie betonen, dass beim Streik nicht nur nach der Legitimität gefragt werden darf. Streik ist zwingend notwendig, wenn es noch eine Zukunft geben soll. Wieder Jubel aus der Menge.

Auch Klimagerechtigkeit wird thematisiert. Es ist nicht fair, wenn diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben (die junge Generation und der globale Süden) am meisten darunter leiden müssen.

Die Forderungen für eine bessere Zukunft: Kohleausstieg bis 2030 und eine Nettonull bis 2035. Aber es bleiben nur noch 8 Jahre, um wirklich etwas zu erreichen. Der heutige Tag kann dabei ein echter Wendepunkt in der Klimapolitik werden. Wir sind Teil einer globalen Bewegung – nie zuvor hat es so einen großen Streik gegeben wie jetzt, und wir sind dabei.

Bild: Veronika Wehner

10:30

Auch die Agrarwirtschaft ist ein wichtiger Themenpunkt. Die Menge an Fläche, die Greifswald zur Verfügung hat, soll gemeinnützig und verantwortlich verpachtet werden. Am 4. November soll dazu in der Bürgerschaft eine Entscheidung zur Landvergabe getroffen werden. Die Petition dafür wird gerade eingereicht.

Um etwa 10:35 setzt sich der Zug in Bewegung Richtung Europakreuzung und auf den Hansering. Die Straße ist nur in eine Richtung gesperrt. Auf der anderen Seite stehen die Autos im Stau mit laufendem Motor.

Die Menge skandiert: Hopp, hopp, hopp, Kohlestopp!

Bild: Veronika Wehner

Im hinteren Teil des Zugs herrscht eher Sonntagsspaziergangstimmung. Man hält ein Schwätzchen in den Abgasen der Gegenfahrbahn. Ein paar Schüler*innen rufen den Autos zu: Autofahren ist scheiße! Der Zug hat vorne schon den Museumshafen erreicht. Hinten ist er noch am Hansering-Parkplatz.

Bild: Jonathan Dehn

Ein paar internationale Fakten: Die geschätzten Zahlen der Streikenden in Sydney reichen von 80.000 bis 200.000. In anderen Städten der Welt wie Kuala Lumpur (Malaysia) wird der Streik erst morgen am 21. September stattfinden, aber auch dort wird mit einer erheblichen Zahl an Demonstrierenden gerechnet. In Thailand, Indonesien oder auf den Solomon Inseln wurde bereits gestreikt. Auch online sind viele aktiv, sowohl Leute auf der Straße selbst und die, die es nicht zu Demonstrationen schaffen konnten. Es ist nicht mehr unsere Aufgabe, die Kinder zu retten, schreiben einige. Die Kinder retten uns.

11:00

Der Zug ist jetzt auf dem Weg in die Innenstadt über die Steinbeckerstraße. Am Fischmarkt werden weitere Redebeiträge erwartet. Die Streik-Sprüche sind mittlerweile vielfältig. Es wird jetzt lautstark Scheuer feuern, Kerosin besteuern! gerufen. Ein Schüler hält ein Schild in der Hand: Früher war der Fisch in der Packung, heute ist die Packung im Fisch. Eine Begegnung am Rand: Zwei Menschen mittleren Alters fallen sich in die Arme -„DAS ist aus den Montagsdemos in Greifswald geworden!“

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11:10

Der Zug hat die Lange Straße passiert. Die ganze Demo reicht von dort aus bis zur Wollweberstraße am Rubenowplatz. Angeführt wird die Menge von Schüler*innen im Alter zwischen 8 und 15 Jahren. Auch einige Babys nehmen teil.

Bild: Veronika Wehner

Klima-Aktivistin Luisa Neubauer schreibt auf Twitter:

Wir streiken heute an unfassbaren 575 Orten in Deutschland. Das gab es noch nie. Seid ihr heute dabei, wenn wir Geschichte schreiben? Alle Streiks sind auf fridaysforfuture.de zu finden. Wir zählen auf euch alle. #GlobalClimateStrike

Der Zug erreicht langsam den Fischmarkt, wo die nächste Kundgebung stattfinden wird. Im Rathaus wird gerade geheiratet. Sicher ganz klimafreundlich.

In der moritz.medien Instagram Story wird in Kürze wieder live zugeschaltet.

Bild: Jonathan Dehn

Die Moorschützer*innen steigen in den Brunnen, begleitet von Moor muss nass!-Rufen. Manche von ihnen tragen Gummistiefel, aber nicht das Privileg haben nicht alle. Moor muss wohl auch kalt. Voller Einsatz für den Klimaschutz.

Bilder: Veronika Wehner, Bearbeitung: Julia Schlichtkrull

11:30

Der Zug hat jetzt vollständig den Fischmarkt erreicht. Es wird eine Rede gehalten, aber durch die Größe der Demonstration und wegen fehlendes Megafons etc. ist es schwer, die Worte überall verstehen zu können.

Um Fünf Vor Zwölf ist mit allen Kirchen in Greifswald ein Klima-Läuten geplant. Um die Leute noch die nächsten 5 Minuten bei Laune zu halten, soll bis dahin eine Menschenkette gebildet werden, vom Fischmarkt bis zum Mühlentor. Da man eigentlich mit 400 Teilnehmenden gerechnet hat, wäre dieser Zug gut aufgegangen. Mit 1500 Demonstrierenden sind es aber doch ein paar mehr geworden. Bis zum großen Klima-Glockengeklingel soll die Kette stehen.

12:00

Die Menschenkette hat ein paar kleine Löcher. Die Glocken haben kurz gebimmelt, aber das war auch schnell wieder vorbei. Wir warten ab, ob sich noch etwas ergibt. Geplant war, dass das Ende des Glockenläutens mit einer La Ola Welle der Menschenkette besiegelt wird. Aber kein Läuten keine La Ola? Wir warten ab.

Auch in Bergen (Norwegen) geht es langsam los. Die erste Rede beginnt, und es wird dazu animiert, dass auch Demonstrierende eigene kurze Reden halten können, wenn sie etwas zu sagen haben. „Wir sind vielleicht nur wenige, aber weltweit sind wir sehr viele!“

Bild: Lena Schröpl

Der Greifswalder Livestream auf Instagram wird an dieser Stelle erst einmal beendet, aber dafür sollte Berlin bald übernehmen, wo die Demo um 12 Uhr gestartet ist. Bleibt also gerne dabei.

Nach der Menschenkette sollten die Leute eigentlich alle wieder zum Fischmarkt zurückkommen, um dort der letzten Rede der Veranstaltung zuzuhören, aber es sind weniger als zuvor. Auch die Glocken haben noch nicht wirklich geläutet. Es gib wohl einige Organisationsprobleme. Vielleicht wurden die Kirchenglocken schon vom Klimawandel lahmgelegt? Es bleibt spannend.

Bilder: Lena Schröpl, Bearbeitung: Julia Schlichtkrull

In Bergen werden die ersten Parolen gerufen. In Berlin sind zurzeit viel mehr Leute als erwartet (genauere Schätzungen stehen noch aus). Der gesamte Platz vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule ist komplett gefüllt. Bilder, wie man sie erst im Mai auf der Artikel 13 Demo gesehen hat. Daumen drücken, dass die vielen lauten Stimmen dieses Mal mehr erreichen können.

In Greifswald bedanken sich die Organisator*innen noch einmal auf einer letzten Rede bei allen, die gekommen sind und bei denen, die geholfen haben. Bevor der Regen anfängt, werden die Demonstrierenden nach Hause verabschiedet. Es waren trotz der kleinen Organisationsprobleme dennoch zweieinhalb bewegende Stunden. Die Greifswalder moritz.Demonstrant*innen geben ab an Berlin und Bergen.

12:40

In Bergen steht nur eine kleine Menge von Klimaaktivist*innen auf der Straße, aber man versucht mit allen Mitteln – Parolen und Gesänge – gegen die geringe Zahl und das Regenwetter vorzugehen.

Zum Ende des Streiks in Greifswald wurde noch einmal an die Week for Climate erinnert, die sich über die gesamte nächste Woche erstrecken wird. In diesem Rahmen sind mehrere kleine Veranstaltungen und weitere Demos geplant, so zum Beispiel morgen (21.09.) um 11 Uhr in Stralsund auf dem Alten Markt und nächsten Freitag in Schwerin. Auch auf den Wettbewerb im Gruppendrücken (ein Reanimationskurs organisiert von der Uni Medizin), der morgen um 14 Uhr auf dem Markt stattfindet, wird noch mal hingewiesen. Mit den Worten „Wir kämpfen weiter“, die von einigen Demonstrierenden aus der Menge wiederholt werden, wird die Klima-Demo in Greifswald aufgelöst.

Eindrücke aus Bergen (Bilder: Lena Schröpl). Hier geht die Demonstration noch weiter, zwar nicht ganz so zahlreich, aber dafür genauso motiviert. Viele der Lieder und Parolen werden von unserer Redakteurin vor Ort initiiert, und die Leute nehmen es gerne an. Mit einem Megafon wird der Menge zugerufen: „What do we want? — When do we want it?“, während die Leute mit lautem „Climate Justice!“ und „Now!“ darauf antworten. Trotz kleiner Teilnehmerzahl und Regen ist die Botschaft klar und deutlich.

13:00

In Berlin ist das Alter der Demonstrierenden durchwachsen, sowohl Jung als auch Alt ist gekommen, um sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Begleitet wird das Ganze durch laute Protestrufe und eingängige Bässe. Die Redner*innen sprechen von politischen Morden an Umweltaktivist*innen, und fordern die Anerkennung von Klimawandel als Fluchtursache. Es wird verdeutlicht, dass wir auf Kosten der Umwelt leben und die Ressourcen sind bereits zu großen Teilen verbraucht.

Auch Carola Rackete (Kapitänin der Sea Watch 3) hält eine Rede, sie möchte aber nicht als Seenotretterin sondern als Klimaaktivistin sprechen. Sie redet von ihrer eigenen Erfahrung, als sie am Nordpol stand und ihr zum ersten Mal die Konsequenzen unserer Lebensweise bewusst wurden. Sie vergleicht das Gefühl, wenn sie zusieht, wie unsere Welt langsam stirbt, mit dem Verlust eines geliebten Menschen.

Durch Konsum und Übernutzung zerstören wir sowohl als Individuen, aber auch vor allem in unserem Wirtschaftssystem die Erde. Wut auf die Verantwortlichen zu verspüren, ist dabei völlig normal. Aber es ist auch wichtig, die aktivien Demonstrierenden zu loben, die seit einem Jahr konsequent für FFF auf die Straße gehen. Mit Nachdruck betont Rackete:

Wir leben in einem Zeitalter der Konsequenzen. nicht zu handeln hat dramatische Folgen. Die Welt wird sich drastisch verändern.

13:30

In Bergen wird nach eineinhalb Stunden die Demo beendet. In der Schlussrede wird dazu aufgerufen, aktiv zu werden, weil es nicht ausreicht nur zu den Freitagsdemonstrationen zu gehen. Außerdem werden wir daran erinnert, dass es traurig sein kann, sich über den Zustand der Welt informieren zu müssen und dass es auch wichtig ist, auf sich selbst aufpassen.

Bild: Lena Schröpl

In Berlin befindet sich die Demo immer noch am Brandenburger Tor, aber es stehen immer noch Reden an, die gehalten werden sollen. Die Zahlen der Teilnehmenden werden auf über 80.000 Menschen geschätzt, die sich bis zur Friedrichsstraße erstrecken. Trotzdem ist die Menge erstaunlich ruhig – alle hören gebannt zu.

Unser moritz.Demozug bewegt sich jetzt nach Cottbus. Auch hier hat die Demo um 13 Uhr begonnen. Die Menge von ungefähr 300 Leuten wird begrüßt und die Versammlung eröffnet. Es gibt einen ersten Redebeitrag. Es geht um die Landtagswahlen, die jetzt durch sind. Das Ergebnis ist ernüchternd für die Menschen, die sich für das Klima stark machen. Forderungen von FFF zur Landtagswahl werden wohl größtenteils unbeachtet bleiben. „Die Klimafrage sollte keine Frage sein, die die Menschheit spaltet, sondern die die Menschheit eint.“

Von Kindern, die gerade das Grundschulalter erreicht haben, bis zu Menschen mit weißem Haar ist auch in Cottbus alles vertreten. Ein junges Mädchen, Helena, tritt vor und hält eine Rede.

Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass ein AfD-Mensch herumrennt und „unwissenschaftliche Klimaquizze“ verteilt. Sowas ist hier nicht gern gesehen und hat hier nichts zu suchen. Jubel aus der Menge. Außerdem soll Lars Schieske, Landtagsabgeordneter der AfD, anwesend sein. Er wird mit einem warmen „Buuh!“ begrüßt.

Auch eine ältere Dame tritt vor und hält eine Rede. Sie ist Mitglied einer Friedensbewegung und weist darauf hin, was für ein Klimatöter Krieg eigentlich ist. Selbst in Friedenszeiten wäre der CO2-Ausstoß durch Waffen, Panzer etc. enorm hoch.

13:40

In Berlin setzt sich der Klimazug langsam in Bewegung, während sich der in Bergen langsam auflöst.

Bilder: Lena Schröpl, Leonie Lorenz, Bearbeitung: Julia Schlichtkrull

In Cottbus stammt der nächste Redebeitrag von der Internationalen Jugend. Es wird darauf hingewiesen, wie alle Parteien während des Wahlkampfes versucht haben, aus dem Klimathema Profit zu schlagen, selbst die AfD, die sonst eher für Klimawandelleugnung steht.

Der nächste Redebeitrag stammt von einem Mathematiker der BTU (Brandenburgische Technische Universität). Er ist eher durch Zufall dazu gekommen, am Klima zu forschen, als er bei Eisvermissungen in der Antarktis beteiligt war, und er hat dabei Erschreckendes festgestellt. Das Indlandeis schmilzt, und der Prozess beschleunigt sich zunehmend. Als Mathematiker stellt er eine simple Rechnung auf: Bei mehr als 7 Milliarden Menschen muss man gar nicht darüber nachdenken, ob der Klimawandel menschlichem Einfluss unterliegt. Der Faktor ‚Mensch‘ ist einfach zu groß. Er freut sich aber über die vielen jungen Menschen, die zwar jetzt die Suppe auslöffeln müssen, aber sich dafür auch so aktiv beteiligen. Er stellt ihnen die Aufgabe, daran zu forschen, wie Energie gewonnen werden kann, ohne fossile Energieträger zu verbrauchen.

Wer sein Klima-Wissen auch einmal unter Bewis stellen möchte: Das Quiz der AfD findet ihr hier:

Die dazugehörigen wissenschaftlich geprüften Antworten hier von Harald Lesch und dem Klimaforscher Prof. Stefan Rahmstorf: https://www.youtube.com/watch?v=pxLx_Y6xkPQ&feature=youtu.be

15:00

Die Demo in Cottbus ist jetzt nach ein paar erfolgreichen Klimastreik-Stunden zu ihrem Ende gekommen. Auch unsere Redakterinnen aus Berlin verabschieden sich langsam, während die Veranstaltung aber noch eine Weile weitergehen wird. Livestreams waren leider aufgrund von Internetproblemen nicht mehr möglich, dafür wollen wir euch aber hier zum Schluss noch einmal ein paar Eindrücke aus beiden Städten verschaffen:

Eindrücke aus Cottbus (Bilder: Olivia Schuster)

Eindrücke aus Berlin (Bilder: Sophie Loebjinski)

Ein riesiges Dankeschön an die vielen Helfer*innen und Organisator*innen und an alle, die auf der Straße überall in Deutschland und rund um die Welt mit dabei waren! #allefürsklima

Nachtragung zu den Zahlen: Obwohl in Berlin um die 80.000 Demonstrierende erwartet wurden, soll der Streik laut Veranstalter am Ende wohl auf ganze 270.000 Teilnehmer*innen gekommen sein. In Greifswald gehen die Schätzungen der Polizei von etwa 1.500 Klimaaktivist*innen aus.

Beitragsbild: Veronika Wehner