Der Grünen-Politiker Johann-Georg Jaeger gilt als Vorreiter der Wind-Energie in Mecklenburg-Vorpommern und betreibt selbst südlich von Rostock einige Windkraftanlagen. Vergangenen Freitag lud er zu einer Winradbesteigung ein.
Der Treffpunkt findet sich wie gewöhnlich am Bahnhof an der Osnabrücker Straße. Per Fahrgemeinschaft geht es zu elft zum Windpark Mistorf. Das liegt in der Nähe von Lüssow, was wiederum in der Nähe von Güstrow liegt. Dies befindet sich südlich von Rostock (Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland). Unter einem über 200 Meter hohen Windrad stehend erklärt Jaeger die Besonderheiten der Anlage. Die E82 ragt 138 Meter in den Himmel, ein Rotorblatt misst 82 Meter und streckt sich demnach über 200 Meter hoch der Sonne entgegen. Sie leistet 6 mW und kann bei einem durschnittlichen Verbrauch von 3000 kWh 2000 Haushalte mit Strom versorgen. Das 18 Quadratmeter einnehmende Fundament reicht 1,8 Meter in die Tiefe und wiegt 1000 Tonnen, darauf wächst der aus Betonschalen zusammengefügte Turm. „Das ganze funktioniert wie ein Stehaufmännchen: Durch das enormge Gewicht des Fundaments und der unteren Turmelemente ist die Konstruktion stabil genug für die gewaltige Kraft der drehenden Rotoren“, erläutert Jaeger.
Jede*r Teilnehmer*in bekommt Kletterequipment ausgehändigt: Schulter- und Beingurte, die mit einem Läufer verbunden werden, dazu ein Helm und Handschuhe. Das Windrad, das wir besteigen, ist ein älteres Modell: Es misst nur 80 Meter, die Rotoren strecken sich über 37 Meter. Am Leiterfuß hakt jeder seinen Läufer in ein Drahtseil ein, das einmal von oben nach unten durch das Windrad läuft. „Wenn ihr abstürzt, bleibt ihr am Drahtseil hängen und könnt mithilfe des an eurem Rückengurt befestigeten Rings gerettet werden. Dazu bleiben uns ungefähr 20 Minuten, dann ist zu viel Blut in den Beinen gelandet, um das Gehirn ausreichend zu versorgen.“ Jaegers Augen blitzen schelmisch, dann beginnt der Aufstieg. Mit dem Rücken an die Turmwand gepresst, kann man theoretisch ohne Nutzung der Hände auf den Sprossen nach oben wandern. Innen herrschen bestialisch heiße Temperaturen, oben sind alle schweißgebadet.
Doch die Mühen sind schnell vergessen, als Jaeger die Gondel öffnet. Wie bei einem Spaceshuttle gleiten die Halbschalen auseinander und offenbaren den Blick über die weiten Wiesen der Region. Besonders spannend wird es noch einmal, als Jaeger die Bremse des Windrades löst: die riesigen Rotoren beginnen sich erst langsam und dann immer schneller zu drehen, die Geräuschkulisse ähnelt einem startenden Flugzeug. Das Windrad erreicht schnell die maximale Umdrehungsgeschwindigkeit von 16 Umdrehungen pro Minute. Obwohl sich die Nabe scheinbar langsam dreht, sind die Rotorenspitzen auf 220 km/h beschleunigt worden. Über ein Getriebe wird mit 1600 Umdrehungen noch in der Gondel in einem Generator netzfertiger Strom erzeugt, der sofort eingespeist werden kann. Dann bringt Jaeger das Rad mit der öldruckgesteuerten Feststellbremse wieder zum Stehen, die Rotoren verzögern, die Gondel schaukelt und ruckelt hin und her. In 80 Meter Höhe raunen manche ein wenig verängstigt. Dann geht es auch schon wieder abwärts, weiteres Schwitzen und fröhliches Lachen in der abfallenden Aufregung. Unterwegs bewundern wir die Schrauben, mit denen die einzelnen Turmsegmente untereinander verbunden sind: 4600 nM. Zum Vergleich: Die Radmuttern am Auto werden mit 120 nM angezogen. Unten angekommen verabschieden sich alle Teilnehmer unter begeisterten Dankesbekundungen von Johann-Georg Jaeger und fahren in Windeseile in die Heimat zurück.
Natürlich erzählte der Grünen-Politiker noch viele andere spannende Impressionen zur Windkraft: Vor- und Nachteile, Chancen und Perspektiven, Natur- und Tierschutz sowie Zukunftsaussichten. Außerdem funktioniert die Mistorfer Anlage nach dem Solidarprinzip und beteiligt die umliegende Standortgemeinde am Gewinn. Wie genau das funktioniert, wie sich Vogelschutz und grüner Energiebedarf in Deutschland vereinbaren lassen und welche Rolle Jaeger bei dem Ganzen spielt, lest ihr im übernächsten moritz.magazin!
Bilder: Jonas Greiten