Ein Gleiswärter erschlägt einen asylsuchenden Mann, der eine Frau bedrängt. Nach der ersten Szene ist die Rahmenhandlung von „Weißer Raum“ komplett. Auch deshalb lohnt sich der Besuch.

Die Inszenierung des Theaters Vorpommern bietet ein gutes, kreatives Schauspiel, bequeme Sitze, vor allem aber eine Chance, sich mal zurückzulehnen und über Fremdenfeindlichkeit nachzudenken. Lars Werners eigentliche Erzählung in „Weißer Raum“, für die der Autor 2018 mit dem Kleist-Förderpreis ausgezeichnet wurde, ist eine geschickt unterschwellige Antwort auf die Frage, warum es Fremdenhass gibt.

Die beinahe klischeehaft naturalistisch inszenierte Handlung soll durch schnelle Szenen-, Orts- und Zeitwechsel sowie ein beeindruckendes weißes, abstraktes Bühnenbild entfremdet werden. Das Publikum soll so angeregt werden, die Handlungsmotive der Charaktere zu ergründen, während mehr oder weniger subtile Hinweise gegeben werden.


Uli trifft auf die Journalistin Marie, die er vor einem vermeintlichen Angreifer gerettet hat. Marie stellt jedoch unangenehme Fragen…

Das Konzept funktioniert. Der weiße Raum wird gut ausgespielt und die Schauspieler*innen geben eine überzeugende Vorstellung – obwohl es manchen Rollen dann doch an nachvollziehbarer Motivation fehlt. Während sozioökonomische Faktoren und Geschlechtsidentität (zu Recht) vom Stück in eine starke, zentrale Position gerückt werden, spielen rassistische Ideologie und nationale Identität überraschender Weise kaum eine Rolle. Die Perspektive des erschlagenen Mannes bleibt ebenfalls außen vor, was die Relevanz des Stückes leider etwas herunterspielt. Das vom Autor und der Theatergruppe selbstgesteckte Ziel, Zuschauer*innen zum Nachdenken anzuregen, wird jedenfalls auf gutem Weg erreicht.

Im Anschluss an die Aufführung gibt es Publikumsgespräche, in denen die Zuschauer*innen und Schauspieler*innen ihre Perspektiven und Gedanken teilen können. Alles in Allem ist die Inszenierung von „Weißer Raum“ ein Musterbeispiel dafür, warum Theater noch immer relevant ist.

„Weißer Raum“ wird in Greifswald am 25.05. noch einmal aufgeführt.

Beitragsbilder: © Vincent Leifer, Theater Vorpommern