Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch eine Guilty Pleasure des ein oder anderen.
Dieses Mal mit dem Thema: Bibi Blocksberg/Benjamin Blümchen

Über die folgende Hörspielreihe schreibt die Bundeszentrale für Politische Bildung, sie habe aus politikwissenschaftlicher Sicht keineswegs das Prädikat „wertvoll“ verdient, da sie ökologisch, postmaterialistisch, basisdemokratisch, kritisch, zivilcouragiert, pazifistisch, sozial, antikapitalistisch, egalitär, tendenziell anarchisch bzw. antistaatlich, antihierarchisch, antiautoritär und antikonservativ; mit anderen Worten: „links“ der politischen Mitte sei. Da alle unsere Leser*innen sehr aufmerksame Leser*innen sind, wisst ihr natürlich durch die Überschrift bereits um welches Hörspiel es sich hier handelt: Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg.

Die kleine Hexe Bibi Blocksberg, sowie der sprechende Elefant Benjamin Blümchen, sind mit über 260 Hörspielfolgen, mit Computerspielen, Büchern, Trickfilmserien, sowie mit Realverfilmungen wohl das erfolgreichste deutsche Franchise, welches sich vornehmlich an Kinder richtet. Die Trickfilmserien wurden in über 66 Ländern verkauft, die Hörspielserie Bibi Blocksberg konnte weit über 35 Millionen Tonträger verkaufen.  Daraus ergibt sich eine Auszeichnung von insgesamt 93 Mal Gold und 150 Mal Platin, wohingegen Benjamin Blümchen lediglich auf 97 Mal Gold und 122 Mal Platin Auszeichnungen kommt. Die Schöpferin beider so zeitloser Reihen ist Elfie Donnelly. Die 1950 in London geborene Deutsch-Österreicherin schuf 1977 Benjamin Blümchen sowie 1980 Bibi Blocksberg und zeichnet sich für die ersten 65 (Benjamin Blümchen) bzw. 41 (Bibi Blocksberg) Folgen direkt verantwortlich. Danach verkaufte sie die Marke und zog sich zurück. Später schuf Donnelly, die im Übrigen mit Peter Lustig verheiratet war, noch die Hörspielreihe Elea Eluanda, welche jedoch nicht an den Erfolg von BB(Bibi/Benjamin) anschließen konnte.

Seit Beginn dieser Hörspielreihen werden diese diskutiert. Die einen finden sie zu linksliberal und somit gefährlich, siehe BpB, die anderen finden gerade Bibi Blocksberg zeige ein zu konservatives Familienbild. Aber was stimmt denn nun und vor allem: ist das wirklich wichtig?

Nun ich gebe zu, ich habe in meiner Kindheit und auch noch weit darüber hinaus gerne eine Folge Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg gehört. Stets habe ich mich gut unterhalten gefühlt und selten hatte ich den Verdacht, dass ich gerade indoktriniert werde. Weder in die eine noch in die andere Richtung und doch scheinen einige das offensichtlich anders zu sehen. Betrachten wir  die Welten von BB einmal etwas genauer. Beide leben im fiktiven Ort Neustadt. Zuallererst haben wir da unsere Protagonisten Benjamin und Bibi. Benjamin lebt im Zoo, der offenbar immer pleite zu sein scheint. Bibi hingegen lebt mit ihren Eltern und ihrem Bruder Boris, erst in einer Neubausiedlung in einem Hochhaus. Als sich ihre Eltern dann ihrem nervigen Bruder entledigen, kann sich die nun geschrumpfte Familie ein Eigenheim leisten und wohnen fortan in ihrem kleinen Hexenhaus. Bibi und Benjamin sind von ihrem Charakter her klar als Sympathieträger konzipiert. Sie haben beide ein starkes Gerechtigkeitsempfinden und zeichnen sich durch ihre ausgeprägte Empathie aus. Wo Benjamin Blümchen als sprechender Elefant immer etwas naiv daherkommt, ist Bibi Blocksberg etwas frecher. Beide sind jedoch stark antiautoritär. Weitere Figuren wie Karla Kolumna, die die Presse repräsentiert und mit “rasende Reporterin” sehr gut beschrieben scheint, der Bürgermeister Dr. Dr. Bruno, dessen hervorstechendste Eigenschaft wohl sein Egoismus ist, oder Herr Tierlieb, der immer nur daran interessiert ist, seinen Zoo zu retten, da er offenbar nicht in der Lage zu sein scheint, ökonomisch zu wirtschaften, ergänzen die Welt um Neustadt. Dabei sind ihre Rollen meist überzeichnete Figuren oder sogar Karikaturen und hier beginnt dann wohl auch der Stein des Anstoßens. Denn so wie der Bürgermeister den plakativen, korrupten und stets mies gelaunten Politiker mimt, ist die rasende Reporterin sensationslüstern, schnell und schert sich recht wenig um Privatsphäre. Ob das nun ein politisches Statement ist, darf gerne diskutiert werden.
Schauen wir uns doch aber erstmal an worum es bei den Hörspielreihen überhaupt geht, für all jene die mit Begriffen wie dem Besen Kartoffelbrei oder der sprechenden Elefantendame Leila nichts anfangen können. Benjamin Blümchen ist, wie bereits erwähnt, ein sprechender Elefant, der in seinem Hörspiel dem einen oder anderen Beruf nachgeht. Dabei ist er nicht nur, Bäcker, Koch, Briefträger, Filmstar, Schornsteinfeger, Bademeister, Fußballstar, Lokomotivführer sondern auch Astronaut, Kinderarzt oder sogar Bürgermeister. Da sollten alle Studierende aufhorchen. Vielleicht haben wir den falschen Weg eingeschlagen. Bevor Ihr Euch nun freut, sei noch erwähnt, dass der sprechende Elefant fast immer kostenfrei arbeitet. Das wiederum dürfte den mit Praktika gebeutelten Studierenden nun auch wieder bekannt vorkommen. Während Benjamin Blümchen in diese Berufe meist unbeabsichtigt hineinrutscht und mit einer gewissen Naivität und Freundlichkeit ausübt, weiß die junge Hexe Bibi Blocksberg meist ganz genau was sie tut, auch wenn ihr die Folgen ihrer Hexerei oftmals nicht ganz klar zu sein scheinen. So hext sie mal ausversehen die Spielfigur eines PC-Spiels in die Realität und muss diese dann wieder einfangen, ein anderes Mal versucht Bibi mit ihrem Zauberbesen die Schallmauer zu durchbrechen und richtet damit einiges an Schaden im städtischen Krankenhaus an. Dabei gerät Bibi nicht gerade selten in Konflikt mit ihrer Mutter, die ebenfalls hexen kann und ihrem Vater, der kein Hexer ist. Denn hexen können in der Welt um die Blocksbergs nur die Frauen. Und doch…. aber hört Euch die Hörspiele ruhig selber an. Nicht selten tritt sogar der Bürgermeister auf den Plan, dem die meist unkontrolliert wirkende Junghexe ein Dorn im Auge ist.

Was nun letztlich die Kritiker*innen auf den Plan ruft, sind Dialoge, wie sie bei Bibi Blocksberg wie folgt ablaufen: Bernhard Blocksberg auf die Frage ob seine Tochter Bibi keine Ehrfurcht vor den Bürgermeister habe: „Nein, das hat sie gottseidank nicht.“ Woraufhin der Fragende etwas salopp vermutet: „Sie sind wohl ein roter was?“ Was Bernhard souverän kontert mit der Antwort: „Ich bin Bernhard Blocksberg.“ Dieser Dialog lässt die Friedensschützenden der unpolitischen Kinderzimmer aufhorchen. Immerhin hat Bernhard nicht bestritten ein „roter“ zu sein. Ein weiterer Dialog bei Benjamin Blümchen, der gerne als Beispiel angeführt wird, läuft wie folgt ab: Benjamin Blümchen der sprechende Elefant liegt auf einem Baum an der Straße und schläft. Ein Bauarbeiter der Stadt möchte den Baum fällen, da die Straße vergrößert werden soll. Auf die Frage des nun erwachten Elefanten, wieso denn die Straße unbedingt verbreitert werden muss, antwortet der Bauarbeiter: „Das dürfen Sie mich nicht fragen, ich bin nur ein kleiner Arbeiter und muss meine Pflicht tun.“ Worauf hin Benjamin erwidert: „Das sagen sie alle.[…] Die, die den Krieg machen, die Soldaten. Jeder tut nur seine Pflicht, boom boom und dann ist er tot. Wenn alle nein zum Krieg sagen würden  dann gäbe es keine Kriege.“

Man kann natürlich nicht bestreiten, dass beide Beispiele, das letzte noch sehr viel stärker als der erste, eine klare Botschaft vertreten. Krieg ist schlecht und blinde Ehrfurcht vor der Obrigkeit offenbar auch. Nun kann jede*r für sich selbst klären, inwiefern diese Botschaften wirklich gefährlich für Kinder oder Erwachsene sind. Denn wir müssen die Frage von oben noch einmal genauer stellen. Möchten wir, dass unsere Kinder postmaterialistisch, basisdemokratisch, kritisch, zivilcouragiert, pazifistisch, sozial, antikapitalistisch, egalitär, antiautoritär und antikonservativ sind? Nun, jede*r darf diese Frage für sich und die eigenen Kinder selbst beantworten. Denn im schlimmsten Fall ist in meinen Augen ein couragiertes, egalitäres, basisdemokratisches, kritisches Kind kaum das schlechteste, was unserer Gesellschaft passieren kann. Im besten Fall sind und bleiben Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg spannende schöne Geschichten für Jung und Alt.
Ich auf jeden Fall danke Elfie Donnelly für diese tollen Erinnerungen und ich danke den vielen Sprecher*innen, die die Geschichten rund um Neustadt so fantastisch für mich erlebbar gemacht haben.

Vor allem:
als Erzähler : Joachim Nottke
als Benjamin : Edgar Ott
als Bibi : Susanna Bonaséwicz.

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