Zum vierten Mal haben sich am Freitag, dem 15. März 2019 hunderte Schüler*innen, Studierende und Wissenschaflter*innen auf den Straßen Greifswalds Gehör verschafft. Sie haben bei jedem Wetter, Wolken, Sonnenschein, Regen und eisigem Winde für die Rettung des Klimas demonstriert.  Weltweit haben sich an diesem Tag über 1.500 Gemeinden der Bewegung angeschlossen.

Das akademische Viertel schien vielen Schüler*innen noch fremd zu sein, als sich die ersten 180 schon um 9.50 Uhr am Mühlentor versammelten. Die jüngsten im Grundschulalter kamen in Begleitung ihrer Eltern und vielen selbstgebastelten Pappplakaten. Pünktlich um 10.00 Uhr rollte dann auch die Soundanlage von der Organisation bei leicht bewölktem Wetter vor dem Kiosk auf. Erster Gastredner, noch bevor sich der Demonstrationszug in Bewegung setzte, war Right Livelihood Award Preisträger und Umweltstifter Dr. Michael Succow. Er erinnerte an die Anfänge und daran, dass sich in den vergangenen acht Jahren nichts geändert habe, im Kampf gegen den Klimawandel. Er mache sich Sorgen um die Demokratie, deren Werte durch Engagement und Vernetzung erhalten werden müssten. Die Streikenden seien keine Verhinderer des Wohlstands, sondern „Pioniere der Zukunft“. „Ihr seid Teil der Lösung und nicht das Problem!“ ermunterte er die Demonstrierenden.

Michael Succow spricht zu den Streikenden

Mit einigen Nachzügler*innen setzte sich der Demonstrationszug mit dem Slogan – Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!- Richtung Bahnhof in Bewegung. Vorbei am Jahn-Gymnasium, dessen Schüler*innen, die sich neugierig am Fenster versammelt haben, fröhlich zum mitmarschieren eingeladen wurden. Am Bahnhofsvorplatz angekommen wurde eifrig Straßenkreide ausgepackt, um den Platz mit Slogans und Bildern zu verschönern. Eine Passantin, konnte sich bei dem Anblick nicht zurücknehmen und beschimpfte die Schüler*innen als Umweltverschmutzer, weil die Kreide die Straße verschmutzen würde und unterstellte den verwirrten Teenagern, sich dem Fahrradfahren zu verweigern und sich stattdessen mit Autos chauffieren zu lassen, bevor sie weiterging. Die überwiegenden Reaktionen am Rest des Tages waren aber eher neugierig und freundlich. Den Reden setzte der leere Akku der Anlage ein Ende, so dass sich der Zug verfrüht Richtung Karl-Marx-Platz bewegte, wo der Bürgermeister als Redner erwartet wurde.

Am gestrigen Tag gingen aber nicht nur die Greifswalder*innen auf die Straße: weltweit beteiligten sich von Australien bis Indien über 1.500 Gemeinden an der Bewegung, die im vergangenen Jahr von Greta Thunberg ins Leben gerufen wurde. Die 16-jährige wurde diese Woche für ihr Engagement für den Friedensnobelpreis nominiert. Ihr Engagement und das der Schüler*innen weltweit stößt auch auf Widerstand aus den Reihen der konservativen und wirtschaftsnahen Politiker*innen. Bundestagsabgeordnete wie Christian Lindner empfahlen, den Schüler*innen die Klimarettung Profis zu überlassen und forderten, wie Philipp Amthor, politisches Engagement gehöre in die Freizeit. Auch einige Behörden sehen in den Freitagsstreiks eine Ordnungswidrigkeit, die mit Schulverweisen geahndet werden solle. Die Schüler*innen auf der Greifswalder Demonstration berichteten in Gesprächen, dass die Unterstützung für die Fridays for Future Demonstrationen von Schule zu Schule sehr unterschiedlich ausfallen würde. Einige Lehrer*innen und Schulleitungen würden ihr Engagement unterstützen und Sonderbeurlaubungen zulassen, andere Schulen der Gegend hätten der politischen Teilhabe ihrer Schüler*innen einen Riegel vorgelegt. Nils Kraus von der Organisation ist mit dem Aufgebot der Demonstration in Greifswald „mehr als zufrieden“. Seinen Schätzungen zufolge habe die Zahl der Teilnehmenden die angemeldeten 100 um mehr als 500 zusätzliche Menschen übertroffen. Polizist*innen, die die Demonstration begleiteten, bezweifelten die 600 Teilnehmenden. Hier wird von etwa 350 Menschen ausgegangen.

Bei jedem Wetter durch Greifswald

Damit OB Fassbinder auch ohne Mikrofon verstanden werden konnte, drängten sich die Demonstrierenden auf dem Karl-Marx-Platz eng um die Bank, auf der er stand. Er lobte die Bewegung, weil sie das Thema Klimawandel wieder in das Licht der Tagespolitik gerückt habe. Er erinnerte daran, dass die wahlberechtigten Demonstrierenden bei den anstehenden Kommunal- und Europawahlen genau auf die Klimaziele der Kandidierenden achten sollen, damit sich die ambitionierten Klimaziele auch in Bürgerschaft und Parlament beschließen lassen. In der Mitte seiner Ansprache konnte endlich ein Megaphon aufgetrieben werden, so dass das Schicksal der Heiserkeit einigen der Redner*innen erspart blieb. Es war inzwischen kalt und windig geworden und erste Tropfen fielen auf die durchfrorenen Zuhörer*innen.
Mittags kam der Demonstrationszug am Fischmarkt an, wo sich Moorspezialist Hans Joosten in die Liste der Redner*innen einreihte und noch einmal deutlich machte, dass die Witze der Politiker*innen, die den Schüler*innen mangelnde Expertise vorwerfen keine Grundlage haben. Rund 20.000 Wissenschaftler*innen haben sich bereits auf die Seite der Bewegung gestellt und fordern bis 2050 eine absolute Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen auf 0, denn „Null ist eine geile Zahl!“. Etwas konkreter ist der Forderungskatalog der Organisationsgruppe, die unter anderem eine Förderung der kleinen regionalen Betriebe in der Landwirtschaft, eine Fleischsteuer und für Greifswald die Einführung einer Biotonne fordert.
Beendet wurde die Demonstration mit einer Schweigeminute um 13.30 wieder am Mühlentor.

Bilder: Veronika Wehner