So soll es laut Silbermond an der B96 in Sachsen sein, und so scheint es auch hier, im Norden der B96. Mecklenburg-Vorpommern ist eine einsame, alte, eingeschlafene Gegend, aber keinesfalls leer und tot. MV ist reich an Kultur und Geschichte, an ruhigen weiten Feldern, stürmischen Küsten und tiefen Wäldern. Zahlreiche Ideen für Ausflugsziele für alle, die eine Auszeit vom Unialltag brauchen und denen langsam die Prokrastinationsmöglichkeiten ausgehen.

Ein Beitrag von Julia Schlichtkrull und Michael Fritsche

Diese neue Rubrik soll genau das erreichen. Wir wollen euch das Bundesland um unsere Greifswalder Uni vorstellen und dabei auch zu eigenen Erkundungstouren und Ausflügen anregen, von denen manche nur mit dem Auto, andere mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV möglich sind. MV hat dabei, anders als vielleicht erwartet, ein so großes Angebot, dass wir uns auf eine kleinräumige Eingrenzung einigen mussten, bei der wir euch noch eine breite Auswahl an Orten bieten können, ohne viel auslassen zu müssen. Um gleich etwas Geschichte ins Spiel zu bringen, sollen dafür die alten DDR-Kreise als Vorlage dienen. Natürlich werden wir die Orte jeweils nur anreißen können und trotzdem das eine oder andere auslassen müssen – aber dafür kann dann ja ein eigener Ausflug Abhilfe schaffen.

Den Anfang macht eine eher unscheinbare Region mit schlechtem Ruf: Anklam. Im Gegensatz zu vielen anderen Landkreisen MVs gibt es hier keine Küsten, nur schier endlose Felder, undurchdringliche Wälder und Dörfer, die langsam am Aussterben sind. Und natürlich Anklam.

Otto-Lilienthal-Museum

Mit dem Auto ist es etwa eine halbe Stunde von Greifswald nach Anklam – 40 Minuten für alle, die sich an Temporichtlinien halten. Wer mit dem Zug fährt, kann zwar in Anklam aussteigen, landet aber etwas außerhalb der Stadt. Dafür ist von hier aus das Otto-Lilienthal-Museum nur knapp fünf Gehminuten entfernt. Und Otto Lilienthal war nicht nur irgendein Mann, der unser aller Kindheitstraum lebte, als er sich vor etwa 100 Jahren Papierflügel baute, und dabei nur leider etwas unglimpflich vom Himmel fiel. Das Museum beleuchtet auch viele andere Aspekte seines Lebens und des Lebens seines Bruders, mit dem er zeitweise in der ersten Vegetariersiedlung Deutschlands lebte. Gustav Lilienthal war ebenfalls Erfinder, allerdings von Kinderspielzeug – Holzbauklötze, das Lego des späten 19. Jahrhunderts. Daneben zeigt eine kleine angrenzende Halle die verschiedenen Flugobjekt-Entwürfe Lilienthals und seiner Vorgänger und Nachfolger, vieles davon auch zum Selbst-Ausprobieren und Experimentieren.

Geht man vom Bahnhof aus nach rechts, kommt man schon nach knapp zehn Minuten in der Alt­stadt Anklams an. Hier gibt es zwar schöne, alte Fassaden, aber nicht besonders viel zu entdecken. Wer an Regionalgeschichte interessiert ist, angefangen bei den Slawen und Wikingern bis hin zum 2. Weltkrieg, stattet vielleicht dem Museum im Steintor einen Besuch ab. An alle, die trotz eines Alters von über 70 Jahren den Aufstieg von 111 Stufen bis in die 5. Etage wagen: Ihr könnt euch hier nicht nur mit einem schönen Ausblick über Anklam belohnen, sondern auch mit einem Eintrag ins Gipfelbuch. Wer noch höher hinaus will, kann von Mai bis September die Nikolaikirche und deren 233 Stufen hohen Turm besichtigen. Bei viel Zeit und schönem Sommerwetter bietet es sich sogar an, nach Norden zur Peene zu laufen und sich hier ein Paddelboot zu mieten, um das Peenetal zu erkunden – den „Amazonas des Nordens“. Hier gibt es vielleicht keine Piranhas, Boas oder Tukans, dafür aber Seeadler, Fischotter und Biber, wenn man Glück hat oder weiß, wo man suchen muss. Und wer abends noch in Anklam unterwegs ist und keine Lust auf sportliche Betätigung hat, kann ja mal einen Blick in den Theaterspielplan werfen, um zu schauen, ob gerade etwas spielt. In der Regel um 19:30 Uhr, leider aber nicht jeden Tag.

Etwa 9 km nordwestlich von Anklam, und daher auch mit dem Fahrrad gut zu erreichen, liegt Menzlin. Wer sich hier vom Feldparkplatz an der Peene noch ein wenig weiter traut, kann nach einem kleinen Wanderweg Überreste aus der Wikinger- und Slawenzeit entdecken. In einem früheren Artikel haben wir euch diese historische Stätte schon etwas genauer vorgestellt: https://webmoritz.de/2018/10/29/wikingergrab-menzlin-platz-der-voelkerverstaendigung/

Klosterruine Stolpe

Wer an einem ruhigen Wochenende bei schönem Wetter mit dem Fahrrad kommen will, könnte auch den Weg vom Bahnhof in Klein Bünzow aus in Betracht ziehen. Von hier aus sind es bis nach Menzlin nur etwa 6-7 km, je nachdem welche Strecke man wählt. Wer dann nach Menzlin noch Zeit und Lust und noch keine Naturüberdosis hat, kann mit dem Fahrrad auch noch ein Stück weiterfahren. Von Menzlin erreicht man nach weiteren 7,5 km Stolpe – den letzten Teil der Strecke über die Peene müsst ihr allerdings per Fähre bewältigen. Wer direkt aus Klein Bünzow kommen will, fährt etwa 10,5 km, am Ende ebenfalls mit der Fähre. Auf der anderen Seite angekommen, steht man fast schon direkt vor der Ruine des Klosters Stolpe, erbaut im 12. Jahrhundert und damit wohl das älteste Kloster Pommerns. Im Dreißigjährigen Krieg zerstörten die Schweden große Teile des Klosters, der Rest wurde geschliffen, die Steine für andere Gebäude genutzt. Trotzdem sind die Klosterruine und vor allem die Gegend des Peenetals sehenswert. Um den Rundgang abzuschließen, könnte man zurück über Anklam fahren – etwa 11 km nach Osten, immer entlang an der Peene.

Müggenburg

Fährt man von Anklam nach Südwesten, kommt man nach etwa 12 km in Neuenkirchen an. Über enge Kopfsteinpflasteralleen, den sogenannten „Knüppeldamm“, gelangt man hier zur Müggenburg. Von dem ersten Bau aus dem 14. Jahrhundert steht zwar nur noch der Fangelturm, der aber kann sich sehen lassen. Von der Spitze aus hat man eine schöne Aussicht über die umliegende Landschaft. Die Burg ist seit 1994 in Privatbesitz und nicht immer für die Öffentlichkeit geöffnet. Wer aber in der Nähe ist, kann ja trotzdem auf gut Glück mal vorbeischauen.

Zur Zeit ebenfalls nicht zugänglich, aber grundsätzlich ein schönes Ausflugsziel, ist die Festung Spantekow. Noch einmal 7 km südlich von Müggenburg, oder insgesamt 16 km für die, die keine Lust auf Knüppeldamm haben und lieber direkt aus Anklam kommen wollen, liegt hier die von einem Wassergraben und einer dicken Mauer umschlossene Veste aus dem 13. Jahrhundert. Generell bietet die Burganlage einen beeindruckenden Anblick, zur Zeit ist sie aber von einem Baugerüst umhüllt. In den letzten Jahren wurden schon viele Restaurationsarbeiten geleistet, zur Zeit geht es vor allem um die Dachsanierung – ein wichtiger Schritt, der allerdings auf Spendengelder angewiesen ist. Danach soll Festung Spantekow aber wieder frei zu besuchen sein. Der derzeitige Burgherr, ein direkter Nachfahre des ersten urkundlichen Besitzers Werner von Schwerin, plant außerdem die Festung für Museumsprogramme und Veranstaltungen auszustatten. Auch hier gilt: einfach mal vorbeischauen. Vielleicht sind die Bauarbeiten ja dann schon ein wenig weiter vorangeschritten.

Schloss Putzar

Die beiden letzten Ziele – Putzar und Landskron – sind etwas abgelegen und daher nur schwer zu erreichen, wenn man kein Auto hat. Der Park von Putzar liegt etwa 19 km südlich von Anklam. Umgeben von unendlichen Weiten gibt es hier einen Schlosspark mit alten Kastanien und ein Schloss als Doppelbau. Beide im ruinösen Zustand, aber romantisch schön. Ein Besuch bei Starkregen und Novembergrau ist nicht zu empfehlen, da nicht einmal ein Bruchteil der ästhetischen Wirkung rüberkommt, wie sonst in der Herbstsonne oder den ersten Strahlen im Frühjahr. Die Nutzung des Ortes geht auf das Spätmittelalter zurück. Die Gutshäuser wurden jedoch viel später, im 16. Jahrhundert, errichtet. Wen die Ruinen nicht beeindrucken, der wird spätestens vom auf der Mauer wachsenden Baum überzeugt sein, dass er sich hier an einem der schönsten vorpommerschen Orte aufhält.

Veste Landskron liegt so weit westlich von Anklam, dass sich hier die Fahrt über die A20 am meisten anbietet. Wer den weiteren Weg über Alleen, Feld- und Waldstraßen findet, steht hier vor einem wunderschönen Baudenkmal. Im 16. Jahrhundert wurde die Wasserburg im Renaissance-Stil erbaut, der dazugehörige Graben ist aber heute ausgetrocknet, sodass man auch hindurch spazieren und durch das Unterholz mit den breiten Stieleichen schleichen kann, die ebenso alt sein sollen wie die Burg. Zwar wurde auch diese Veste im Dreißigjährigen Krieg beschädigt und anders als Spantekow nie wieder aufgebaut, die Ruine ist aber trotzdem so magisch schön, dass man sofort verzaubert wird und sich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt fühlt.

Veste Landskron

Viele dieser Orte sind auch mit dem Bus erreichbar, bis man sich aber durch das Angebot der Anklamer Verkehrsgesellschaft geschlagen hat, hätte man auch einfach das Fahrrad nehmen können. Und wer wirklich mit Zug und Bus fahren will, sollte genau hinschauen. Viele der Buslinien, wie die nach Stolpe oder Müggenburg, sind vorrangig für Schüler gedacht und daher den Schulzeiten angepasst. So kommt man auch von Anklam aus gut nach Putzar, die einzigen Busse in die umgekehrte Richtung fahren aber um 6 und 7 Uhr morgens. Andere Orte, wie zum Beispiel Neuendorf B, an dem Landskron gelegen ist, sind sogar nur mit einem Rufbus nach telefonischer Voranmeldung zu erreichen. Hier den Bus zu nehmen, sollte also gut geplant sein, um nicht am Ende irgendwo in der Pampa zu stranden. Ansonsten: Nehmt am besten gleich ein Zelt und ausreichend Proviant mit.

Besonders lohnenswert ist aber ohnehin die Anreise mit dem Fahrrad. Zwar sind die Strecken oft weit, dafür bieten sie aber auch viele Entdeckungsmöglichkeiten. Der Direktweg von Klein Bünzow nach Stolpe führt zum Beispiel am Renaissance-Schloss Quilow vorbei. Auf dem Weg von Anklam nach Spantekow kann man auch in Blesewitz bei dessen schöner, gotischer Kirche Halt machen. Immer wieder stößt man auf Altes, zum Teil Zerfallenes aber anderenorts auch gut Konserviertes. Anklam mag eine einsame und verlassene Region sein – aber Möglichkeiten zum Erforschen und vor allem zum Entspannen bietet sie allemal. Vielleicht kein Ort zum Leben, aber doch ein Ort zum Besuchen.

Beitragsbilder: Michael Fritsche, Julia Schlichtkrull, Franziska Schlichtkrull