Elsevier ist einer der größten Wissenschaftsverlage der Welt. Immer wieder jedoch wird ihm vorgeworfen seine Marktmacht für überzogene Preise zu nutzen. Ähnlich wie in der Filmindustrie haben sich auch in der Wissenschaft illegale Vertriebswege für den aktuellen Forschungstand entwickelt. So gibt es auch hier diverse filesharing Plattformen wie Scihub. Nachdem nun der Internetprovider „Bahnhof“ von Elsevier gerichtlich dazu gezwungen wurde seinen Nutzern den Zugang zu diesen zu verweheren, entschloss sich dieser als Protest gegen Zensur den Zugang zu Elsevier und zu dem zuständigen Amtsgericht gleich mitzusperren.
Um die Bedeutung dieser Sperre zu verstehen muss man sich vergegenwärtigen, dass „Bahnhof“ einer der größten Internetanbieter Schwedens ist. Es ist also quasi so, als hätte zum Beispiel Vodafone oder die Telekom allen ihren Nutzern den Zugang zu diesen Seiten verwehrt.
Auch hier in Deutschland ist Elsevier immer wieder aufgrund seines Marktauftrittes in der Kritik. So eskalierten 2016 die Vertragsverhandlungen mit den Universitäten in Deutschland, woraufhin viele Unis (auch Greifswald ab 00:35 ) ihren Vertrag mit Elsevier kündigten. Seit 2016 wir nun nach einer einheitlichen Lösung im Rahmen des Projektes DEAL gesucht. Zunächst behielten alle Universitäten ihren Online-Zugang, doch nachdem Elsevier zwischenzeitlich einigen Universitäten den Zugang versperrte, bot sich für den Arbeitsaltag der Wissenschaftler lediglich der Zugang über eine andere Universität oder über die oben beschriebenen illegalen Angebote.
Diese sind naturgemäß den großen Verlagen ein Dorn im Auge, da sie ihr aktuelles Geschäftsmodell gefährden.
Eine im Rahmen der DEAL Verhandlungen besprochene Alternative wäre das Open Access Modell, bei dem die Verlage für die Veröffentlichung, aber nicht mehr für das Zugänglichmachen der Inhalte bezahlt werden würden. Diese Regelung würde dazu führen, dass die oft durch Steuergelder finanzierten Forschungsergebnisse für alle öffentlich zugänglich wären. Auf dieses Ziel konnten sich beide Parteien nach Aussagen von Elsevier bereits einigen. Jedoch soll es zumindest in Deutschland erhebliche Unstimmigkeiten über den benötigten Zeitrahmen geben.
In Schweden ist man nun anscheinend eine Eskalationsstufe weiter und startet eine Auseinandersetzung mit den Internetprovidern, die den Geschäftsinteressen Elsviers durch das Anbieten ihrer Dienste schaden könnten. Dass man hier das freie Internet einschränkt und quasi die Zensurschere beim Provider ansetzt und nicht bei den tatsächlichen Anbietern der illegalen Angebote, scheint „Bahnhof“ überhaupt nicht zu passen. Sie positionieren sich klar zu einem freien Internet und trennen nun in letzter Konsequenz auch Elsevier von denjenigen Kunden, die sich von „Bahnhof“ mit dem Internet verbinden lassen. Stattdessen landet man auf einer hübschen Protestseite im Stile des „alten“ Internets.
Der Provider „Bahnhof“ ist in Schweden schon seit längerem auch als politischer Akteur tätig. So wird seit 2012 der gesamte Datenverkehr der Nutzer von „Bahnhof“ durch ein VPN geleitet. Dies war eine Reaktion auf die Einführung der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung in Schweden. Durch diese Umleitung ist diese wirkungslos.
Weiter Informationen:
Wenn ihr nähere Informationen zu Elsevier und DEAL erhalten möchtet, so könnt ihr zum Beispiel mit diesem Artikel von der Zeit oder mit diesen Interview des DLF anfangen. Wenn ihr mehr über „Bahnhof“ erfahren möchtet, dann kann ich euch beruhigen, es gibt für den Anfang einen deutschen Wikipedia-Artikel. 🙂
und Dmitrij Paskevic auf Unsplash