Seit mittlerweile 10 Jahren erwartet uns in der Zeit zwischen Frühling und Sommer der Fleischervorstadt-Flohmarkt. AnwohnerInnen präsentieren rund um die Bahnhofstraße, Lange Reihe und Gützkower Straße ihre ehemals verborgenen Schätze. Ehemals vom Quartiersbüro organisiert, übernahmen seit 2014 die „Stadtgestalten Fleischervorstadt“ diese Aufgabe.
Auch wenn ich es erst seit ungefähr drei Jahren regelmäßig zum Fleischervorstadt-Flohmarkt schaffe, ist es doch seitdem fester Bestandteil der frühsommerlichen Terminplanung. Eine kleine Pufferzone zwischen den ersten richtig warmen Frühlingstagen und der hochsommerlichen Zeit mit ihren Strandausflügen, Festivals und ganz viel Zeit im Grünen. Für mich ist genau deshalb der Fleischervorstadt-Flohmarkt eben jener Termin, der mir signalisiert, dass wir es endgültig geschafft haben, die Tage wirklich immer länger werden und die Sonne, nach der gefühlten monatelangen Dunkelheit, endgültig aus ihrem Gefängnis hinter den Wolken entlassen wurde. In den letzten Jahren konnte dieser inoffizielle Sommeranfang auch tatsächlich seiner Aufgabe gerecht werden und trieb die Vitamin D-Produktion oftmals in schwindelerregende Höhe.
Mein Freund, die Lokalökonomie
Die über 150 Stände, welche sich über die gesamte Fleischervorstadt erstrecken, stehen jedoch nicht nur des guten Wetters wegen in der Gegend herum. Für einen Tag mutiert der Kiez zum Paradies für Schnäppchenjäger und Sammelwütige. Zugegeben, mittlerweile kenne ich „meine Ecken und Stände“, die ich gerne zuerst ansteuere, weil man jedes Jahr aufs Neue staunt, was so mancher da aus den Tiefen der Keller, Dachböden oder Garagen so rauskramt. Fahrradteile, alte Überbleibsel aus der Zone, elektronische Geräte, Omas alte Topflappen oder weiß der Teufel was. Es wäre vermutlich einfacher zusammenzutragen, was man an diesem Tag vor Ort nicht finden wird.
„Die Bürokratie gilt sich selbst als der letzte Endzweck des Staates.“
Denn mittlerweile gibt’s so einiges, das im wahrsten Sinne des Wortes nicht auf den Teller kommt. Seit 2016 hat die städtische Bürokratie die Daumenschrauben mithilfe von verschiedenen Auflagen deutlich angezogen. Cremekuchen, Sahnekuchen, Salate, Crêpes, Waffeln und vieles mehr ist auf dem Index gelandet. „Salmonellengefahr!“, schreit es mir vom Auflagenzettel entgegen. Klar, gewisse Richtlinien und die Sicherstellung, dass VerkäuferInnen im richtigen Umgang mit Speisen betraut sind, kann man nachvollziehen. Jedoch führen die aktuellen Regularien eher zu Angst vor Sanktionen und der Einschränkung von Angebotsmöglichkeiten vor Ort. Aber nanu, möchte man sagen, es geht doch bei einem Flohmarkt nicht um Kaffee und Kuchen. Nein, geht es nicht, aber irgendwie schon.
Ein Viertel erwacht
Der Titel Fleischervorstadt-Flohmarkt ist nämlich etwas irreführend. Neben den Zahlreichen Ständen und Verkäufern stößt man auch gerne mal auf ein kleines, gemütliches Hinterhofcafé, kleine Bühnen mit lokalen Bands und versteckte Bars, mit der Chance auf eine eiskalte Mate. Aus der Idee eines Stadtteilflohmarktes ist mittlerweile eine Art Stadtteilfest geworden. Ähnlich wie bei der Fête de la Musique ströpt man durch die Gegend, sucht nach dem Unbekannten und freut sich die kleinen Geheimnisse des Stadtteils aufzudecken. Man ist mit seinen Freunden unterwegs, trifft Studierende und entfernte Bekannte. Man kommt mal wieder ins Gespräch, prahlt mit seinem erworbenen Plunder und hält inne, um den Trubel und das Leben auf den Straßen zu genießen. Die Stadt ist endgültig aufgetaut und lädt ihre Kinder zum gemeinsamen Bummeln ein. Den Laufplan noch schnell studieren, nur einmal schlafen und dann geht es wieder los …
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Till Junker:
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