Mit dem Slogan „Anbau für alle! Alle für Anbau“ wirbt der Demokratiebahnhof Anklam aktuell um Spenden. Das Modellprojekt hat mit vielen Widerständen zu kämpfen, aber erfährt auch eine Menge Solidarität.
Junge Menschen aus Anklam und Vorpommern finden sich zusammen. Sie sind Teil eines Modellprojekts und seit mittlerweile 4 Jahren gestaltet der Demokratiebahnhof Anklam die Gesellschaft an der Peene entscheidend mit. Jugendarbeit, die auf die Kinder und Jugendlichen zugeht, Angebote für sie schafft und sie zum Mitmachen anregt. So entstanden im Innern des alten Bahnhofgebäudes Gemeinschaftsräume und Werkstätten. Draußen wurden Flächen zum legalen Sprayen und ein Gemeinschaftsgarten geschaffen. Geht nicht, gibt´s nicht!
Ob besagte Graffiti-Angebote, Siebdruck, Nähen, Konzerte, Kleidertausch, gemeinsames Kochen, Fahrradwerkstatt und, und, und. Achja, und Musik machen. Richtig gehört. Man kann stolz einen eigenen Proberaum vorweisen. Mit viel Unterstützung von außen wurden die finanziellen Grundlagen geschaffen und dann in D.I.Y.-Manier vor Ort angepackt. Am Anfang lief fast alles über das Ehrenamt, mittlerweile müssen einige Aufgaben jedoch auch von hauptamtlichen und anderen bezahlten Stellen übernommen werden. Eine normale Entwicklung, bei einem Projekt welches stetig wächst. Dennoch sind die ehrenamtlichen Kräfte, die in ihrer Freizeit vor Ort sind, nicht abhandengekommen und man arbeitet weiterhin gemeinsam an den anstehenden Projekten und Ideen.
Kaffee und Schnack
Aktuell werden wieder Spenden gesammelt. Ein vorhandener Anbau soll grundsaniert werden und dann als Treffpunkt dienen. Direkt am Bahngleis gelegen sind Zugreisende, aber auch Oma & Opa aus der Nachbarschaft herzlich auf einen Kaffee eingeladen. Dabei hilft eine Crowdfunding-Kampagne und ein Teil der Einnahmen aus der Eröffnungsparty des Festivals contre le racisme geht direkt nach Anklam.
Doch es soll nicht nur geklönt, sondern auch gearbeitet werden. Eine Fahrradwerkstatt, sowie ein Lager- und ein Aufenthaltsraum für die Gartencrew des Gemeinschaftsgartens sollen im kleinen aber hoffentlich bald feinen Anbau entstehen.
Jugendliche im Fadenkreuz
Doch so harmonisch geht es nicht immer zu. Es gibt zwar so einige Themen, bei denen im gesellschaftlichen Diskurs die Gemüter schnell hochkochen und Debatten von einem rauen Ton bestimmt werden. Manchmal kann man es nachvollziehen, manchmal schüttelt man aber auch nur den Kopf und versteht die Welt nicht mehr. Für letzteres sorgen die Schlagzeilen, die den Demokratiebahnhof seit seiner Gründung 2014 umgeben. Man liest von einem Brandanschlag, während im Bahnhofsgebäude Menschen schliefen. Man hört von wiederholten Sachbeschädigungen, wie diese Woche erst geschehen am Gemeinschaftsgarten, den Jung und Alt gemeinsam aufgebaut und bepflanzt haben. Man hört vom Bürgermeisterkandidaten Steffen Gabe (CDU) Aussagen wie „Was da jetzt passiert, geht so gar nicht.“. Bezieht sich das auf die rechte Gewalt vor Ort? Die in Teilen Vorpommerns immer noch grassierende Perspektivlosigkeit? Die Spaltung der Gesellschaft? Mitnichten. Es geht bei dieser Aussage um das Feindbild freie Jugendarbeit, die unabhängig von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung usw. auf die Kinder und Jugendlichen vor Ort zugeht und ihnen zuhört. Damit begibt sich Gabe, freiwillig oder unfreiwillig, in ein Lager, dass sich nicht durch Dialog und Diskussionsbereitschaft definiert, sondern plumpen Aktionismus und vorgefertigte Meinungen. Die direkte Auseinandersetzung mit den Menschen vor Ort scheut er weiterhin. Sein Parteikollge Bernd Wieczorkowski wiederum bekannte sich beim Besuch im Gemeinschaftsgarten zum Projekt. So oder so bleibt aber die Aussage eines Kandidaten auf das Bürgermeisteramt, der sich mit seiner Darstellung in Fahrwasser weit rechts der CDU begibt.
Die langweiligsten Orte der Welt (?)
Der Demokratiebahnhof hat sich trotz aller Widerstände etabliert. Das Projekt und dessen Akteure durften schon so einige Preise einheimsen. Doch ganz egal ob Preisverleihung beim Bundespräsidenten, Besuch von Sigmar Gabriel oder lobende Worte von Bürgermeister Galander. Man weiß um die Widerstände. Und trotz alledem werden nach jedem Angriff wieder Kräfte gesammelt. Man beißt sich durch. In einem Landstrich, der weder für seine ausgeprägte demokratische Kultur noch für irgendwelche kulturellen Meilensteine bekannt ist. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Titelbild: Clara Engel; Anbau: Claudia Gaschler; Jugendgruppe: Klara Fries; Garten: Clara Engel