Tausende schwerkranke Menschen warten dringend auf ein neues Organ. 2017 standen über 7.600 Deutsche auf der Eurotransplant-Warteliste, über 1.000 warteten voller Hoffnung auf eine neue Leber. Doch in Deutschland gibt es zu wenig Spender. Dies ist unter anderem auf die mangelnde Aufklärung zurückzuführen. Es herrschen allgemein viele Unklarheiten. Im Schulunterricht und selbst im Medizinstudium wird das Thema weitestgehend nicht besprochen. Krankenkassen schicken zwar Organspendeausweise an ihre Mitglieder, eine fundierte Aufklärung findet auf diese Weise allerdings nicht statt.
Die Greifswalder Studentin Magdalena Moosbrugger kam mit dem Thema Organspende erstmals im Rahmen ihres Studiums durch den Kurs Community Medicine in Berührung und rief 2015 die Greifswalder AG Aufklärung Organspende ins Leben, die zur Zeit aus knapp zehn aktiven Mitgliedern besteht. „Es ist äußert wichtig, dass sich die Menschen mit dem Thema Organspende auseinandersetzen und eine Entscheidung treffen. Wir legen dabei viel Wert auf Neutralität – unser Ziel ist es, alle umfangreich zu informieren. Ob jemand für oder gegen Organspende ist, muss er letztendlich selbst entscheiden, wir möchten lediglich anregen, dass jeder einen Spendeausweis besitzt und am besten immer bei sich trägt und vor allem mit seinen Angehörigen darüber spricht“, erklärte Moosbrugger.
Die Greifswalder AG ist eine von insgesamt 20 studentischen Gruppen, die in Deutschland existieren und über Organspende informieren. Um Unklarheiten aus dem Weg zu räumen und um auf das Thema aufmerksam zu machen, fand wie bereits im vergangenen Jahr auch in diesem Semester eine vielseitige Vortragsreihe zum Thema Organspende statt. Fach- bzw. Vorkenntnisse sind nicht notwendig, um den Referenten folgen zu können. Vergangenen Mittwoch erzählte Prof. Dr. Oliver Hakenberg vom nächstgelegenen Transplantationszentrum Rostock über seine persönlichen Erfahrungen als Nieren-Transplantationschirurg. Er sieht die deutsche Förderung der Organspende ebenfalls problematisch und beteuerte den „chronischen Organmangel“ in Deutschland. Prof. Dr. Hakenberg beschrieb Organspende als „extrem sinnvolle Sache“. „Ich muss meine Organe nicht in die Erde mitnehmen! Sie können noch etwas bewirken“, versicherte er den Zuhörern des Vortrages.
Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Organspende?
Voraussetzung für die Organspende ist die Diagnostik Hirntod bzw. die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls, die auch unabhängig von einer Spende routinemäßig zur Todes- oder Lebensfeststellung durchgeführt wird. Die Untersuchung muss von zwei Ärzten unabhängig voneinander durchgeführt werden. Erst nachdem diese abgeschlossen ist und positiv ausfällt, wird geprüft, ob es sich bei dem Patienten um einen Spender handelt. Doch gerade beim Begriff Hirntod sind viele Menschen noch verunsichert. Die Diagnose bedeutet für den Patienten, dass das Gehirn einen unumkehrbaren, vollständigen Funktionsverlust erlitten hat. „Der Hirntod ist aus medizinischer Sicht eine der sichersten Diagnosen, die es gibt. Es gibt viele Tests und Richtlinien, nach denen die Untersuchungen ablaufen“, so Moosbrugger. Ein Weiterleben ist mit der Diagnose also nicht mehr möglich. Sofern der Hirntod festgestellt wurde und eine Zustimmung zur Organspende vorliegt bzw. von Angehörigen erteilt wurde, können die Organe Herz, Leber, Lunge, Niere Bauchspeicheldrüse und Darm gespendet werden. Darüber hinaus kann man auf dem Organspendeausweis auch die Option ankreuzen, Gewebe zu spenden. Gewebe wie z. B. Augenhornhaut, Haut und Knochen können im Krankenhaus Verstorbenen, unabhängig vom Hirntod, entnommen werden.
Bevor es letztendlich zur Entnahme und Transplantation der Organe kommt,wird zunächst die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) benachrichtigt, welche die Spenderdaten an Eurotransplant weitergibt. Eurotransplant, eine Stiftung niederländischen Privatrechts, ist in Deutschland, Belgien, Kroatien, Luxemburg, Österreich, Ungarn, Slowenien und den Niederlanden für die Zuteilung der Spenderorgane verantwortlich. Die Stiftung führt die Wartelisten, die für jedes Spenderorgan erstellt werden und nach denen ein Organ anhand von Kriterien wie der Wartezeit des Empfängers, der Dringlichkeit und der Erfolgsaussicht der Transplantation vergeben wird. Zudem finden umfangreiche Untersuchungen statt, denn ob ein Spenderorgan zu einem anderen Menschen passt, hängt von mehreren Kriterien (z. B. der Blutgruppe) ab. „Ein Erfolg ist nicht vorhersehbar und nicht immer sicher“, erklärte Prof. Dr. Hakenberg. Auch bei guter Kompatibilität ist eine Abstoßung des Organs nach der Transplantation möglich. Um dies zu verhindern, erhalten Transplantierte eine umfangreiche immunsupprimierende Therapie. Das bedeutet, dass sie täglich und für den Rest ihres Lebens viele Tabletten einnehmen müssen. Durch die Immunsuppresiva werden die Patienten leichter anfällig für Infektionen; sie müssen außerordentlich auf ihre Hygiene achten und große Menschenmengen meiden bzw. an Orten mit hohem Infektionsrisiko wie z. B. in öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern oder Arztpraxen Masken tragen, um sich vor Keimen zu schützen. Unbestreitbar ist jedoch, dass gespendete Organe viele Menschen vor dem Tod bewahrt und ihr Leben verlängert haben.
Neben der Vortragsreihe, die auch in Zukunft angeboten werden soll, gehen die Mitglieder der AG auch an Schulen und informieren dort Jugendliche zum Thema Organspende. Die Greifswalder AG besteht übrigens nicht nur aus Medizinstudenten, Moosbrugger betonte, dass Studenten aller Fachrichtungen jederzeit bei ihnen willkommen sind.
Der letzte Vortrag des Semesters findet heute um 19 Uhr im HS Nord der Unimedizin statt und beschäftigt sich mit dem Thema Stammzellenspende.
Weitere Informationen zur AG Aufklärung Organspende findet ihr unter http://aufklaerungorganspende.de/lokalgruppen/greifswald/ oder auf der Facebook-Seite.
Beitragsbild. AG Aufklärung Organspende