Ein Blick auf internationale Statistiken und in Greifswalder Mülltonnen.

Es wird Herbst an der Ostsee. Während die Straßen sich mit Laub füllen, das Wetter nass und kalt ist, ziehe ich mich am liebsten auf die Couch oder in die Kneipe zurück. Und doch, trotz des ungemütlichen Wetters treibt es mich auch immer wieder zu den Supermärkten meines Vertrauens. Mal früh am Tage, mal am späten Abend. Die Geldbörse kann ich getrost zuhause lassen. Denn meist finde ich im Container um die Ecke oder auf dem Hof die Produkte des Vortages, die nicht mehr verkauft werden sollen (oder dürfen). Was die genauen Hintergründe der Entsorgung sind, lässt sich nicht immer erkennen. In den meisten Fällen traut man seinen Augen kaum. Beispiele gefällig? Ein Sack Zwiebeln, 1 Kilogramm, in dem 2-3 Zwiebeln entweder schon weich sind oder bereits Austriebe haben. Diese Triebe sind jedoch, im Gegensatz zu Kartoffeln, nicht giftig oder für den Verzehr dann ungeeignet. Im Müll landen sie trotzdem. Ebenso wie die Dreier-Packungen Paprika, in denen meist eine Paprika weich oder schimmlig ist. Die anderen zwei aus der Packung evakuiert, zuhause abgewaschen und zubereitet. Zugegeben, kaum eines der Produkte die im Container der Supermärkte landen, hatten im Laden einen hohen Verkaufspreis oder sind nicht erschwinglich für das studentische Portemonnaie. Der Aspekt des Geldsparens ist beim Containern in den meisten Fällen jedoch nachrangig. Es geht vielmehr um die Verwertung noch nutzbarer Lebensmittel, bevor diese im Prozess der Abfallverwertung bzw. Biogasproduktion landen. Die Beispiele ließen sich unzählig fortführen: kiloweise Tiefkühlfisch, eingeschweißtes Fleisch und Wurst, Tiefkühl-Baguettes, Joghurt, Tomaten, Lauch, Mandarinen, Orangen, Äpfel, Pfirsiche und und und. Bei einigen Produkten schaut man dann aber doch etwas irritiert: haufenweise Tütensuppen, Apfelkuchen zum aufbacken in kleinen Keramikschälchen, Veggie-Nuggets oder packungweise Produkte von Kinderschokolade. Gefühlt gibt es kein Produkt, was nicht schon einmal im Lebensmittelcontainer entsorgt wurde.

Es geht um´s Prinzip

Letztlich kaufe ich das Produkt, was ich im Container finde oder welches ich bereits im Container erwarte, nicht mehr im regulären Supermarkt ein. Warum also lieber mal einen Weg mehr zum Container als zur Supermarktkasse? Weil man so zumindest ein paar Gramm der 1,3 Milliarden Tonnen entsorgter Lebensmittel weltweit zurück in den Prozess der Lebensmittelverwertung führen kann. In Europa findet der Größte Verlust im Handel und den privaten Haushalten statt. Von den knapp 11 Mio. Tonnen entsorgter Lebensmittel in Deutschland fallen 61 % auf Privathaushalte zurück, 17 % jeweils auf Industrie und Großhändlern, sowie 5 % auf die lokalen Händler. Auf der einen Seite sortieren die Händler nach Haltbarkeitsdatum und Aussehen der Produkte, insbesondere bei Obst und Gemüse, aus. Auf der anderen Seite landen im privaten Haushalt aus vielfältigen Gründen, wie z.B. durch Fehlkalkulation und fehlende Übersicht über die gekauften Mengen, viele Produkte im Müll. Der Fehler liegt also nicht nur bei den Konzernen und Händlern, sondern auch im privaten lassen sich Einkäufe und die Lebensmittelverwertung besser planen.

Können wir uns das leisten?

Laut FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) sind aktuell 800 Mio. Menschen nicht ausreichend mit Nahrung versorgt und leiden Hunger. Wenn also knapp jeder zehnte Mensch hungern muss, tut sich die Frage auf, ob man sich eine derartige Verschwendung der weltweiten Nahrung erlauben kann. Auch wenn die Zahl der hungernden Menschen sinkt, ganz verschwinden wird sie nach aktuellem Forschungsstand wohl nie. Durch das Containern wird man diese Probleme bei weitem nicht lösen können, aber es wird versucht, so auf die Thematik und die bestehenden Probleme aufmerksam zu machen. Rechtlich gesehen ist man jedoch klar im Abseits. Bis der Müll abgeholt wird, ist er Eigentum des vorherigen Besitzers. In dem Sinne ist Containern Diebstahl. Wenn man dann noch illegal auf ein Betriebsgelände steigt oder einen Zaun, ein Tor o.ä. beschädigt, können Landfriedensbruch und Sachbeschädigung sowie Einbruch hinzukommen. In der Praxis halten sich verfolgten Delikte durchaus in Grenzen, auch wenn es eine enorme Dunkelziffer geben dürfte. In den meisten Fällen werden die Verfahren meist gar nicht erst eröffnet, aufgrund von Geringfügigkeit oder mangelndem öffentlichen Interesse an der Verfolgung.

Es tut sich etwas

Der AStA Uni Greifswald wird zu dem Thema eine dreiteilige Veranstaltungsreihe im November durchführen. Unter dem Titel „Zu gut für die Tonne“ soll über Lebensmittelverschwendung und Containern aufgeklärt werden. Am 16.11 um 18 Uhr starten die Aktionstage im Jugendzentrum Klex mit einem Restekochen. Am 23.11 um 19 c.t. wird im Audimax der Film „Taste the waste“ in gemütlicher Runde und mit Platz für Diskussionen gezeigt. Den Schlusspunkt setzt am 30.11. der Vortrag von Christian Walter, Vertreter von „Aachen Containert e.V.“, mit dem Titel „Volle Bäuche statt volle Tonnen!“ um 19 Uhr c.t. im Audimax. AStA Co-Referentin für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit, Kira Wisnewski, wolle man „über die Thematik aufklären und sensibilisieren.“ Man wolle nicht zum Containern aufrufen, sondern vielmehr für das Thema sensibilisieren und die Menschen anregen, sich kritisch mit der Thematik auseinanderzusetzen.

„Generell denke ich, dass wir in einer Zeit leben in der sich immer mehr Menschen über die Problematik des übermäßigen, unbedachten Konsums bewusst werden und Mittel und Wege suchen sich mit dem Thema auseinander zu setzen und auch alternative Wege zu beschreiten. Und gerade auch in Greifswald werden einem beim nächtlichen „Sterneschauen“ auf Supermarktparkplätzen mehr als nur ein paar Menschen begegnen.“

Kira Wisnewski, AStA-Co-Referentin für Umweltpolitik und Nachhaltigkeit.  

An dieser Stelle möchte ich auf die interessante Reportage von Marco zum Thema Containern verlinken.

(Beitragsbild: Ole Kracht)