Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil gesprochen. Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NPD) ist nicht verboten worden.

Am 14. Dezember 2012 beschloss der Bundesrat mit großer Mehrheit seiner Mitglieder ein erneutes Verbot der NPD beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht zu beantragen. Nach einem bereits gescheiterten ersten Versuch im Jahr 2003 folgte heute, mehr als 5 Jahre nach Eröffnung des Verfahrens, die Urteilsverkündung. Vor wenigen Minuten verkündeten die Richter des Bundesverfassungsgerichts das Urteil im Verbotsverfahren der NPD:

Das NPD wird nicht verboten. 

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) vertritt ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept. Sie will die bestehende Verfassungsordnung durch einen an der ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeitet auch planvoll und mit hinreichender Intensität auf die Erreichung ihrer gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele hin. Allerdings fehlt es (derzeit) an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt, weshalb der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den zulässigen Antrag des Bundesrats auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Auflösung der NPD und ihrer Unterorganisationen (Art. 21 Abs. 2 GG) mit heute verkündetem Urteil einstimmig als unbegründet zurückgewiesen hat.

– Quelle: Auszug Pressemitteilung Nr. 4/2017 vom 17. Januar 2017, Bundesverfassungsgericht

Das Verbotsverfahren

Die Grundlage und Ausübung des Verbotsverfahrens ist im Grundgesetz Artikel 21 geregelt. Dort heisst es unter Absatz 2:

Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Aus der Bedeutung der parlamentarischen Demokratie ist für ein Parteienverbot ausschließlich das Bundesverfassungsgericht zuständig. Im Sinne des Art 21. Abs. 2 des Grundgesetzes ist eine Partei dann verfassungswidrig, wenn sie auch gewaltsam gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agiert. Im Urteil des Verbotes der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) von 1956 heisst es unter Punkt 5):

Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht anerkennt; es muß vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.

Die Hürden für ein Parteiverbot sind hoch angesetzt. Nur die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag dürfen einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Mit Ausnahme auch Landesregierungen, wenn die zu verbietende Partei nur im dementsprechenden Bundesland aktiv ist. Auf Grundlage von öffentlich-zugänglichen Informationen und Recherchen, beispielsweise durch Äußerungen oder Taten von Parteifunktionären, Parteizeitungen und Werbemaßnahmen, kann eine Verfassungswidrigkeit durch die Richter des Bundesverfassungsgerichts geprüft werden. Dabei wird eine Zweidrittel-Mehrheit benötigt, also müssen mindestens 6 der 8 Richter im zuständigen Senat zustimmen. Sollte dies zutreffen, wird nicht nur die Gründung von Ersatzorganisationen verboten, sondern auch Parlamentsmandate aufgehoben, Vermögen beschlagnahmt und die Geschäftsstellen der Partei geschlossen. In nächster Instanz könnten Vertreter der verbotenen Partei jedoch noch an das Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen, welches noch strengere Kriterien als das Bundesverfassungsgericht voraussetzt. Demnach müsse eine konkrete Umsturzgefahr für eine Verfassungswidrigkeit vorliegen.

Zum ersten NPD-Verbotsverfahren

Bereits 2001 erhielt das Bundesverfassungsgericht Anträge für ein erstes NPD-Verbotsverfahren durch die Bundesregierung unter Gerhard Schröder sowie dem Bundesrat und Bundestag. Doch zu einer Prüfung der Verfassungswidrigkeit der Partei kam es erst garnicht. Bereits zwei Jahre später, am 18. März 2003, musste das Verfahren eingestellt werden. Grund dafür war die Rolle des Verfassungsschutzes. Dieser hatte bereits zuvor V-Leute, sogenannte Verbindungs- oder Vertrauenspersonen in die Parteiführung eingeschleust, um unerkannt Informationen über die Arbeit und Strukturen der rechtsextremen Partei zu bekommen. Das Verfahren entwickelte sich dadurch zu einem Skandal, da bekannt wurde, dass der nordrhein-westfälische Landesverband der NPD durch V-Leute gesteuert wurde. 3 von 7 der zu entscheidenden Verfassungsrichter sahen dadurch ein Verfahrenshindernis gegeben und somit war eine spätere erforderliche Zweidrittel-Mehrheit bereits ausgeschlossen.

Etappen des aktuellen NPD-Verbotsverfahrens*

  • 05. Dezember 2012: Eine Initiative der Innnenminister der Länder spricht sich bei einer gemeinsamen Herbsttagung (Innenministerkonferenz) in Rostock für ein erneutes Verbotsverfahren aus. Sicherheitsbehörden stellten zuvor aus ausschließlich öffentlich zugänglichen Quellen Informationen zusammen, um die kämpferisch-aggresive Haltung der NPD
  • 06. Dezember 2012: Die Regierungschefs der Länder folgen dem Verbotsverfahren.
  • 14. Dezember 2012: Der Bundesrat beschließt in seiner Sitzung am 14. Dezember 2012 nahezu einstimmig, einen neuen Anlauf für ein Verbot der NPD zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe soll erneut über die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD entscheiden. Seinen Beschluss begründete der Bundesrat mit der festen Überzeugung, dass es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei handelt. Sie sei nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen und sogar zu beseitigen.
  • 20. März 2013: Die Bundesregierung lässt in der Bundespressekonferenz mitteilen, dass sie die Entscheidung des Bundesrates mit Respekt zur Kenntnis nimmt, einen zusätzlichen eigenen Verbotsantrag jedoch nicht für erforderlich hält.
  • 25. April 2013: Der Bundestag sieht keine Erforderlichkeit in einem eigenen Verbotsantrag.
  • 03. Dezember 2013: Die Klageschrift zum NPD-Verbotsverfahren wird im Bundesverfassungsgericht Karlsruhe eingereicht
  • 27. März 2014: Bestätigung des Eingangs der NPD-Stellungnahme durch das Bundesverfassungsgericht.
  • 15. Mai 2015: Bundesrat legt geforderte Materialien zur Abschaffung der V-Leute in der NPD vor.
  • 07. Dezember 2015: Das Bundesverfassungsgericht beschließt, die Verhandlung über die Anträge des Bundesrates durchzuführen. Eine Verhandlungsgliederung wird veröffentlicht.
  • 01. März 2016: Die mündliche Verhandlung  zum NPD-Verbotsverfahren beginnt. Diese dauerte drei Tage.
  • 03. November 2016: Das Bundesverfassungsgericht teilt mit, dass der Zweite Senat am Dienstag, 17. Januar 2017 um 10 Uhr sein Urteil verkünden wird.

Wirkung in Mecklenburg-Vorpommern

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NPD Zentrale in Anklam

Mit insgesamt 53 Mandaten in den Kommunalparlamenten in M-V. Sie ist in allen 6 Kreistagen vertreten und in der Bürgerschaft Rostock vertreten. Bei der vergangenen Landtagswahl im letzten Jahr verpasste die NPD den Wiedereinzug um 2 Prozentpunkte. Zum Vergleich: vor 10 Jahren stand die NPD landesweit noch bei 7,2%. Nun waren es lediglich 24000 Stimmen, die die Partei noch bekommen hat. Mit einem möglichen ausgesprochenen, bundesweiten Verbot, würden alle Mandate der NPD-Vertreter aufgehoben. Sämtliche Geschäftsstellen müssten geschlossen werden. Inwieweit die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgericht, die Partei nicht zu verbieten, Auswirkungen auf die neonazistischen Strukturen in Vorpommern haben wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch eines: das rechte Problem in dieser Region wird sich dadurch nicht in Luft auflösen.

 

*Quelle: Bundesrat
Bildquelle Beitragsbild: Elkawe, VerfG-Tafel wikipedia.