Kochen ist unser liebgewonnenes, aber zeitintensives Hobby. webmoritz. goes kitchen, begleitet uns auf unseren kulinarischen Reisen!
Autorinnen: Rebecca Firneburg & Constanze Budde
Alles neu macht der Mai – und das gleich so schnell, dass wir völlig überrascht sind, dass es nun schon wieder Ende des Monats ist. Dabei hatten wir doch noch niemanden, bei dem wir uns zum Kochen einquartieren konnten! Ein möglicher Kandidat musste leider wegen Zeitmangel absagen – aber zum Glück hat Rebecca einen sehr spontanen Kommilitonen, der uns donnerstags dazu einlud, am Freitag zu ihm zu kommen.
Wenn ihr Fragen zu einzelnen Rezepten habt, Praxistipps benötigt oder uns einfach nur wissen lassen wollt, wie ihr die Rezepte fandet, dann könnt ihr gerne die jeweiligen Artikel unten kommentieren.
Ihr habt selbst tolle Rezepte und möchtet diese mit anderen Greifswaldern teilen? Kein Problem. Ladet uns doch zum Kochen und Probieren eurer Köstlichkeiten ein und wir schreiben darüber!
Anwar hat eine urgemütliche WG-Küche im Dachgeschoss – und wenn man nicht wüsste, welches Fach er studiert, würde man spätestens durch die vielen braunen gut sortierten Gläser auf dem Küchenbrett darauf kommen: Anwar studiert Pharmazie, und die Gläser erinnern wirklich an eine alte Apotheke, nur dass Anwar sie mit allen möglichen Gewürzen gefüllt hat, die man sich nur vorstellen kann, und mit Gewürzen, von denen man noch nie etwas gehört hat. Schilder lesen hilft auch nicht viel, denn die meisten Namen sind auf Hindi und Urdu auf die Gläser geschrieben – für uns also leider unverständlich.
Aber Anwar erklärt – während auf dem Herd schon das Essen vor sich hin kocht. Moment, wir wollten doch helfen und uns nicht an den gedeckten Tisch setzen! Doch zum Glück gibt es auch für uns noch etwas zu tun. Denn Anwar hat sich viele tolle Köstlichkeiten für uns überlegt, die es noch vorzubereiten gilt. Zur Vorspeise soll es
Wurzelgemüse-Salat
geben.
Dazu brauchen wir:
- 1 Rote Beete
- 1 große Möhre
- 1 Bund Radieschen
- 1 kleine Hand voll Rosinen
- 1 kleine Hand voll Cashewkerne
- Olivenöl
- Zitronensaft
- Salz, Pfeffer
Und so einfach wird er zubereitet:
Anwar putzt das Gemüse fein säuberlich mit einer Bürste in der Küchenspüle, sodass uns das Schälen der Roten Beete und der Möhre erspart bleibt. Stattdessen dürfen wir nun abwechselnd reiben. Wie schön, dass Rote Beete auch die Hände so toll einfärbt! Und während unsere Hände und Gesichter immer röter werden, wächst in der Salatschüssel der Berg aus fein geraspeltem Wurzelgemüse. Alles wird gut vermischt, Rosinen und Cashew-Kerne untergehoben, mit Salz und Pfeffer abschmecken und je einen guten Schuss Zitronensaft und Olivenöl darüber geben. Schon fertig.
Bewertung:
Haushaltskasse:
Küchenchaos:
Gaumenfreude:
Als wir gerade den Tisch abgewischt haben, kommt noch Niklas dazu. Ein weiterer Kommilitone von Rebecca und Anwar. Er freut sich, dass er sich an den gedeckten Tisch setzen darf und nicht hilfreich im Weg herumstehen muss. Nach dem etwas drückenden Wetter draußen ist der Salat herrlich erfrischend. Die Rosinen verleihen einen tollen süßen Geschmack, die Cashews sorgen für den nötigen Biss. Wir sind begeistert und ehe wir es uns versehen, ist die große Schüssel auch schon leer.
Da die Hauptspeise noch ein wenig Zeit braucht, holt Anwar ein Experiment aus einer Küchenecke hervor. Es ist, nun ja, schwer zu erklären. Sagen wir, ein großes Einweckglas, das auf den ersten Blick ein wenig an die Eingelegte-Tiere-Sammlung im Biotrakt von manch alter Schule erinnert. Oder doch an Omas altes eingemachtes Obst, das seit Jahren im Keller rumsteht? Wir gucken alle sehr skeptisch: „WTF ist DAS?!“ „Nun ja“, beginnt Anwar, „das ist eingelegtes Gemüse.“ Welches genau, können wir nicht erkennen, da es in kleine Spalten geschnitten ist. Und nach vier Wochen im Glas hat es außerdem seine ursprüngliche Farbe verloren. Aber Anwar meint sich erinnern zu können, dass er Rettich und Möhren eingelegt habe. Die Flüssigkeit ist Salzwasser, die sich mittlerweile mit der Gemüseeigenen Flüssigkeit gemischt und rosa gefärbt hat. Um das Gemüse herum schwimmen verschiedene Gewürze. „Okay, wer mag probieren?“ *schluck* Wir waren ja auf Überraschung vorbereitet, aber dass es so weit gehen sollte… ?
„Was sind denn das für Ablagerungen da oben am Rand?“, überlegt Niklas. „Das sind Milchsäurebakterien aus der Luft. Ich hab bei der Herstellung ja nicht steril gearbeitet, also wurde das durch die umherfliegenden Bakterien gleich geimpft“, meint Anwar dazu. Und schon stürzen sich drei Pharmazeuten in eine wilde Diskussion, welche bösen und sofort-zum-Tode-führenden Bakterien sich dort angesammelt haben könnten. Die einzige Geisteswissenschaftlerin am Tisch hält sich aus der Diskussion raus und fragt sich insgeheim, ob es sich entspannter stirbt, wenn man weiß, was einen da gerade umbringt. Zumal man sich auf die schnelle Hilfe der Pharmazeuten wohl nicht unbedingt verlassen kann, denn so sicher sind sie sich mit den einzelnen Bakterien dann doch nicht. Nur so viel: „Also Schimmel ist es ganz sicher nicht. Und alles andere kann ja nicht so schlimm sein!“ Also dann!
Mutig tauchen wir eine Gabel in das Glas und nehmen uns ein paar farblose Gemüsestückchen. Der Geschmack ist unbeschreiblich. Schon sehr sauer, aber stellenweise auch gar nicht so schlecht. Das Gewürz, was die ganze Sache interessant macht, ist Piment. Nachdem wir den ersten Biss offenbar überlebt haben, widmen wir uns doch wieder dem ursprünglichen Menü zu, das schon köstlich vom Herd duftet. Es gibt
Kirchererbsen-Gemüse-Curry mit Hirse
Dazu werden folgende Zutaten benötigt:
Für die Hirse:
- 200 g Hirse
- 500 ml Wasser
- etwas abgeriebene Orangenschale
- Stich Butter
- Salz
Für das Curry:
- 250 g getrocknete Kichererbsen
- 1 Stange Lauch
- 1 Pastinake
- 1 Bund grüner Spargel
- 1 EL Ghee (indischer Butterschmalz)
- 1 Glas Tomatenmark
- 1 Hand voll Rosinen
- 1 Knochlauchzehe
- 1 Stück Ingwer
- Salz, Pfeffer
- Zitronensaft
- jede Menge Gewürze (nach Geschmack): viel Curcuma, viel Koriander, Cumin, Kardamom, Zimt, Nelken, Schwarzkümmel, Bockshornklee, Teufelsdreck (Asant, Asafoetida)
Die Kichererbsen hat Anwar schon über Nacht in Wasser eingeweicht. Am Tag des Geschehens müssen sie trotzdem noch gute zwei Stunden gekocht werden, bis sie weich sind. Achtung: Die Zeit muss man wohl einkalkulieren! Das hatte Anwar netter Weise schon erledigt, bevor wir kamen.
Und so wird’s zubereitet:
Pastinake, Porree und Spargel werden klein geschnitten. Diw Pastinakenwürfel und Lauchringe werden zu den Kichererbsen in den Topf gegeben und gut durchgekocht. (Der Spargel kommt erst ganz zum Schluss dazu, damit er schön knackig bleibt!) Knoblauch und Ingwer werden in feine Würfel geschnitten und zusammen mit den Rosinen und dem Tomatenmark ebenfalls mit in den Topf gegeben.
Dann holt Anwar ungefähr jedes zweite der braunen Gewürzgläser vom Regal und gibt mehr oder weniger große Anteile von ihrem Inhalt in eine Gewürzmühle. Schon beim Mahlen wird die Küche mit einem Geruch erfüllt, der uns auf eine imaginäre Reise nach Indien schickt. Verzückt schließen wir die Augen und können kaum aufhören, an den Gewürzen zu riechen. Aber vom Gewürze-Schnüffeln allein wird man ja nicht satt, deshalb kommt die Mischung auch zu den Kichererbsen in den Topf. Schließlich kommt noch ein Esslöffel Ghee dazu und es wird mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft abgeschmeckt. Jetzt das Ganze erstmal einköcheln lassen und fünf Minuten vor Servieren den Spargel dazugeben.
Die Hirse wird zusammen mit der Orangenschale und etwas Butter in einem separaten Topf gekocht. Nach gespanntem Abwarten stehen endlich beide Töpfe vor uns auf dem Tisch. Wir bedienen uns reichlich – der Geruch ist einfach zu verführerisch-exotisch! Und schon können wir eins der aufregendsten Currys kosten, die wir jemals gegessen haben. Auf die Idee, ein Curry mit Kichererbsen zu kochen, wären wir eher nicht gekommen. Aber wir müssen sagen: Leider geil!
Bewertung:
Haushaltskasse:
Küchenchaos:
Gaumenfreude:
Wir verlieren uns in einem Gespräch darüber, wie toll Kichererbsen sind und Anwar verrät uns gleich noch, wie man Humus am besten selbst machen kann. „Olivenöl, ganz wichtig!“, betont er. „Bei Anwar muss immer viel Olivenöl ins Essen, wenn sich kein Fett oben absetzt, ist’s nicht gut“, spöttelt Niklas. À propos Fett: In das Curry kommt beim Servieren noch ungefähr ein halbes Pfund Butter. Weil Niklas und Rebecca sich dafür nicht so richtig begeistern können, halten wir das separat. Aber Anwar und Constanze sind sich einig: Mit einem „Flöckchen Butter“ wird jedes Essen besser . Es verleiht dem Curry tatsächlich noch einmal besondere Note. Aber ob mit oder ohne Butter, Anwars Curry ist auf jeden Fall ein Erlebnis. Mit der Hirse irgendwo unten auf dem Teller als Grundlage erleben unsere Geschmacksnerven ein Feuerwerk aus süß von den Rosinen, herb von diversen, einzeln kaum noch bestimmbaren Gewürzen, und scharf vom Ingwer. Die Kichererbsen zergehen weich auf der Zunge und der Spargel ist tatsächlich noch knackig. Einfach WOW!
Wir haben dieses Hauptgericht schon jetzt zu unserem Highlight des Abends erklärt – und dabei haben wir den Nachtisch noch gar nicht probiert. Zusätzlich aufgewertet wird dieser Teil des Menüs durch unsere unheimlich gehaltvolle Unterhaltung über Stuhltransplantation (Tjaja, wenn man mit Pharmazeuten dinniert… ) und Modewörter und -ausdrücke. Ausgelöst dadurch, dass Anwar das Wort „übelst“ in den Mund genommen hat, entspannt sich eine Diskussion darüber, ob und wann man „voll“, „total“, „krass“ oder „mega“ sagen kann und darf. „Töfte“ ist total altmodisch, „tofte“ kann man aber im Ruhrgebiet durchaus sagen, in gewissen Kreisen. Wir stellen fest, dass man „fancy“ sehr gut beugen kann, „sau-nice“ ziemlich abgefahren klingt und „ultra“ total out ist, und wir giggeln vergnügt vor uns hin. Wir wissen nicht genau was, aber irgendetwas müssen wir in unserem Tulsi-Tee (gehabt) haben…
Zwischenzeitlich kommen wir auch auf Geographie, einige von uns sind plötzlich nicht mehr ganz so sicher, ob Trier im Saarland liegt, und ob die Mosel aus Frankreich geflossen kommt (lahmer Witz eines nicht genauer benannten Teilnehmers dieser illustren Runde: „Na klar, da heißt sie noch Mademoiselle – wer Französisch richtig aussprechen kann, ist klar im Vorteil…“) Zum Glück weiß Google auf diese kleinen Unsicherheiten eine gute Antwort, die wir kaufen und uns dann doch wieder dem Essen widmen. Hirse und Kichererbsen sind schließlich zu schade, um stehengelassen zu werden. Irgendwann ist auch der große Topf ziemlich leer, unsere Mägen dafür umso voller.
„So, jetzt gibt es unterschiedliche Möglichkeiten für den Nachtisch“, kündigt Anwar an. Alle Varianten erhalten die Grundlage Schokobecher. Wir entscheiden uns gegen Frucht und für Sahne – wenn schon, denn schon! Also gibt es
Schokobecher mit Safran-Kardamom-Sahne
Benötigt werden:
- Schokobecher (ungefähr schnapsglasgroße Becher
aus dunkler Schokolade; gibt’s ab und zu bei Aldi) - 200 g süße Sahne
- ½ TL Safran
- ½ TL Kardamom
- ½ TL Puderzucker
Das ist schon einmal eine großartige Basis, die wir ohne Widerspruch annehmen. Aber soll die Sahne geschlagen werden oder flüssig in den Becher? Flüssig schmeckt irgendwie genialer, weil sich Sahne und Schokolade dann im Mund so schön miteinander vereinen – ist aber schwierig, das ohne Sauerei hinzubekommen. Nach einiger Diskussion über das Für und Wider wird die Sahne geschlagen. Aber erst muss der Safran für ein paar Minuten in den Ofen, damit man ihn dann im Mörser pulverisieren kann. Anwar geht auch hier sehr akribisch und irgendwie sehr Apotheker-like vor. Zu dem Safran noch ein bisschen Kardamom und Puderzucker und die Gewürzmischung in die Sahne geben. Gut verrühren, bis die Sahne eine gelbe Farbe angenommen hat und anschließend die Sahne einigermaßen steif schlagen. Mit einem Teelöffel wird die Sahne dann in die Schokobecher verteilt. Und da wir viel Sahne haben und viele Schokobecher, bekommt jeder von uns gleich viermal Nachtisch. Zugegeben, bei der dritten Portion müssen wir schon kämpfen – schließlich waren die ersten beiden Gänge auch schon sehr reichhaltig. Aber diese Safransahne schmeckt halt einfach zu gut – und Nachtisch passt ja bekanntlich immer!
Bewertung:
Haushaltskasse:
Küchenchaos:
Gaumenfreude:
Beim Verzehr gibt es übrigens unterschiedliche Methoden: Entweder genussvoll die Sahne aus dem Schokobecher schlecken und den Safrangeschmack im Mund entfalten lassen und anschließend die Schoki gemütlich wegknabbern, oder gleich den ganzen Schokobecher mit Sahneinhalt in den Mund schieben. Letztere Variante eignet sich vielleicht eher für die Leute mit großer Klappe 😉
Schließlich sind alle Schokobecher verputzt und wir so satt und rund und glücklich, dass wir gar nicht mehr wissen, wie wir aufstehen sollen. Deshalb bleiben wir einfach noch ein Weilchen sitzen, kommen schon wieder auf pharmakologische Studieninhalte (Freak-Show!) zu sprechen (Constanze braucht beim nächsten Mal geisteswissenschaftliche Unterstützung!) und spüren dem Safran und Kardamom in unserer Mundhöhle nach. Um halb zwölf ist das Essen soweit gesackt, dass wir uns mühevoll erheben und uns so langsam Richtung WG-Tür bewegen. Jetzt erwacht auch Constanze noch einmal aus dem Esskoma und darf noch ihr geballtes Wissen zum Thema „Gender“ und ob-wir-als-Mann-oder-Frau-geboren-werden-oder-nur-die-Gesellschaft-uns-dazu-macht zum Besten geben. Doch schon bald wird sie gestoppt. Wir sind jetzt einfach hundemüde und wollen nur noch ins Bett! Zum Glück haben wir es alle ein Stück bis nach Hause, das reicht für den nächtlichen Verdauungsspaziergang. Aber bei Anwar waren wir sicher nicht zum letzten Mal. In seinem Gewürzregal gibt es noch eine Menge zu entdecken!
Fotos: Rebecca Firneburg