Autor: Michael Fritsche
Ein Mittwoch-Termin um 14:00 Uhr in der Slawistik. Es geht um eine Buchvorstellung. Für mich ist das ohne Zweifel Neuland. Die Drumherum-Beschreibungen zu den Sportberichten erfreuen sich auf dieser Plattform wachsender Beliebtheit. Warum also nicht mal der Leserschaft schildern, wie so die Atmosphäre in der Slawistik ist, denn da war ja mal was…
Angekommen im Eingangsbereich des kleinen Instituts in der Domstraße wirkt dieser mit seinen Metallsesseln wie der Wartebereich eines Kleinstadtbahnhofs. Endstation Slawistik. Vor kurzem mussten das Sofa und die Sessel weichen. Offiziell werden brandschutztechnische Bestimmungen angegeben. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass dadurch wohl brennende Barrikaden verhindert werden sollten. Spaß beiseite. Was war passiert? Nicht nur in der Ost-Ukraine ging es im Sommer heiß her. Hier in Greifswald machte wieder einmal der fiese Bildungsrotstift die Institutslandschaft unsicher. Die Bohemistik und Ukrainistik standen mehr als auf der Kippe. Eine Streichung des polnischen Bereiches wäre noch wohl eine Nummer zu frech gewesen.
Studierende und Lehrkräfte ziehen an einem Strang
Studierende und Dozenten hielten zusammen und sorgten für ein gar nicht so geringes öffentliches Interesse. Unter dem Strich existiert das Institut weiterhin wie dieses kleine gallische Dorf. Die zahlreiche negative Berichterstattung des Sommers wirkte natürlich nicht wie ein Magnet. Mal sehen, was da noch kommt. Mund abwischen und weiter. Leistung muss ja erbracht werden, weil daran die Institute gemessen werden. Im letzten Sommersemester wurde ein Seminar angeboten, in dessen Resultat nun heute die Vorstellung eines Wörterbuches erfolgte. Mit Phraseologie hatte ich bisher nichts zu tun, aber es schien, als ob dort nach geflügelten Worten und Wendungen im deutschen Sprachgebrauch gesucht wurde, die auf eine antike Herkunft schließen ließen. Die Forschungsarbeit bestand darin, die relevanten Sachen herauszufiltern, den Ursprung zu finden und sich dann im Anschluss auf die Suche nach Äquivalenten in slawischen Sprachen zu machen. Im Ergebnis gibt es jetzt deutschlandweit ein Werk in den Uni-Bibliotheken, das den Nachweis liefert, dass die europäischen Kulturen den gemeinsamen Ursprung und Wurzeln in der Antike haben. Außerdem wurde überprüft, ob diese Wörter und Worte in den verschiedenen Sprachen noch in Gebrauch sind und wo sie verwendet werden. Selbstverständlich dienen diese Werke auch Übersetzern. Unter den Anwesenden waren auch die Sprachwissenschaftlerin Svetlana Goigorevna Shulezhkova (Magnitogorsk) und der Gründer der Ukrainistik Valerij Michailovich Mokienko (St. Petersburg), welcher eine Rede in lateinischer Sprache hielt, in der er eine Vielzahl lateinischer Wendungen unterbrachte und die Mitarbeiter des Projekts ausdrücklich lobte. Lobende Worte fand auch Leiter des Projekts Prof. Dr. Walter, dem sichtlich gefiel, dass aus den Seminarteilnehmern ein Team wurde. Es ist nicht neu, dass das Klima in der Slawistik anders ist. Zwei Erstsemester berichten, dass „hier nicht akribisch nach Fehlern gesucht wird, sondern Stärken gefördert werden“, was pädagogisch zeitgemäß für die Ausrichtung hin zum individualisierten Unterricht steht.
Praxisnähe und Zwischenmenschlichkeit – der Weg zum Erfolg
Die Stimmung ist dadurch wesentlich entspannter, so wird es noch hinzugefügt. Sebastian, ebenfalls einer der Studenten, lobt, dass es diese Projekte gibt. Sie seien ein guter und praxisnaher Einstieg für Studierende in die Wissenschaft. Michał hebt hervor, dass hier einem die Lehrkräfte auf Augenhöhe begegnen und daher zwischenmenschlich optimale Lernbedingungen herrschen würden, was auch durch geringe Seminarteilnehmerzahlen erreicht wird. Optimale Lernbedingungen. Es sei ein Unding, dass solch ein pädagogisch fortschrittlich arbeitendes Institut so massiv torpediert wurde. Die „Ukraine-Krise“ hat Lehrkräfte und Studierende noch enger zusammenwachsen lassen. Und wie sieht es mit den Kritikpunkten aus? „Ich bin seit drei Semestern hier und konnte bisher nichts zum Kritisieren finden. Für die äußeren Umstände kann das Institut nichts.“
Das Buch ist nur über die Slawistik und gegen eine Spende erhältlich. Prof. Walter meint, dass das Geld wahrscheinlich der Flüchtlingshilfe und der Krebsabteilung des Kinderkrankenhauses zur Verfügung gestellt wird.
Schon ab April wird am nächsten Wörterbuch gearbeitet werden.
Beitragsbild: Michael Fritsche