Wolfgang Koeppen– jeder Greifswald-Neuling, Ersti oder Kurztrip-Biker, der hier einmal in der Stadt ist oder war hat diesen Namen mit Sicherheit mindestens einmal gehört. Was hat es mit Koeppen und Greifwald auf sich? Mit dieser Frage im Hinterkopf besuchte ich am 05.11.15 eine Vernissage unter dem Titel: „Ich war Zeuge, aber ich bin nicht dabei gewesen“, die in der Rathausgalerie Greifswald stattfand.

Dort wurde eine Ausstellung zu Wolfgang Koeppens „Jugend“ eröffnet. Schüler des Grafikdesign-Studienfachs der Medien- und Informatikschule Greifswald ließen sich von Koeppens Texten aus seiner Prosa inspirieren und setzten verschiedene Textausschnitte daraus bildhaft in Szene. Die Ausstellung gehört zu der Veranstaltungsreihe „Ich versuchte die Stadt“ des Literaturzentrums Vorpommern im Koeppenhaus. Die Vernissage war sehr gut besucht, es waren viele Leute im Raum und der Musiker Bob Beeman spielte an einem Ende des Raumes schon an seiner Gitarre.

An den Wänden waren viele in schwarz, weiß und rot gehaltene Bilder zu erkennen. Die Eröffnung begann mit einer Dankesrede des Oberbürgermeisters Dr. Stefan Fassbinder. Es folgten weitere kurze Reden, unter anderem von Frau Fahr, der Vorstandsvorsitzenden des Koeppenhauses, die mit den Schülern an dem Projekt gearbeitet hat.

Nach einem herzlichen Applaus der Besucher, welche größtenteils die Schüler selbst waren, die an dem Projekt gearbeitet haben, nahm man sich Sekt und Snacks, unterhielt sich und verteilte sich im Raum vor den Bildern. Das erste, was ich mir ansah war ein in schwarz-weiß gehaltenes Bild, auf dem eine männliche Gestalt auf dem Marktplatz zu erkennen ist. Hinter ihm sind Fäuste und Finger zu sehen, die bösartig auf ihn zeigen. In einigen Händen sind sogar Messer zu erkennen. In dem Text dazu steht an einer Stelle „Es berührte mich nicht“. Warum hatte der Protagonist Feinde in der Stadt? Und warum war es ihm so egal?

Ich schaute mir ein anderes Bild an. Dort beschreibt er: „Ich zündete die Stadt an. Erdmanns Warenhaus brannte. Eine Fackel in der Nacht. Das Rathaus brannte (…)“ Es wurde eine Bildgeschichte dazu kreiert, in der die verschiedenen Situationen im Text als Fotocollage von selbstgebastelten Szenen dargestellt wurden. Warum der Protagonist die Stadt anzünden möchte, bleibt unbeantwortet. Vielleicht, weil er von seinen Mitmenschen mit Messern bedroht wird, dachte ich mir kurz. „Koeppens‘ Jugend‘ handelt von einem jungen Mann, der sich in seinen Texten mit seiner Umwelt und der Stadt Greifswald auseinandersetzt, die geprägt sind von bildhaften Beschreibungen“, ließ ich mir erklären. Die Schüler gingen mit verschiedenen Interpretationen und Herangehensweisen an die Texte und nahmen seine bildhaften Beschreibungen als Inspiration für ihre eigenen Bildgeschichten.

Schwermut

Mir fiel auf, dass alle Bilder eines gemeinsam hatten: Schwermut. Sie spiegeln die allgemein düstere Stimmung der Texte wider, in denen klar wird, dass der Protagonist schwere Identitätskrisen und Unsicherheiten durchmacht. Er erlebt die Stadt als Einzelgänger und Außenseiter.

Als nächstes schaute ich mir eine Bildcollage an, die Szenen auf einem Friedhof illustrierte. Die Bilder waren ebenfalls schwarz-weiß mit einigen sehr markanten Details in Rot. Die Figuren auf dem Bild hatten rote, wie mit Blut verschmierte Augen. Ich überlegte mir in welchem Zusammenhang die Bildergeschichte mit dem darunter stehenden Text steht, was ich mich bei einigen etwas abstrakteren Bildern ebenso fragte. Manche Bilder lassen dem Zuschauer wohl Raum für freie Interpretationen. Mir fiel wieder die Hintergrundmusik auf, als ich mich kurz von den Bildern abwand. Die beschwingten Klänge aus der Gitarre des Musikers Bob Beeman schufen einen wundervollen Kontrast zu der etwas schwermütigen Stimmung der Texte Koeppens, was mir sehr gefiel. Ich blätterte in dem Buch „Jugend“ herum, das als Anschauungsexemplar auf einem Infotisch lag. „In meiner Stadt war ich allein“, heißt es in einer Textstelle. Der Protagonist verwirrte mich und gleichzeitig war ich neugierig. Warum hatte er es so schwer? Neben Koeppen-Fans ist die Ausstellung sicher auch interessant für Leute, die an Bildgeschichten und Collagen interessiert sind und sich inspirieren lassen möchten. Wer neugierig geworden ist, kann sich die Ausstellung in der Zeit vom 06.November bis zum 30. Dezember 2015 in der kleinen Rathausgalerie ansehen.

Fotos: Selin Cavus