geschrieben von Tom Peterson
Groß sollte die Demonstration gegen TTIP und CETA – den Freihandelsabkommen zwischen den USA, Kanada und der EU – am vergangenen Samstag in Berlin werden. Weitaus größer ist sie geworden. Mit den 250.000 Teilnehmern hatten nicht einmal die Veranstalter gerechnet. Bereits im Vorfeld zu dem friedlichen und bunten Protest machten kritische und teils diffamierende Kommentare gegen die TTIP-Gegner die Runde.
Wer am letzten Samstag in Berlin noch schnell seinen Zug erreichen wollte, hatte es wahrlich nicht einfach. Im Laufe des Vormittags hatten sich ca. 60.000 Menschen auf dem Washington-Platz vor dem Hauptbahnhof versammelt, um gemeinsam gegen das Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada zu protestieren. Zeitweise musste sogar der S-Bahnverkehr in dem Gebiet eingestellt werden, da fast im Minutentakt weitere Zehntausende mit mehreren Sonderzügen und Bussen aus der gesamten Bundesrepublik dazukamen.
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Aufgerufen zu dem Protest, dem sich schlussendlich ein Viertelmillionen Menschen angeschlossen haben, hatte ein buntes Potpourri aus zahlreichen Verbänden. Von Verbraucherschutz- und Umweltorganisationen, über Globalisierungskritiker und Gewerkschaften, bis hin zu verschiedenen Parteien war eigentlich alles dabei. Dies spiegelte sich auch in den zahlreichen und teils durchaus kreativen Plakaten und Fahnen wieder. Zahlreiche Musiker und Trommler begleiteten den Protestzug, dem sich auch zahlreiche Familien mit ihren Kindern anschlossen.
CDU bezeichnet TTIP-Gegner als „Empörungsindustrie“
Bereits im Vorfeld hatten sich Befürworter des Freihandelsabkommen, allen voran Vertreter der CDU/CSU und SPD, kritisch über den bundesweiten „Anti-TTIP-Tag“ geäußert. CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer bezeichnete in einer Bundestagsrede vom 01. Oktober die Veranstalter als „Empörungsindustrie“ und „einfach strukturiert“.
In einer ganzseitigen Anzeige, die am Tag der Demonstration in mehreren überregionalen Zeitungen erschien, erklärte der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) „Bangemachen gilt nicht“. Das Abkommen biete Chancen neue Standards für den Welthandel zu setzen. Die Gegner des Freihandelsabkommen sehen dies ein wenig anders.
„Wir sind hier, weil wir die Zukunft nicht den Märkten überlassen, sondern die Demokratie retten wollen“, sagte Michael Müller, Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, in seiner Auftaktrede. BUND-Chef Hubert Weiger erklärte: „Diese Abkommen haben nicht eine fairen Handel zum Ziel, sondern dienen ausschließlich kurzfristigen Gewinninteressen von Konzernen“. Viele der Demoteilnehmer kritisieren die große Intransparenz, mit denen die Verhandlungen geführt werden und sehen in den umstrittenen „Schiedsgerichten“ eine Untergrabung der Demokratie.
Rechtspopulismus und Antiamerikanismus?
Neben der Bundesregierung versuchten aber auch Wirtschaftsorganisationen wie der BDI und Medien wie Spiegel Online die Demonstranten als Panikmacher und als schlecht informiert darzustellen. Den Vorwurf des Antiamerikanismus wiesen die Veranstalter in Berlin empört zurück. „TTIP zu kritisieren heißt nicht, antiamerikanisch zu sein“, sagte Ben Beachy, Vertreter der US-Umweltorganisation Sierra Club. Jeder der der Kundgebung am Samstag in Berlin beiwohnte, konnte deutlich sehen, dass Rechtspopulismus, wie er zuvor in einem Spiegel Online-Artikel vorgeworfen wurde, kein wesentlicher Bestandteil war. Obwohl fremdenfeindliche Bewegungen wie Pegida, oder rechte Parteien wie AfD und NPD zur Teilnahme aufgerufen hatten, war davon nicht wirklich was zu sehen. Mitglieder der zur rechtsextremen Szene gehörenden „Identitären Bewegung“ wurden laut Aussagen von Augenzeugen schnell wieder aus der Kundgebung gedrängt. Konsequenter Weise müssen jedoch Aktionen wie eine nachgebaute Guillotine mit der Aufschrift „Pass bloß auf Sigmar!“ kritisiert werden und dürfen auch nicht überschaut werden.
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Auch der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider zeigte sich deutlich empört gegenüber den Vorwürfen seitens der Regierung. „Ich habe selten erlebt, dass ein so großes Bündnis so übel diffamiert wurde“, erklärte er in seiner Rede. „Mit Braunen und Rechten und Rassisten haben wir nichts zu tun.“ Gegenüber den Aussagen Joachim Pfeiffers urteilt Alexander Ulrich (Die Linke) im Bundestag berechtigter Weise: „Was sie hier gemacht haben ist eine pauschale Herabwürdigung zivilgesellschaftlichen Engagements.“
Die massive und teils diffamierende Kritik verhinderte die gewaltige Beteiligung an der Demonstration in Berlin nicht. Womöglich ließ sie sie erst so enorm werden. Zu Recht sehen sich die Gegner von TTIP und CETA nach dem letzten Samstag gestärkt und urteilten nach der Demonstration: „Heute ist ein großer Tag für die Demokratie.“
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Bilder: Tom Peterson