141 Tage, einen Wahlprüfungsaussschuss, sieben verschiedene Gutachten, mehrere emotionale Bürgerschaftssitzungen und die wohl berühmteste Fußmatte der Welt hat es gebraucht, bis Greifswald ein neues Oberhaupt der Verwaltung hat. Gestern war es nun endlich soweit, die Bürgerschaft entschied gegen 20:45 Uhr, dass Dr. Stefan Fassbinder der neue Oberbürgermeister sein soll.

Mit Spannung wurde die Sitzung bereits im Vorfeld erwartet. In vielen Berichten wurde der vermeidliche Wahlbetrug analysiert und versucht Lösungen zu finden, zuletzt in Auftrag gegeben vom Innenministerium in Schwerin. Der Wahlprüfungsausschuss hatte dies beauftragt (webmoritz. berichtete), nachdem er sich zwar mehrheitlich gegen eine Neuwahl ausgesprochen hatte, jedoch nicht sagen konnte, wie es genau weiter gehen soll. Die Sitzung gestern war voll wie noch nie, selbst das ZDbild2F schickte ein Kamerateam. Zunächst gab es jedoch zwei andere Themen, die behandelt werden mussten. Vor dem Rathaus hatten sich zwei Demonstrationen angemeldet. Die eine wurde von besorgten Bürgern unter dem Deckmantel der Atomgegner mit dem Motto:“ Gegen Atomwaffen auf deutschem Boden“ durchgeführt und fand etwa 30 Anhänger, die andere war eine angemeldete Gegendemonstration mit 250 Teilnehmern, die gegen rechte Gewalt aufliefen. Das zweite, etwas überraschende Thema war die mögliche Wiedereingemeindung von Wackerow. Die Gemeinde hatte Interesse bekundet, erneut zu Greifswald gehören zu wollen. In den kommenden Wochen wird es zu Gesprächen kommen.

Eine Debatte der OB-Wahl nicht würdig

Der Tagesordnungspunkt, der alle interessierte, wurde mit zwei Redebeiträgen von Prof. Wolfgang Joecks (SDP) und Dr. Sascha Ott (CDU) eingeleitet. Die beiden Bürgerschaftsmitglieder stellten ihre teils gegensätzlichen Gutachten vor und appellierten, nicht ganz ohne Pomp und Pathos, an die restlichen Abgeordneten das Richtige zu tun. Die beiden Juristen verzichteten größtenteils auf Fachbegriffe und Paragraphen, jedoch nicht auf Seitenhiebe und Anschuldigungen, um das Geschehene zu umreißen. Im Folgenden driftete die Debatte ein wenig ab. So bezichtigte Dr. Ott etwa die regionale Presse als voreingenommen und schlichtweg nicht fähig den ihr angedachten Job zu verrichten. Gerade die Kollegen der Ostsee-Zeitung gerieten ins Wortfeuer. Die nötigen und hilfreichen Argumente waren schnell gesagt und wiederholt, weswegen einige Redebeiträge lediglich der Diffamierung der Gegenseite dienten. Axel Hochschild (CDU) betonte in seinem Redebeitrag das, was alle bereits befürchtet hatten:“ Wollen Sie wirklich eine Oberbürgermeister, der nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zurückgedreht werden muss?“ Damit sagte er an diesem Abend nichts anderes als dass die CDU, im Falle einer Bestätigung von Stefan Fassbinder, klagen würde. Gegen 20:40 Uhr war es dann soweit. Die Präsidentin der Bürgerschaft, Birgit Socher, rief zu der namentlichen Abstimmung auf. Bei zwei abwesenden Mitgliedern wurde Stefan Fassbinder mit 24 Ja- und 17 Gegenstimmen als neuer Oberbürgermeister bestätigt. Nachdem dieser vom alten OB, Dr. Arthur König und Birgit Socher mit Blumen beglückwünscht wurde, rief er in seiner Antrittsrede dazu auf, das Ergebnis zu akzeptieren und nun endlich gemeinsam für Greifswald zu arbeiten. Außerdem freue er sich auf die anstehenden Aufgaben, welche vor ihm liegen. Bereits heute hat er ein Treffen mit Dr. König um die Amtsgeschäfte zu übernehmen.

 

Fotos: Archiv /Philipp Schulz