Eine Reportage von Paul Zimansky und Enzo Petzold

Es ist kurz nach 11 Uhr an einem heißen Donnerstag, im Schatten sind 28 Grad. Die Aussichten auf ein hitziges, langes Festivalwochenende stehen bestens. Nach mehr als 4 Stunden Autofahrt sind wir nun endlich in Großpösna, unweit von Leipzig, angekommen. Möge das Highfield 2015 beginnen. Wir sind bereit! Und ihr?

Zahlreiche Autos stehen schon Schlange, hier auf der Bundesstraße, um auf den staubtrockenen Feldparkplatz fahren zu können. Wir zählen zu den ersten Hundert von etwa 25000 Besucherinnen, die bereits einige Stunden vor Einlassbeginn hier warten. Zu unserem Pech ist noch nicht einmal der Parkplatz freigegeben. Wir werden gebeten, uns irgendwo anders eine Parkmöglichkeit zu suchen, bis das „Go“ von der Leitung kommt, sagt uns eine Lotsin.

Ein gut gemeinter Rat an dieser Stelle: Parkt niemals ohne nachzufragen auf einer privaten sächsichen Feldfläche, wenn ihr nicht Ärger mit dem ansäßigen Bauern bekommen wollt.

„Ich haöbe das Ördnungsamd informierd…. Söehd zü, dass ihr die Audos von meenem Grundschdügg endfernd, sonsd wird das rischdig deuer für den Veranschdaldor,“ schallt es den überforderten Lotsinnen entgegen. Wir stellen uns stattdessen in eine der wenigen Nebenstraßen. Vor und hinter uns bilden sich im Minutentakt lange Autoschlangen. Die ersten Festivalgänger fangen an, es sich auf der Straße gemütlich zu machen, ein Bierchen zu zischen und sich die senkrecht stehende Sonne auf den Pelz scheinen zu lassen. Als Außenstehender könnte man meinen, sie blockieren die Straße, aber das ist ein anderes Thema. Ein vorbeifahrendes Polizeiauto erkennt schnell, dass es hier trotz Parkverbots wenig Sinn hat, Strafzettel zu verteilen. Jetzt wird klar: Wenn der Festivalparkplatz nicht bald seine Pforten öffnet, wird die Infrastruktur Großpösnas vollkommen außer Kraft gesetzt. Mittlerweile ist auch die Bundesstraße soweit das Auge reicht voll mit PKWs aus allen Teilen Deutschlands. Gegen 12 Uhr nehmen wir das Zepter in die Hand und reihen uns ebenfalls in die Autoschlage der Bundesstraße ein. Zu unserem Glück beginnt nun endlich ein langsames Stop and Go und die ersten Besucher fahren über das Feld in Richtung erste Reihe des Parkplatzes und wirbeln sämtliche Bodenpartikel auf. Nach dem vierten Auto gleicht das Gelände einer lebensfeindlichen Wüstenlandschaft. Sand legt sich in unsere Lungen und beim Sprechen knirscht es beunruhigend zwischen den Zähnen. 5 Euro Standgebühr sind fällig, aber was tut man nicht alles für ein vollgestaubtes Auto.

Röchelnd ziehen wir die Nummer „112“ auf unserer Plakette, hoffentlich kein schlechtes Zeichen. In Zweierreihen warten wir schließlich am Einlass und sind besten Mutes, sogleich das Campinggelände zu betreten und den optimalen Ort für unsere Zeltstadt zu ergattern. Doch erstmal heißt es: anstehen und ausharren. Die sengende Mittagssonne scheint erbarmungslos auf uns herab und aktiviert auch die letzte Schweißpore unserer erschöpften Leiber.

(Anm. d. Red.: Von einem Einblick in Enzos Anreise mit Bus und Shuttleservice sehen wir aus Redundanz- bzw. Frustationsgründen und Respekt vor den Betroffenen an dieser Stelle ab.)

Ein gutgemeinter Tipp für alle zukünftigen Highfieldbesucherinnen: Teilt euch auf! An der Fast Lane direkt am Anfang kommt man am Schnellsten rein, aber achtet darauf, nicht mehr als eine Tasche dabei zu haben. Euer restliches Gepäck bringt ihr rechts daneben, etwa 300 Meter weiter zur Gepäckkontrolle und lasst dort jemanden von euch (zurück), der darauf aufpasst. Wenn die ersten Leute bei der Fast Lane ihr Bändchen haben, könnt ihr durchgehen zum Gepäck und schon mal zur die Pole Position auf dem Camping Gelände erobern, während die Gepäckhüter dann auch zur Bändchenabgabe der Fast Lane vorrücken können. Taktik ist das halbe Leben!

Nach weiteren zwei geschlagenen Stunden am Einlass geht es voran. Zentimeter für Zentimeter. Um uns herum, eine impulsive Maße schwitzender Körper, irgendwo zwischen freudiger Erregung und bitterböser Ungeduld. Schnell machen sich die ersten Parolen breit. Doch anstatt des „Wir sind das Volk“-Allzweckklassikers ertönen in der tiefsten sächsischen Provinz besonders originelle Stehgreifkreationen: „Lasst uns rein, Einlass, Einlass!“, „Einlass, Schalalalalalalaaaa!“ und „Döpdöpdöpdödödöpdöpdöp!“. In dieser Situation erweist es sich als nützlich klein zu sein, um wortwörtlich im Schatten der anderen zu stehen, jedoch auch der einzige Vorteil in diesem Augenblick.

An dieser Stelle wieder ein gut gemeinter Rat an alle V.I.Ps oder Pressevertreterinnen: Ihr müsst euch dieses Spektakel nicht antun. Geht stattdessen die Teerstraße vor dem Parkplatz weiter runter und dann werdet ihr dort, jedenfalls so bei uns der Fall, von einem sehr netten und freundlichen Securitymenschen empfangen, der euch sagen wird, dass die Gästeliste noch nicht da ist. Denkt an euren Campingstuhl, könnte etwas dauern. Danke nochmal an Mr. Unbekannt.

Nachdem wir dann endlich unser Pressebändchen (Übrigens kein schönes Festivalbändchen mit Erinnerungswert, sondern ein billiges Stück Papier mit Klebeetikett) bekommen und selbstverständlich die 5 Euro Spende an Viva Con Agua abgegeben haben, geht es auch für uns in Richtung Campinggelände. Als wir eintreffen, finden wir unser Lager bereits fast vollständig von unserer Reisegruppe (namentlich: der gefährlichsten Reisegruppe Vorpommerns) vor. Nicht der Erste zu sein, kann auch seine Vorteile habe. Um einen Pavillon von biblischen Ausmaßen werden schnell die letzten Zelte aufgestellt. Wir sind endlich angekommen. BILD 2

An dieser Stelle müssen wir euch sagen: Achtet auf eure Kommunikation, damit ihr auch als Nachzügler den genauen Standort des Zeltplatzes findet. Nach wenigen Stunden ist es sonst kaum noch auffindbar. Merkt euch eure Wege von und zum Zelt, nutzt kluge Wegweisungmerkmale (besonders komische Fahnen, z.B. von Deutschland, Sachsen oder der anarchistischen Bewegung) und lasst euer Handy an! Macht euch den langen Weg einfacher, indem ihr Bollerwagen oder Mülltonnen für euren ganzen Kram verwendet oder ihr setzt komplett auf Muskelkraft. Bis die Zelte stehen und alle Sachen dort sind, vergeht einiges an Zeit. Ihr habt die Wahl: Entweder dichter zum Parkplatz oder dichter zum Festivalgelände. In jedem Fall stehen unterwegs ein paar Dixieklos, für den Ernstfall!

Es ist bald 18 Uhr und ein letzter Einkauf steht noch an Shopping wird in Großpösna wider Erwarten groß geschrieben. In einem überdimensionalen Einkaufszentrum finden wir einen gigantischen Supermarkt. Zeit für ein paar Stiegen Bier und leckeres Festivalessen a la Ravioli. Jetzt kann es losgehen!

Völlig fertig bevor das Festival überhaupt richtig losgeht, beenden wir den Donnerstag standesgemäß in gemütlicher Runde bei Dosenbier, Gegrilltem und einem (vor)freudigem Lächeln im Gesicht.

P.S. Dein bester Freund auf einem Festival ist neben deinem 1 Liter Tetrapack und dem Campingstuhl eine Packung Ohropax für die Nacht, denn auch abseits des Festivalgeländes wird Party gemacht.

P.P.S. Es kann aber auch vorkommen, dass man wie in dieser ersten Nacht senkrecht aus dem Schlafsack fährt und mit der Gewissheit, gleich sterben zu müssen, der Synchronität aus grellem Licht und ohrenbetäubenden Donner beiwohnt. Gegen solch ein Gewitter helfen auch die besten Ohrstöpsel nur bedingt.