geschrieben von Paul Zimansky

Etwa 50 Menschen nahmen gestern an der Mahnwache am Greifswalder Fischmarkt anlässlich des Bombenanschlags vergangenen Montag auf ein Camp in Suruc, Türkei teil. Nach einigen Redebeiträgen legten die Anwesenden Kerzen sowie Rosen nieder und gedachten den Opfern.

Eine laute Explosion, Schreie, Entsetzen. Vor drei Tagen kam es in der türkischen Stadt Suruc, nahe der Grenze zu Syrien, zu einem Bombenanschlag in dem Kulturzentrum „Amara“. Über 300 Aktivistinnen, die zum größten Teil der Föderation Sozialistische Jugend Vereinen (SGDF) angehören, wollten dort den weiteren Aufbau der umkämpften Stadt Kobane in Syrien koordinieren. Das kurdische Gebiet Nordsyriens, genannt „Rojava“, wird seit drei Jahren eigenständig demokratisch verwaltet und selbstverteidigt. Für viele Menschen ist dieser Ort ein Zufluchts- und Zukunftsgebiet, in Zeiten wo viele auf der Flucht vor fundamentalistischem Terror sind. Der menschenverachtenden Organisation des Islamischen Staates (IS) ist dieses Gebiet jedoch ein Dorn im Auge. Nachdem die Stadt Kobane mehrmals angegriffen und zum größten Teil zerstört wurde, konnten viele mutige, meist kurdische Menschen, unter Einsatz ihres Lebens, die Stadt zurückerobern.

Die Rolle Europas

Während die Menschen vor Ort den Fundamentalisten der IS gegenüberstehen und den Kampf um ihre Heimat oftmals mit ihrem Leben bezahlen, bleibt Europa – trotz der ablehnenden Haltung zu den Islamisten, weitesgehend zurückhaltend. Bisher fanden Anschläge außerhalb der europäischen Grenzen statt und konnten somit außenpolitisch hinten angestellt werden. Während die Türkei unter der Führung Erdogans Kurdinnen und Kurden samt ihren unterstützenden Organisationen unterdrückt, bekämpft und nachweislich eine Mitverantwortung zu tragen hat, dass Waffen-, und sonstige Lieferungen den IS erreichten, ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) immer noch in Deutschland verboten. Ein klares und vor allem unterstützendes Zeichen für die kurdischen Menschen blieb bisher aus. Doch nun rückte die Terrormiliz mit dem Anschlag in Suruc erstmal in innereuropäische Grenzen, vor unsere Haustür. Die deutsche Bundesregierung ist nun in der Verantwortung, Erdogan unter Druck zu setzen und humanitäre Hilfe zu leisten statt weiterhin Waffen an dieses Land zu verkaufen. Solange der türkische Staatspräsident nicht von seinem ablehnenden Kurs gegenüber der kurdischen Bevölkerung abweicht, und von den europäischen Staaten nicht unter Druck gesetzt wird, wird sich die Lage an der Grenze zu Syrien, und vor allem für die Menschen in Rojava, nicht verbessern.

„MV für Kobane“ – Solidarität aus Mecklenburg-Vorpommern

Bereits vorgestern fand am Doberaner Platz in Rostock eine Kundgebung der Initiative „MV für Kobane“ mit über 150 Leuten statt. Einige Mitglieder waren am Montag auf dem Weg zum Camp und trafen ein, als das Unglück schon geschehen war. Bereits seit einigen Monaten sammelt die Initiative Hilfsgüter für die Leute in Rojava. Am Montag wollte die Gruppe die Koordination der 4. und 5. LKWs in Suruc durchführen, als es zu dem schrecklichen Anschlag kam. In einer Liveschaltung aus Suruc sagte ein Mitglied der Initiative: „Das Suruc von gestern ist nicht mehr das Suruc von heute.“ Denn vor Ort zeigen die Menschen viel Solidarität und trotz dieser traumatischen Erlebnisse wollen sie helfen, den Wiederaufbau von Kobane voranzutreiben und den Kampf gegen den IS fortzusetzen.

Auch gestern in Greifswald zeigten sich etwa 50 Menschen solidarisch mit den Leuten vor Ort und gedachten in einer Mahnwache am Fischmarkt den Opfern des Anschlags. In den Redebeiträgen wurde auf die Haltung Deutschlands mit seinen Waffenexporten an die unter Erdogan regierte Türkei sowie der anhaltenden Kriminalisierung kurdischer Organisationen aufmerksam gemacht. Auch auf die Gefahr von rechten Leuten, Organisationen und Parteien, welche islamistischen Terror mit dem Islam und der vermeintlichen „Islamisierung“ des (Abend)Landes verbinden, und wie wir darauf reagieren sollten, wurde eingegangen. „Hass kann in einer Demokratie niemals die Antwort darauf sein. Die Antwort muss stets mehr Menschlichkeit und mehr Demokratie sein.“ sagte ein Redner.

Was sich in diesen Tagen wieder bewährt und für die Zukunft unabdingbar ist, ist die „Waffe“ der Menschen für andere Menschen, nämlich Solidarität zu zeigen, in Suruc, Berlin oder Greifswald. In Gedenken an alle Menschen, die der IS zum Opfer gefallen sind. Und Solidarität mit all jenen, die für ihre Freiheit in Rojava kämpfen.

Fotos: Paul Zimansky