„Die Brinke 16/17 ist ein symptomatisches Zeichen, dass an manchen Ecken in der Stadt etwas falsch läuft.“
Was halten Sie von der Mietpreisbremse?
Ich halte sie für dringend notwendig. Es ist ein Mittel, das wir jetzt haben und ergreifen können. Es steht ja am Montag zur Abstimmung und ich hoffe, dass sie durchkommt (Sie wurde am Montag, den 13. April 2015, in allen Punkten angenommen, Anm. d. Red.). Als Oberbürgermeister würde ich mich einsetzen, dass die Mietpreisbremse kommt, man muss sie beim Land beantragen.
Was können und wollen Sie als Oberbürgermeister im Bereich des sozialen Wohnungsbaus tun?
Wichtig ist, dass wir die Möglichkeiten nutzen, die wir haben. Wir haben zum Glück die WVG damals nicht verkauft – die CDU wollte das ja machen – damit haben wir ein sehr starkes Instrument, mit dem wir arbeiten können und wollen und müssen. Der Oberbürgermeister ist der Gesellschafter der WVG. Die WVG hat meines Erachtens die Hauptaufgabe günstigen Wohnraum anzubieten. Das kann sie durch ihre eigene Politik. Die Stadt kann Grundstücke günstig zur Verfügung stellen, das muss nicht nur an die WVG sein, sondern kann auch an andere Unternehmen sein, die günstigen Wohnraum anbieten, wie das Studierendenwerk oder auch die WGG. Wir können beim Grundstücksverkauf nicht nur ausschließlich nach dem Höchstgebot gucken, sondern auch nach dem, was gemacht wird. Das ist ein Weg, den man gehen kann, und den ich gehen will.
Ein Thema, das die Gemüter der Greifswalder erhitzt hatte, war die „Brinke 16/17“. Hätte Ihrer Meinung nach die Stadt etwas tun können, oder müssen, um die Eskalation und die Besetzung zu verhindern?
Die Brinke 16/17 ist einerseits ein symptomatisches Zeichen, dass an manchen Ecken in der Stadt etwas falsch läuft. Sie ist andererseits auch ein Beispiel, bei dem man tatsächlich wohl nichts machen konnte. Die Stadt hat sich ja bemüht, es haben sich viele Gruppen bemüht, dort zu agieren. Aber es war leider ein Verkauf von Privat an Privat und da hatten wir sehr wenig Handlungsspielraum. Wir müssen jetzt nach vorne gucken, wo wir handeln können und schauen, dass Grundstücke nicht nur unter dem Gewinnaspekt, sondern auch unter dem Nutzungsaspekt verkauft werden. Ich bin überzeugt, dass eine vielfältige Wohnform in unserer Stadt eine Bereicherung ist. Das macht eine Stadt attraktiver und lebendiger. Wir müssen gucken, dass vielfältige Wohn- und Lebensformen auch in Zukunft möglich sind.
Wie empfinden Sie das Zusammenspiel zwischen Alt und Jung in Greifswald?
Ich glaube, generell ist es gut. Ich merke das, ob es beim Seniorenbeirat oder den Vertreter der Studierendenschaft ist, dass die meisten alteingesessenen Greifswalder wissen, dass die Universität das Zentrale ist. Es gibt manchmal so eine Stimmung, dass die Studierenden den Mund halten sollten, da sie sowieso nur drei Jahre hier sind. Die Leute fragen sich dann: „Was mischen die sich ein in solche Themen wie Verkehr oder den Namen der Uni oder ähnliche Sachen ein?“ Das halte ich für Unsinn. Natürlich hat jeder, der hier lebt, das Recht mitzureden – ich bin froh, wenn er mitredet.
In letzter Zeit bekommt man das Gefühl, dass die Übergriffe gegenüber Frauen stark angestiegen sind. Was wollen Sie als Oberbürgermeister machen, dass sich die Greifswalderinnen wieder sicherer fühlen?
Zum Glück ist Greifswald, soweit man Kriminalitätsstatistiken trauen kann, eine Stadt, die relativ sicher ist. Nichtsdestotrotz haben Frauen und ältere Menschen Angst in der Dunkelheit durch einen Park zu gehen. Da kann man nur in einem gewissen Grade etwas machen. Ein Punkt, den ich mir genauer anschauen möchte – den auch ältere Menschen immer wieder erwähnen – ist die Beleuchtung. Man muss gucken, ob alles ausreichend ausgeleuchtet ist. Das ist ein bisschen im Widerspruch zum Stromsparen. Da muss man den richtigen Mittelweg finden. Ein zweiter, mir wichtiger Punkt ist, dass, wenn etwas passiert, rasch Hilfe kommt. Das ist wohl nicht immer der Fall. Da muss man mit der Polizei reden und mit dem eigenen Ordnungsdienst, dass da die eigenen Abläufe beschleunigt werden.
In Greifswald ist das Fahrrad das beliebteste Verkehrsmittel. Was wollen Sie tun, um die Zufriedenheit der Fahrradfahrer zu steigern? Wie wollen Sie Greifswald wieder zur Fahrradhauptstadt zu machen?
Greifswald ist geradezu ideal für das Fahrradfahren. Es ist überschaubar, sechs Kilometer ist schon das weiteste, was man in der Stadt fahren kann und es ist flach. Trotzdem haben wir bei der Infrastruktur sehr große Defizite. Das merkt man besonders, wenn man in einer Stadt ist, in der wirklich viel für die Radfahrer gemacht wird. Wichtig ist für mich primär der Ausbau der Radachse, von der Innenstadt über den Campus am Beitzplatz hin nach Eldena und Elisenhain. An den beiden neuralgischen Punkten Europakreuzzung und Rathenowstraße müssen Fahrräder Vorrang bekommen. Außerdem muss man gucken, wo Lücken im Radnetz sind. Ein großes Problem für mich ist die Anbindung an das Umland. Wer schon mal mit dem Rad nach Levenhagen gefahren ist, weiß, dass das ein Selbstmordkommando ist. Neben den Radwegen gehört auch die weitere Infrastruktur dazu. Ich weiß, wenn einige Personen mit dem Zug nach Hause fahren, ihr Fahrrad am Bahnhof abstellen wollen, es wegen der Diebstahlgefahr aber nicht machen. Ich kenne von anderen Städten Radstationen, die betreut sind und einen Service haben. Dort wird über das Wochenende das Rad sogar noch repariert und kann am Sonntagabend abgeholt werden. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass das kommt. Dank der Verhandlung mit dem Investor der KAW-Hallen ist die Fläche auch da. Jetzt brauchen wir nur noch einen Betreiber.
Wie stehen Sie zur Diagonalquerung?
Die Diagonalquerung ist nur ein Teil des Umbaus der Europakreuzzung. Ich halte diesen Umbau für wichtig, denn wenn man ihn wie geplant umsetzt, würden alle Verkehrsteilnehmerinnen davon profitieren. Die Fußgänger kommen schneller rüber, die Radfahrerinnen sowieso und, das wird leider von vielen Leuten nicht gesehen, auch die Autofahrerinnen haben kürzere Wartezeiten, denn die Ampelumlaufszeit wird geringer. Wir werden dieses Projekt in Zukunft angehen müssen – wir haben da viele Chance vertan – aber ich halte den Umbau der Europakreuzzung zur verkehrstechnischen Optimierung für sehr sinnvoll und hoffe, dass die Bürgerschaft die Gelder dafür freigibt.
In der Legislatur von Arthur König ist es immer wieder dazu gekommen, dass Bauprojekte, wie das technische Rathaus und der Poller, für Schlagzeilen gesorgt haben. Wie wollen Sie in Zukunft solchen Problemen entgegentreten und wollen Sie bei Verstößen gegen Bauverträge härter vorgehen?
Zum technischen Rathaus: Die Grünen hatten einen Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, in dem gezeigt wurde, dass dort viele schlimme Sachen passiert sind. Es gab Zustände im Ablauf zwischen der BauBeCon und der Verwaltung, die nicht hinnehmbar waren. Wir leiden auch heute noch unter den Folgen der BauBeCon. Wir haben uns, gegen heftigen Widerstand der CDU, von ihr getrennt und jetzt merkt man, was da über viele Jahre schiefgelaufen ist. Da hat die Verwaltung in ihrer Aufsichtspflicht versagt. Das Kapitel ist aber hoffentlich überwunden. Beim Bauen finde ich auch, dass wir viel zu langsam bauen. Mir fällt das bei den Straßen auf. Ich glaube, man kann dabei schneller bauen und das macht die freie Wirtschaft mit Konventionalstrafen. Das heißt, wenn ein Termin nicht eingehalten wird, dass die Firma dann zahlen muss und normalerweise werden sie dann auch immer termingerecht fertig. Ich verstehe nicht, warum dieser Punkt bisher nicht angegangen wurde. Ich würde ihn auf jeden Fall umsetzen wollen.
Greifswald profitiert von Initiativen wie dem Greifswald International Students Festival (GrIStuF). Wie wollen Sie solche Initiativen unterstützen?
Greifswald hat seinen Reiz und seine Attraktivität gerade durch solche Initiativen. Wir haben ein Kulturangebot, dass für eine Stadt mit unter 60.000 Einwohnern wirklich beachtenswert ist: Der Nordische Klang, GrIStuF, die Bachwoche, der PolenmARkT, um nur einige zu nennen. Es wird unheimlich viel auf die Beine gestellt. Das kann Greifswald als Stadt gar nicht genug hegen und pflegen. Beim GrIStuF haben wir dafür gekämpft, dass sie die Räume auf dem Gelände der KAW-Hallen bekommen. Ich bin sehr froh, dass uns das geglückt ist und wir müssen weiterhin gucken, dass diese Initiativen Räume zur Verfügung haben. Im Notfall muss die Stadt einspringen. Klare Ansage: Ich bin sehr froh, dass diese Festivals und Kulturgruppen und –initiativen einer der attraktivsten Punkte unserer Stadt sind. Ich werde immer gucken, dass das funktioniert.
Zum Theater: Welche Rolle nimmt das Theater Vorpommern für Sie ein?
Neben den eben genannten Kultureinrichtungen ist das Theater ein weiterer ganz wichtiger Punkt; ich erfahre das immer in Gesprächen. Ich habe in den letzten Wochen viel mit Vertretern der Wirtschaft und großen Kliniken gesprochen. Sie alle sagen, dass ein gutes und attraktives Theater wichtig für die Nachwuchsgewinnung ist. Wenn jemand herkommt und sich die Stadt anschaut, schaut er durchaus, ob es ein gutes Theater gibt. Aus diesem Punkt ist es wichtig, dass ist aber nicht der alleinige Punkt. Kultur hat auch für sich eine Daseinsberechtigung. Nur weil sie Geld kostet, wird das immer hinterfragt.
Welches Modell ist für Sie die beste Variante für das Theater?
Ich glaube, dass die Eigenständigkeit die beste Variante ist. Ich bin sehr skeptisch, ob die Fusion, die jetzt angestrebt wird, ein guter und gangbarer Weg ist. Wenn ich mir die Kreisgebietsreform angucke, die denselben Gedanken hat, sprich wir schließen uns zusammen und dann wird alles günstiger und besser, sieht man, dass es weder günstiger noch besser wird. Vom Sparen spricht da keiner mehr. Die Strukturen sind sehr unhandlich geworden, das fürchte ich beim Theater auch. Ich würde mich sehr dafür einsetzen, dass das Theater Vorpommern eigenständig bleibt. Das sieht im Moment aber schwierig aus. Klar ist, egal ob Fusion oder Eigenständigkeit, wir müssen mehr Geld an das Theater geben, damit das Theater funktionieren kann. Das Theater bekommt seit 20 Jahren das gleiche Geld, da kann sich jeder ausrechnen, dass das nicht funktionieren kann. Die Mitarbeiterinnen haben gesagt, dass sie Lohnkürzungen mittragen würden. Denn sie fürchten sich davor, dass sie nur noch auf der Straße, zwischen Putbus und Neustrelitz, unterwegs sind.
Danke für das Gespräch.
Fotos: Katrin Haubold